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Rolle rückwärts

Gerade einmal sieben Monate hat die schwarz-gelbe Uniklinik-Reform in Baden-Württemberg gehalten: Die neue rot-grüne Landesregierung kassiert das Gesetz und stellt den Zustand aus der Zeit davor weitgehend wieder her.

Von Michael Brandt | 09.11.2011
    Nach Meinung der vier Universitätsklinika in Baden-Württemberg war das alte Gesetz über die Klinika ein Erfolgsrezept. Professor Ingo Autenrieth, der Dekan der medizinischen Fakultät der Universität Tübingen, hat sich selbst für einen Ruf nach Baden-Württemberg entschieden, weil die Kliniken hier mehr Freiheit haben:

    "Vor 14 Jahren hat man in Baden-Württemberg wirklich einen Schritt nach vorne getan. Man hat als erstes Bundesland eine neue Rechtsform für die Uniklinika geschaffen, die hat man zu selbstständigen Anstalten erklärt, sodass Handlungsspielräume erwachsen sind. Diese Handlungsspiele haben sich so ausgewirkt, dass die baden-würtembergischen Kliniken führend sind."

    Und zwar insbesondere wissenschaftlich, was dann in einem zweiten Schritt der Lehre und der Qualität der Ausbildung zugutekommt.

    Umso größer war der Ärger, als die alte schwarz-gelbe Landesregierung, noch kurz vor ihrem Ende ihrer Zeit in diesem Januar diese Freiheit der Kliniken einschränken wollte. Mit einem neuen Universitätsmedizingesetz wurden die Klinika unter dem Dach einer sogenannten Körperschaft für Universitätsmedizin wieder näher an den Rest der Universität gebunden.

    Vor allem aber sollte nach dem neuen Gesetz noch in diesem Jahr eine Gewährträgerversammlung eingerichtet werden, die bei finanziellen Entscheidungen der Klinika künftig mitredet. In dieser Versammlung sollten Vertreter des Landes und des Parlaments sitzen. Die Kliniken befürchteten eine Gängelung durch das Land und der Universitätsklinikaverband sogar einen deutlichen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, so Rüdiger Strehl, der Generalsekretär des Universitätsklinikaverbandes:

    "Einmal wären die Einrichtungen in ihrer Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit geschwächt worden. Zum Zweiten können Sie sich ja vorstellen, das erfahrene Manager dann einen großen Bogen um Baden-Württemberg gemacht hätten."

    Schon im Wahlkampf hatte sich Grüne und SPD an die Seite der Klinikärzte gestellt und so wurde heute das gerade einmal sieben Monate alte Gesetz gestrichen, auf Landtagsdeutsch: rückabgewickelt. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer:

    "Wir wollen mit diesem Gesetz zeigen, dass unsere Universitätskliniken ihre Handlungsspielräume behalten sollen. Mit dem Gesetzentwurf wird der Zwangsverbund der medizinischen Fakultäten der Klinika unter dem Dach der Universitäten wieder zurückgenommen."

    Die Kliniken und ihr Verband begrüßen die Rücknahme einhellig. Die Opposition kritisiert nun allerdings, dass die Gründe für die Einführung des Gesetzes aus dem Gesichtsfeld verschwinden.

    Erstens haben die Kliniken seit 1997 ihre wirtschaftliche Freiheit unter anderem genutzt, um einen ansehnlichen Schuldenberg aufzuhäufen. Zweitens gab es in den vergangenen Jahren insbesondere an der Uniklinik Freiburg einige unerfreuliche Ereignisse - unter anderem den Dopingskandal -, die zumindest mit der Freiheit der Klinik zusammenhängen könnten.

    Allerdings ist die Frage, ob das durch die Gewährträgerversammlung hätte verhindert werden können. Rüdiger Strehl etwa ist der Auffassung, dass dort ganz einfach der Aufsichtsrat versagt hat.

    Das heute debattierte Rückabwicklungsgesetz jedenfalls stellt den Zustand von vor sieben Monaten weitgehend wieder her.

    Laut Ministerin Bauer soll nun ein Prozess beginnen, an dessen Ende in etwa zwei Jahren eine komplette Neufassung des Gesetzes über die Universitätsklinika stehen soll. In dem soll dann einerseits die Wettbewerbsfähigkeit der Kliniken in Baden-Württemberg weiter gestärkt werden, und andererseits sollen Fehlentwicklungen wie in Freiburg verhindert werden.