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RoboCup 2017 in Japan
"In den Zweikämpfen hatte unser Roboter deutliche Vorteile"

Die Universität Bonn hat bei der Weltmeisterschaft der Roboterfußballer gleich zwei Titel geholt: Ihr zweibeiniger Roboter konnte vor allem mit seinem guten Gleichgewicht punkten, erklärt der Informatiker Sven Behnke im Dlf: "Unser Gegner hat öfter mal die Balance verloren und musste dann vom Feld getragen werden."

Sven Behnke im Gespräch mit Ralf Krauter | 04.08.2017
    Humanoide Roboter beim Fußball-Spiel während der WM in Japan 2017
    NimbRo-OP2 aus Bonn (l.) lässt sich im Endspiel gegen den Roboter Sweaty nicht so leicht aus dem Gleichgewicht bringen. (AFP/KAZUHIRO NOGI)
    Ralf Krauter: Beim RoboCup, der alljährlichen Weltmeisterschaft kickender Maschinen, die dieses Jahr in Japan ausgetragen wurde, waren deutsche Fußballroboter gleich in drei Klassen erfolgreich. Die Informatiker um Professor Sven Behnke von der Universität Bonn konnten sogar einen Doppelsieg einfahren. Sie wurden Weltmeister in der Adult-Size- und Teen-Size-Klasse humanoider Roboter. Im Endspiel der Adult-Size-Klasse musste der knapp 1,5 Meter hohe Roboter NimbRo-OP2 aus Bonn gegen seinen Landsmann Sweaty von der Hochschule Offenburg antreten. Schauen wir zunächst auf die AdultSize-Klasse. Sven Behnke, wie haben Sie das Finale am Wochenende erlebt?"
    Sven Behnke: Also ich muss sagen dazu, dass in diesem Jahr erstmals in dieser Größenklasse wirklich Spiele ausgetragen wurden. Vorher wurden sogenannte Dribbler- und Kick-Wettbewerbe ausgetragen, wo sich die gegnerischen Spieler nicht nahekommen, sondern einer stand im Tor, der andere musste den Ball erst mal in die gegnerische Hälfte dribbeln und dann durfte er schießen. Dieses Jahr eben erstmals Spiele, zwar nur mit einem Spieler pro Mannschaft, aber eben doch so, dass die Roboter dann sich auf dem Feld orientieren müssen und dass sie sich beim Kampf um den Ball auch nahekommen und möglicherweise dann anstupsen oder Ähnliches.
    Der NimbRo-OP2-Roboter ist eben jetzt auch ganz neu entstanden für diesen Wettbewerb. Der ist mit 3-D-Drucktechnologie gefertigt worden, und es war gar nicht klar im Vorfeld, wie gut der funktionieren würde, hatte aber in der Vorrunde schon ganz hervorragend funktioniert, aber eben mit Gegnern, die nicht so stark waren.
    Lob für den Gegner
    Das Team Sweaty hatte auch einen Roboter, der den Ball sehr zuverlässig wahrnehmen konnte, der auch recht zügig übers Feld gegangen ist und der auch kräftig kicken konnte. Das heißt also, das war schon ein sehr gefährlicher Gegner, und im Vorfeld war es gar nicht so klar, wie das Spiel ausgehen würde. Wir hatten zwar in der Vorrunde mehr Tore geschossen, aber da es eben auch nur einen Roboter pro Team gibt, wenn der sozusagen einen Ausfall hat, dann hat man sozusagen ein Problem. Die Roboter, die sind zwar möglicherweise in der Lage aufzustehen, aber ob sie den Sturz überleben, das ist dann die interessante Frage. Deswegen war wirklich die Ausgangslage sehr offen.
    Krauter: Das Ergebnis war dann aber recht deutlich, elf zu eins für Ihren Roboter. Sie haben Sweaty aus Offenburg vom Platz gefegt, kann man sagen.
    Behnke: Ja, so würde ich das jetzt nicht formulieren, aber es war dann doch so, dass gerade in den Zweikämpfen unser Roboter deutliche Vorteile hatte und es da eben doch immer wieder geschafft hat, den Ball sozusagen am Gegner vorbeizuluchsen und dann auch quer übers Feld schießen konnte, während Sweaty doch öfter mal die Balance verloren hat und dann sozusagen vom Feld getragen werden musste, was eben dann eine kleine Zeitstrafe nach sich zieht und die Gelegenheit für uns, dann zu verwandeln.
    Krauter: Sie haben es schon angedeutet, der Gegner hatte Gleichgewichtsprobleme in diesem Fall. Ich hab mir das YouTube-Video angeschaut, Sweaty verliert öfter mal das Gleichgewicht, wird dann vom Platz getragen, sodass Ihre Maschine dann letztlich freie Bahn hatte und eigentlich dann nur noch aufs Tor zuhalten und schießen musste. Wie haben Sie es geschafft, dass Ihr Roboter so viel stabiler auf den Beinen war? Das war ja in diesem Fall offensichtlich der Schlüssel zum Erfolg.
    Behnke: Wir beschäftigen uns auch schon länger mit diesen zweibeinigen Fußballrobotern und haben da eben auch Methoden entwickelt, um Störungen zurückzuweisen. Das heißt also, der Roboter ist ausgestattet mit einer inertialen Messeinheit, er kann also messen, wohin der Schwerkraftvektor zeigt, und er kann eben auch Drehraten messen und auf diese Weise seine Lage im Raum schätzen.
