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Rot ohne Grün in Berlin

An der Basis von SPD und Grünen ist man über das Scheitern einer rot-grünen Koalition in der Hauptstadt unzufrieden. Fast 80 Prozent der Berliner haben nicht CDU gewählt - nun soll die Partei vielleicht trotzdem mitregieren.

Von Verena Kemna |
    Auf den Fluren im Berliner Abgeordnetenhaus ist es leer. In allen Fraktionen wird gerade um- oder ausgeräumt. Die Grünen Abgeordnete Anja Schillhaneck entschuldigt sich für die Unordnung. In ihrem Fraktionsbüro stapeln sich die Akten auf Tisch und Fußboden. Seit dem Wahlabend kreisen ihre Gedanken ausschließlich um Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen.

    "Gerade Klaus Wowereit hat im Vorfeld ganz klar gesagt, er will die A 100. Er wird die Grünen schon noch klein kriegen und Ähnliches. Wir haben gesagt, wir wollen es trotzdem versuchen. Weil wir aus der SPD wahrgenommen haben, dass es eigentlich in der Breite ein ganz großes Interesse daran gibt, diese rot-grüne Koalition zu versuchen. Aber ich glaube, da wollte vor allem einer nicht und das hat sich dann gestern sehr deutlich gezeigt."

    Sie selbst ist dabei, als der Regierende SPD Bürgermeister Klaus Wowereit die A 100 in einer ersten und letzten Koalitionsrunde für nicht verhandelbar erklärt. Spätestens da meint Anja Schillhaneck zu erkennen, dass die Glaubwürdigkeit der Grünen auf dem Spiel steht.

    "Er wird immer einen weiteren Schritt zurückweichen, solange, bis wir auf die Nase gefallen sind und wieder ein SPD-ler in der Gegend rum erzählen kann, für ein kleines bisschen Regierungsbeteiligung machen die Grünen bei Infrastrukturprojekten alles."

    Tun sie offensichtlich nicht. Dafür ist es nun vorbei mit der Aussicht auf Regierungsbeteiligung. Wieder einmal werden die Grünen in Berlin nur auf der Oppositionsbank sitzen. Unzählige Mails und Anrufe bezeugen das Unverständnis an der Basis, gilt doch Rot-Grün in beiden Parteien als lang ersehnter Traum.

    "Die Emails, die ich heute Morgen von den Bürgerinnen und Bürgern bekommen habe, die sagen ganz klar, das kann doch nicht sein. Das ist doch der Rückschritt, das hat diese Stadt nicht verdient. Über 80 Prozent der Wahlberechtigten haben nicht CDU gewählt. Wie können wir das der Stadt antun. Da kann ich nur sagen, das sind nicht wir, die das der Stadt antun. Da muss man mal sehr genau hingucken."

    An gegenseitigen Schuldzuweisungen fehlt es nicht. Dabei hätte es viele Gemeinsamkeiten gegeben, etwa bei der Bildungs- und Innenpolitik, beim Klimaschutz. Auch Andreas Otto ist enttäuscht. Der Grünen Politiker hat sich auf Mieten und Gebäudesanierung spezialisiert. Unzählige Papiere mit möglichen Lösungen für akute Probleme hat er in den vergangenen Monaten ausgearbeitet. Nun bleiben alle gemeinsamen Vorhaben mindestens für die nächsten fünf Jahre in der Schublade. Die erste Resonanz aus seinem Wahlkreis in Pankow: Viele haben Verständnis, dass die Grünen ihre Position zur A 100 nicht grundsätzlich aufgegeben haben, andere äußern ihre Sorgen um die Zukunft.

    "Hier ist so viel zu tun in der Stadt, Wohnungspolitik, Mieten, Klimaschutz und all das wird jetzt möglicherweise stagnieren und deswegen sind die Leute natürlich enttäuscht."

    Auch in der SPD-Fraktion verbirgt kaum einer die Enttäuschung über das Scheitern der Verhandlungen. Aber, eine Koalition mit den Grünen wäre nicht wirklich belastbar gewesen, erklärt Christian Gäbler, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus:

    "Das ist dann was, was weniger mit dem Thema Autobahn zu tun hat, sondern mit der Frage, wie geht man grundsätzlich in eine Koalition herein. Ist man wirklich bereit, partnerschaftlich zusammen zu arbeiten oder geht es vor allem darum, eigene Positionen hochzuhalten und eigene Glaubwürdigkeit zu zelebrieren."

    Bei denen, die wie Christian Gäbler hautnah dabei waren, steht fest, dass die Verlängerung der A 100, von den Grünen abgelehnt, von der SPD gewollt, nicht zum Scheitern der Verhandlungen geführt hat. Vielmehr ging es um das grundsätzliche Miteinander.

    "Wenn es nicht passt, wenn man keine Arbeitsgrundlage hat, dass dann alle rot-grünen Träume noch so schön sein mögen, dass man es dann aber doch nicht umsetzen kann. Das wird aber in den nächsten Tagen auch noch mal die Aufgabe sein, das entsprechend zu diskutieren."

    Sprich, die Basis soll wissen, weshalb die Verhandlungen gescheitert sind. Auch die SPD-Politikerin Ülker Radziwill wollte Rot-Grün und muss sich jetzt mit Rot-Schwarz anfreunden.

    "Die Basis ist mehrheitlich schon enttäuscht, dass es nicht geklappt hat mit den Grünen. Es gibt sehr viele die sagen, ich bin einfach traurig darüber. Wir wollten das weil es zu unserem Lebensgefühl passt und Rot-Schwarz ist nicht das, was wir möchten. Aber, diese Partei hat die zweitbesten Stimmen eingefahren und wir sind in einer Demokratie gezwungen, Gespräche zu führen und das werden wir jetzt versuchen."

    Das Scheitern von Rot-Grün zu vermitteln, wird eine Aufgabe der nächsten Wochen sein.