"Wir haben die Beobachtung gemacht, dass doch die deutsche Wissenschaftssprache im Lauf der letzten 10 Jahre immer mehr verdrängt wurde. Das bedauerten wir zutiefst und sahen da auch große Gefahren drin und haben gesagt, wir werden uns mal zusammensetzen und 7 Thesen erarbeiten, um darauf aufmerksam machen."
Wir, das waren in diesem Fall der Kinderchirurg Prof. Wolfgang Haße aus Berlin, der Münchner Immunologe Prof. Ralf Mocikat und Prof. Herman H. Dieter, Direktor am Umweltbundesamt Berlin. Vor zwei Jahren traten sie mit ihren Thesen erstmals in die Öffentlichkeit, in diesem Sommer gründeten sie einen Verein, um ihrer Aufklärungsarbeit Nachdruck zu verleihen.
"Es ist ja jetzt die Tendenz in Deutschland, eine englischsprachige Monolingualität zu schaffen und damit, und das ist die große Gefahr, ist ein großer Teil von der Teilnahme am Diskurs ausgeschlossen."
Begründet Wolfgang Haße sein Engagement. Dass das Englische auf internationaler Ebene eine wichtige Funktion als Verständigungsmedium hat, stellen die Wissenschaftler nicht in Abrede. Aber, so lautet eine ihrer Thesen:
"Der Primat einer Einheitssprache im Bereich der Wissenschaft bedeutet geistige Verarmung."
"Wissenschaft und Forschung", so ihre Theorie weiter, leben von differenziertem Sprachgebrauch, wie man ihn in der Muttersprache selbstverständlich zur Verfügung hat.
"Umfragen haben ergeben, das nur etwa 20 Prozent der Ärzteschaft englisch sehr gut verstehen und sehr gut heißt, dass sie teilhaben können an der Diskussion . Die Diskussionen sind erheblich eingeschränkt, wenn die Tagung in englischer Sprache durchgeführt wird."
Nicht nur für die Mediziner gilt, was Wolfgang Haße anprangert: dass das inhaltliche und sprachliche Niveau rapide sinkt, wenn auf Konferenzen oft mehr geradebrecht als wirkliches Englisch gesprochen wird, die Seminare an den Universitäten nicht mehr in der Muttersprache abgehalten werden und einstellungsrelevante Veröffentlichungen nur noch akzeptiert werden, wenn sie zuvor in englischsprachigen Zeitschriften abgedruckt wurden.
Professor Wolfgang Klein, Sprachwissenschaftler und Direktor am Max Planck Institut für Psycholinguistik der Universität Nimwegen gehört zwar nicht zu den Unterzeichnern des Protestaufrufs, kann die Thesen aber inhaltlich nachvollziehen:
"Das ist eine groteske Situation, die da inzwischen entstanden ist. Das hat auch nichts mit der Sache zu tun, sondern das ist so eine Art sozialer Druck, ein Quotendruck. Oder aber, man macht sich das Leben manchmal leichter, wenn man zum Beispiel Anträge beurteilt oder wenn man Bewerbungen bewertet, dann schaut man halt einfach an, wer hat was wo veröffentlicht, und dann hat man so gewisse Standarts."
Je mehr Veröffentlichungen in englischer Sprache umso größer die Karrierechancen. Der Inhalt und die Qualität der Aufsätze spielen da oft keine Rolle mehr. Im Ausland wird diese deutsche Entwicklung mit Befremden registriert, meint Wolfgang Haße:
"Und letztlich untergraben wir selbst damit die Qualität und das Ansehen der eigenen Wissenschaftssprache."
"Die Flucht in das Englische verhindert die Weiterentwicklung der deutschen Wissenschaftssprache."
"Es entsteht eine gewisse Bequemlichkeit in der Sprache, ich übernehme ganz einfach einen englischen Terminus. Und brauche mich nicht zu strapazieren, mein Gott, wie könnte ich denn das in Deutsch formulieren."
Fakt ist, dass die deutsche Wissenschaftssprache durch diese stiefmütterliche Behandlung schon jetzt Lücken aufweist. Wolfgang Klein.
"Wir haben hier an der Berlin Brandenburgischen ein Projekt, in dem Texte des 20. Jahrhunderts für ein Wörterbuch aufgenommen werden und zwar nicht nur Texte der Literatur, sondern alle Wissenschaften und Disziplinen und um eine wirklich repräsentative Auswahl zu bekommen, haben wir hier die Mitglieder der Akademie gefragt , durchweg exzellente Wissenschafter , und die haben durchweg gesagt soweit sie aus den Naturwissenschaften kamen, ab 1970, 1980 können Sie das vergessen. Da gibt es keine deutschsprachigen Texte mehr, die man aufnehmen sollte in ein für die Wissenschaft relevantes Corpus. Gibt es einfach nicht mehr."
"Das nennen wir den Rückbau einer Sprache, so ähnlich wie bei Pflanzen, wenn man die nicht ausbaut, pflegt, aufpfropft, weiterzüchtet, so passiert das auch bei Sprachen, die müssen weiterentwickelt werden, damit sie sich entfalten können."
