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'Rosebud'

Dreimal stand er im Wettbewerb um den Hörspielpreis der Kriegsblinden - mit "Rocky Dutschke 68", mit "Lager ohne Grenzen", und nun - siegreich - mit "Rosebud". Drei Anläufe also hat es gebraucht, bis Christoph Schlingensief den noch immer renommiertesten deutschen Hörspielpreis errang, der vom Bund der Kriegsblinden und der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen getragen wird. Die Entscheidung fiel gegen die gesamte Fraktion der blinden Juroren, die seit einer Änderung der Satzung in der Minderheit sind. Auch unter den Fachkritikern indes regte sich Unmut. Immerhin zwei Enthaltungen dokumentieren die starken Reserven einiger Juroren gegen Schlingensiefs Trash-Ästhetik, gegen seine Attacken wider die Berliner Republik, gegen seinen mitunter chaotischen Humor. Kaum größer könnte der Gegensatz zwischen Christoph Schlingensiefs "Rosebud" zum zweitplatzierten Stück, dem Favoriten der Kriegsblinden, sein. "Krupp" von Peter Märthesheimer erzählt mit großem epischen Bogen die Geschichte des Kapitalismus, illustriert an der Familiengeschichte der Krupps. Historische Aufklärung via Hörspiel, derlei wirkte vor allem auf die Riege der Kritiker allzu volkshochschulhaft.

Frank Olbert |
    Allzu beglückend, darin waren sich die Juroren am Ende der zwei Sitzungstage in Saarbrücken einig, war die Auswahl der Hörspiele in diesem Jahr nicht. Weder John von Düffel noch Dirk Spelsberg, in anderen Jahren immer wieder Anwärter auf den Preis, konnten mit starken Stücken aufwarten - auch Eran Schaerfs "Die Stimme des Hörers", immerhin von der Jury der Akademie der Darstellenden Künste zum Hörspiel des Jahres gekürt, vermochte nicht zu überzeugen. Allein zwei Hörspiel hatten das Zeug, vordere Plätze zu belegen: Das eine stammt von Norbert Jochum und heißt "Was machen wir jetzt? Wir machen weiter, einfach weiter", eine Produktion des Hessischen Rundfunks. Für erhebliche Erheiterung sorgte das andere, Horst Hussels fingierte Künstlerbiographie um einen genialen Musiker aus der Provinz: "Musik aus Gägelow", eine Produktion des Deutschlandfunk.