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Rohrpost für Güter

Technik. - In unserer Serie über tolle Ideen, von denen man später nicht mehr viel gehört hat, gehen wir heute in den Untergrund. Vor etwa fünf Jahren sorgten Bochumer Ingenieure mit ihrem Vorschlag für Aufsehen, den Güterverkehr unter die Erde zu verlegen: Cargo Cap – eine unterirdische Rohrpost für den Warentransport. Forschung aktuell hat die Labors besucht.

Von Sascha Ott |
    "Renaissance der Rohrpost" und "Die Zukunft liegt im Untergrund" – so und ähnlich euphorisch lauteten die Schlagzeilen. Es war Ende 1999 als Prof. Dietrich Stein von der Fakultät für Bauingenieurswesen der Ruhr-Universität Bochum seine Idee von Cargo Cap der Öffentlichkeit vorstellte. Vielleicht war die Stimmung für futuristische Visionen so kurz vor der Jahrtausendwende besonders günstig. Denn von den Reaktionen war Stein selbst überrascht.

    Ich hatte mich anfangs eigentlich davor gefürchtet, mit dieser Idee an die Öffentlichkeit zu gehen, weil man sehr, sehr schnell als Spinner oder Scharlatan abgetan wird. Ich habe dann aber feststellen können, dass diese Idee in weitesten Teilen der Bevölkerung bis hin zur Presse ungeheuer viel Sympathie fand.

    In mannshohen Röhren sollten motorisierte Kapseln beladen mit zwei Euro-Paletten ihr Ziel erreichen. Zunächst war eine 80 Kilometer lange Trasse unter dem Ruhrgebiet geplant. Später dann sollten auch einzelne Haushalte im Keller ihren Anschluss an das Cargo-Cap-Netz erhalten. Aber dann kam der Rückschlag: Der nordrhein-westfälische Landtag ließ 2002 ein Gutachten über die Chancen von Cargo Cap erstellen.

    Und dieses Gutachten kam zu sehr negativen Aussagen aufgrund aus unserer Sicht schwerer handwerklicher Fehler. Aber es war dann maßgeblich bei der Entscheidung, ob man dieses Vorhaben weiter fördert oder nicht. Und so wurden dann im Dezember 2002 die Fördermittel gestrichen.

    Aber Dietrich Stein und seine Kollegen machten trotzdem weiter. Und wurden belohnt: Vor einem Jahr genehmigte das Wissenschaftsministerium in Düsseldorf eine neue Förderung. Das Projekt kam wieder richtig ins Rollen.

    In einer Werkstatthalle der Ruhr-Uni stehen bereits einige Meter Gleise und eine Weiche. Hier testet der Ingenieur Lutz Hohaus, wie die Kapseln am sichersten von der Haupttrasse auf eine Nebenstrecke abbiegen können.

    Die Idee ist, dass eben in dieser unterirdischen Röhre Fahrzeuge direkt hintereinander fahren sollen. Und da können wir eben eine Weiche, die Stellzeiten hat, nicht gebrauchen. Deshalb haben wir eine Weiche gebaut, die am Fahrweg völlig passiv ist. Die Fahrtrichtung wird eingestellt am Fahrzeug. Da wird dieser Führungsarm ausgefahren in die jeweils gewünschte Richtung. Dann fädelt sich dieser Führungsarm ein in eine zusätzliche Führungsschiene, die an der Rohrwand angebracht ist, und wird dann über diese Führungsschiene in die entsprechende Richtung geleitet.

    Mit 36 Kilometern pro Stunde sollen die Wagen durch die Röhren fahren. Angetrieben werden sie dabei von einem Elektromotor, den Ingenieure im Moment im Nachbarlabor entwickeln.

    Wir haben hier im Labor eine Achse des Fahrzeugs nachgebildet bestehend aus zwei Antriebsmotoren, sodass wir verschiedene Fahrzustände und Belastungen der Motoren hier im Labor nachbilden können. Die maximale Zuladung, die wir erlauben sind zwei Tonnen bei einem Fahrzeugleergewicht von 800 Kilogramm. Und die maximale Steigung, die erlaubt ist, beträgt drei Prozent.

    Markus Grimmig will jedem Rad der Cargo-Kapseln einen eigenen Motor geben. Wenn sich in einer Kurve die äußeren Räder – wegen des längeren Weges – schneller als die inneren drehen müssen, greift eine spezielle Drehzahl-Steuerung ein. Schon in wenigen Wochen wird dieses Prinzip seinem ersten Praxistest unterzogen. Denn dann wollen die Bochumer eine Teststrecke im Maßstab eins zu zwei in ihrer eigenen Werkshalle in Betrieb nehmen.

    Wir haben jetzt den Mietvertrag unterzeichnet. Und wir hoffen dann zum Dezember, so haben wir es uns zumindest vorgenommen, die ersten Caps in der Röhre fahren zu lassen, wie gesagt in einem Maßstab von eins zu zwei. Die Röhrenanlagen werden einen Durchmesser von 800 Millimeter haben.

    Vom Erfolg dieser Teststrecke wird viel abhängen. Sie soll Politikern und Wirtschaftsvertretern vor Augen führen, dass der Transport mit Cargo Cap schnell, sicher und rentabel funktioniert. Denn es sind noch einige Fördermillionen und einige Jahre Entwicklungsarbeit nötig, bis die Vision von der Rohrpost für die Warenwelt tatsächlich Wirklichkeit werden könnte.