Bestätigt auch Elisabeth Stark, Professorin für Romanistik an der Freien Universität Berlin. Doch anders als die Initiatoren der "7 Thesen" sieht sie in dieser Entwicklung keine Bedrohung, sondern eine Entwicklung, die in der Menscheitsgeschichte nicht neu ist.
"Sowas ist schon mal mit dem Lateinischen passiert, das Römische Reich hat sich ausgebreitet, die Völker , die erobert wurden, haben ihre Sprache innerhalb von 5- 600 Jahren aufgegeben und sind auch nicht kulturell ärmer geworden oder ausgestorben, sondern einfach Romanen geworden, so dass wir heute französisch, italienisch und so weiter haben und nicht mehr gallisch und italisch und was es da alles gab."
Als Wissenschaftlerin tritt Elisabeth Stark dafür ein, den Sprachwandel bewusst und auch kritisch zu beobachten. Dass diese Entwicklung sich langfristig aufhalten lässt, glaubt sie hingegen so wenig wie ihr Kollege Wolfgang Klein. Der warnt jedoch vor allzu viel vorauseilendem Gehorsam deutscher Wissenschaftler gegenüber der neuen lingua franca Englisch, auch aus gesellschaftspolitischen Gründen. Denn, so These 5:
"Die Preisgabe der Landessprache führt zur Dissoziation zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit."
"Es ist einfach so, dass wenn die Wissenschaft nicht mehr verankert ist in der Gesellschaft, sondern sie wirklich so eine Art Lackkultur wird, die von der Mehrzahl nicht mehr verstanden wird, dass sie dann auch nicht mehr zurückwirken kann , aber unsere Welt lebt zu einem Grossteil von der Wissenschaft und insofern ist es schlichtweg dumm, wenn man auf Deutsch als Wissenschaftssprache verzichtet oder es nicht entschieden ausbaut."
Mehr als 150 Wissenschaftler haben sich in die Liste auf der Internetseite vom Wolfgang Haße, Ralf Mocikat und Hermann H. Dieter bereits eingetragen, darunter finden sich so illustre Namen wie Jutta Limbach, Gesine Schwan oder Julian Nieda-Rümelin. Mit Konferenzen, Veröffentlichungen und Appellen an Hochschullehrer und Verleger wollen die Initiatoren der 7 Thesen für die Wissenschaftssprache das Interesse weiter schüren. Dabei legen sie Wert auf die Feststellung, dass sie unabhängig sind von politischen Parteien und deutschen Sprachvereinen. Diese Aussage beinhaltet keine Mitteilung zu persönlichen Mitgliedschaften.
Wir, das waren in diesem Fall der Kinderchirurg Prof. Wolfgang Haße aus Berlin, der Münchner Immunologe Prof. Ralf Mocikat und Prof. Herman H. Dieter, Direktor am Umweltbundesamt Berlin. Vor zwei Jahren traten sie mit ihren Thesen erstmals in die Öffentlichkeit, in diesem Sommer gründeten sie einen Verein, um ihrer Aufklärungsarbeit Nachdruck zu verleihen.
"Es ist ja jetzt die Tendenz in Deutschland, eine englischsprachige Monolingualität zu schaffen und damit, und das ist die große Gefahr, ist ein großer Teil von der Teilnahme am Diskurs ausgeschlossen."
Begründet Wolfgang Haße sein Engagement. Dass das Englische auf internationaler Ebene eine wichtige Funktion als Verständigungsmedium hat, stellen die Wissenschaftler nicht in Abrede. Aber, so lautet eine ihrer Thesen:
"Der Primat einer Einheitssprache im Bereich der Wissenschaft bedeutet geistige Verarmung."
"Wissenschaft und Forschung", so ihre Theorie weiter, leben von differenziertem Sprachgebrauch, wie man ihn in der Muttersprache selbstverständlich zur Verfügung hat.
"Umfragen haben ergeben, das nur etwa 20 Prozent der Ärzteschaft englisch sehr gut verstehen und sehr gut heißt, dass sie teilhaben können an der Diskussion . Die Diskussionen sind erheblich eingeschränkt, wenn die Tagung in englischer Sprache durchgeführt wird."
Nicht nur für die Mediziner gilt, was Wolfgang Haße anprangert: dass das inhaltliche und sprachliche Niveau rapide sinkt, wenn auf Konferenzen oft mehr geradebrecht als wirkliches Englisch gesprochen wird, die Seminare an den Universitäten nicht mehr in der Muttersprache abgehalten werden und einstellungsrelevante Veröffentlichungen nur noch akzeptiert werden, wenn sie zuvor in englischsprachigen Zeitschriften abgedruckt wurden.