    Wenn Abgleichungen von dem Normalfall, der aufrechten Lage, festgestellt werden, passt der Roboter vielfältige Aspekte des Gangverhaltens an. Das ist zum Teil auch mit Ausgleichsbewegungen in den Armen verbunden, das ist zum Teil damit verbunden, dass der Zeitpunkt des nächsten Schritts angepasst wird oder eben auch gewisse Ausgleichsbewegungen mit den Fußgelenken oder den Hüftgelenken. Also es sind zahlreiche Mechanismen, die bis zu einem gewissen Grad auch dem nachvollzogen sind, wie Menschen die Balance wahren, und die sind relativ wirkungsvoll für die Zurückweisung kleinerer Störungen. Aber wenn eben größere Störungen kommen, würde auch dieser Roboter die Balance verlieren.
    Großer Roboter mit Software der kleinen
    Krauter: Sie profitieren davon, mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet letztlich, um dieses Gleichgewichtsverhalten soweit zu optimieren. Gab es andere Erfolgsfaktoren, wo Sie sagen, da hat sich unser Kalkül ausgezahlt?
    Behnke: Ja, also gerade eben die flexible Verhaltenssteuerung im Zweikampf, da haben wir auch Erfahrung aus Vorjahren, wo wir mit kleineren Robotern angetreten sind, in der sogenannten Teen-Size-Klasse, wann es sich lohnt, den Ball auch mal quer zu spielen, nicht immer nur direkt. Da steckt natürlich einiges drin, und die Software der kleineren Roboter wurde eben jetzt auch auf diesen größeren Roboter übertragen.
    Krauter: Da haben Sie schon die Überleitung gebracht, Sie haben auch in einer anderen Klasse, also in der der etwas kleineren TeenSize Humanoide Robots abgeräumt. Die Maschinen da sind nur etwa ein Meter groß. Sie haben da auch schon 2016 in Leipzig den Weltmeistertitel geholt. Wie stark mussten Sie sich in dieser Liga anstrengen, um auch diesmal wieder die Nase vorn zu haben?
    Behnke: In diesem Jahr wurde die Anzahl der erlaubten Spieler pro Mannschaft erhöht von zwei gegen zwei, was im letzten Jahr noch der Fall war, auf drei gegen drei, sodass also der neuartige Aspekt in diesem Jahr durchaus war, dass mehr Teamspiel möglich war. Allerdings ist es eben auch an der Stelle nicht so einfach, tatsächlich drei Roboter gleichzeitig zu betreiben, sodass die Situation, wo wirklich drei Roboter auf dem Spielfeld waren und gemeinsam in eine Richtung gespielt haben und sich dabei dann abstimmen, wer zum Ball geht und so weiter – diese Situationen waren im Turnier dann doch verhältnismäßig selten. Von daher ist es eben auch in dieser Liga so, dass weiterhin diese individuellen Stärken des Gangs, der Ballwahrnehmung, des kräftigen Schusses und insbesondere natürlich auch der Wahrung der Balance weiterhin im Vordergrund stehen.
    Noch ein weiter Weg bis zum Sieg über menschliche Spieler
    Krauter: Das Ziel von RoboCup ist es ja, bis 2050 mit zweibeinigen Robo-Kickern den amtierenden Fußballweltmeister vom Platz fegen zu können. Wenn man jetzt die Bilder gesehen hat aus Japan, aktuell schlürfen die Roboter, also die menschengroßen, noch so ein bisschen wie zweijährige Kinder über den Platz, unsicher auf den Beinen. Was fehlt noch zu mehr Dynamik? Ist das die Mechanik, die noch ein Handicap ist, oder sind das die Algorithmen für die Steuerung?
    Behnke: Ja, es ist ganz offensichtlich, dass da noch viel zu tun ist, bevor man menschliches Performanzniveau erreicht, und das, was da zu tun ist, ist wirklich an ganz vielen Fronten zu tun. Das geht tatsächlich schon los bei den Antrieben. Jetzt kommen wir uns selber vielleicht nicht so furchtbar stark vor, aber wenn ich eben hingehe zu einem Hersteller von Antrieben und sage, ich brauche jetzt einen Antrieb, der diese und jene Kraft entwickeln kann und diese und jene Geschwindigkeit und dann darf der aber nur noch soundso viel wiegen, dann werde ich da nicht so einfach fündig. Das heißt, unsere Muskeln sind durchaus in der Lage, zwar nur für kurze Zeit, viel Leistung zu entwickeln. Das ist so ein Punkt, einfach die Antriebs- und Materialtechnik für die Konstruktion der Maschinen.
    Nächster Punkt ist eben die Kontrolle. Da gibt es inzwischen durchaus Verfahren, um Störungen zurückzuweisen beim Gehen, aber wirklich dynamische Ganzkörperbewegungen in Echtzeit zu generieren, so wie das beim Fußball wirklich nötig wäre, das ist noch nicht Stand der Kunst, und da muss noch einiges getan werden. Im Moment gehen die Maschinen, man würde sicher gerne rennen.
    Aber auch da – sowohl bei den Antrieben als auch bei der Kontrolle – ist noch einiges zu leisten und sicher auch in dem Bereich der Wahrnehmung der Spielsituation. Da hat man schon deutliche Vorschritte gemacht, manche Roboter sind sogar mit Grafikkarten mittlerweile ausgestattet, um da noch besser lernen zu können, wie der Ball aussieht und so weiter, aber auch da gibt es viele Aspekte, die noch nicht abgedeckt sind. Beispielsweise würde man vielleicht gerne genau wissen, wo der gegnerische Spieler seine Körperteile hat – diese Aspekte werden zurzeit noch nicht wahrgenommen. Das heißt, da ist sehr viel noch zu tun, und es sind natürlich noch 30 Jahre Zeit bis zu dem gesteckten Ziel, gegen die Menschen gewinnen zu können.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.