Professor Wolfgang Klein, Sprachwissenschaftler und Direktor am Max Planck Institut für Psycholinguistik der Universität Nimwegen gehört zwar nicht zu den Unterzeichnern des Protestaufrufs, kann die Thesen aber inhaltlich nachvollziehen:
"Das ist eine groteske Situation, die da inzwischen entstanden ist. Das hat auch nichts mit der Sache zu tun, sondern das ist so eine Art sozialer Druck, ein Quotendruck. Oder aber, man macht sich das Leben manchmal leichter, wenn man zum Beispiel Anträge beurteilt oder wenn man Bewerbungen bewertet, dann schaut man halt einfach an, wer hat was wo veröffentlicht, und dann hat man so gewisse Standarts."
Je mehr Veröffentlichungen in englischer Sprache umso größer die Karrierechancen. Der Inhalt und die Qualität der Aufsätze spielen da oft keine Rolle mehr. Im Ausland wird diese deutsche Entwicklung mit Befremden registriert, meint Wolfgang Haße:
"Und letztlich untergraben wir selbst damit die Qualität und das Ansehen der eigenen Wissenschaftssprache."
"Die Flucht in das Englische verhindert die Weiterentwicklung der deutschen Wissenschaftssprache."
"Es entsteht eine gewisse Bequemlichkeit in der Sprache, ich übernehme ganz einfach einen englischen Terminus. Und brauche mich nicht zu strapazieren, mein Gott, wie könnte ich denn das in Deutsch formulieren."
Fakt ist, dass die deutsche Wissenschaftssprache durch diese stiefmütterliche Behandlung schon jetzt Lücken aufweist. Wolfgang Klein.
"Wir haben hier an der Berlin Brandenburgischen ein Projekt, in dem Texte des 20. Jahrhunderts für ein Wörterbuch aufgenommen werden und zwar nicht nur Texte der Literatur, sondern alle Wissenschaften und Disziplinen und um eine wirklich repräsentative Auswahl zu bekommen, haben wir hier die Mitglieder der Akademie gefragt , durchweg exzellente Wissenschafter , und die haben durchweg gesagt soweit sie aus den Naturwissenschaften kamen, ab 1970, 1980 können Sie das vergessen. Da gibt es keine deutschsprachigen Texte mehr, die man aufnehmen sollte in ein für die Wissenschaft relevantes Corpus. Gibt es einfach nicht mehr."
"Das nennen wir den Rückbau einer Sprache, so ähnlich wie bei Pflanzen, wenn man die nicht ausbaut, pflegt, aufpfropft, weiterzüchtet, so passiert das auch bei Sprachen, die müssen weiterentwickelt werden, damit sie sich entfalten können."
Bestätigt auch Elisabeth Stark, Professorin für Romanistik an der Freien Universität Berlin. Doch anders als die Initiatoren der "7 Thesen" sieht sie in dieser Entwicklung keine Bedrohung, sondern eine Entwicklung, die in der Menscheitsgeschichte nicht neu ist.
"Sowas ist schon mal mit dem Lateinischen passiert, das Römische Reich hat sich ausgebreitet, die Völker , die erobert wurden, haben ihre Sprache innerhalb von 5- 600 Jahren aufgegeben und sind auch nicht kulturell ärmer geworden oder ausgestorben, sondern einfach Romanen geworden, so dass wir heute französisch, italienisch und so weiter haben und nicht mehr gallisch und italisch und was es da alles gab."
Als Wissenschaftlerin tritt Elisabeth Stark dafür ein, den Sprachwandel bewusst und auch kritisch zu beobachten. Dass diese Entwicklung sich langfristig aufhalten lässt, glaubt sie hingegen so wenig wie ihr Kollege Wolfgang Klein. Der warnt jedoch vor allzu viel vorauseilendem Gehorsam deutscher Wissenschaftler gegenüber der neuen lingua franca Englisch, auch aus gesellschaftspolitischen Gründen. Denn, so These 5:
"Die Preisgabe der Landessprache führt zur Dissoziation zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit."
"Es ist einfach so, dass wenn die Wissenschaft nicht mehr verankert ist in der Gesellschaft, sondern sie wirklich so eine Art Lackkultur wird, die von der Mehrzahl nicht mehr verstanden wird, dass sie dann auch nicht mehr zurückwirken kann , aber unsere Welt lebt zu einem Grossteil von der Wissenschaft und insofern ist es schlichtweg dumm, wenn man auf Deutsch als Wissenschaftssprache verzichtet oder es nicht entschieden ausbaut."
Mehr als 150 Wissenschaftler haben sich in die Liste auf der Internetseite vom Wolfgang Haße, Ralf Mocikat und Hermann H. Dieter bereits eingetragen, darunter finden sich so illustre Namen wie Jutta Limbach, Gesine Schwan oder Julian Nieda-Rümelin. Mit Konferenzen, Veröffentlichungen und Appellen an Hochschullehrer und Verleger wollen die Initiatoren der 7 Thesen für die Wissenschaftssprache das Interesse weiter schüren. Dabei legen sie Wert auf die Feststellung, dass sie unabhängig sind von politischen Parteien und deutschen Sprachvereinen. Diese Aussage beinhaltet keine Mitteilung zu persönlichen Mitgliedschaften.