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Rückkehr der schnellen Brüter

Kerntechnik. - In der kommenden Generation Kernreaktoren wird auch ein altbekannter Typ vertreten sein. Schnelle Brüter stehen in allen Staaten mit aktiver Reaktorentwicklung auf dem Programm. Ihr Vorteil: sie sorgen weitgehend für ihren eigenen Brennstoff.

Von Björn Schwentker |
    Mehr Kraftwerke verbrauchen mehr Uran, das die Reaktoren spalten, um Strom zu erzeugen. Nur noch bis Ende des Jahrhunderts reichen die Vorräte, schätzt Gerárd Mignot von der französischen Atomenergiebehörde CEA in Cadarache. Dann stünden konventionelle Reaktoren still. Der Ausweg könnte ein lange bekannter Kraftwerkstyp sein, der bisher den Durchbruch nicht geschafft hat:

    "Ein schneller Brüter liefert mit derselben Menge an Brennstoff siebzigmal mehr Energie als ein normaler Reaktor. Das ist eine Menge. Damit reicht der Brennstoff nicht mehr nur 100 Jahre, sondern 7000."

    Bisherige Reaktoren spalten aufwändig angereichertes Uran, das danach quasi verbraucht ist. Schnelle Brüter zerteilen Plutonium, um Strom zu erzeugen. Gleichzeitig erbrüten sie neues Plutonium aus nicht angereichertem, natürlichen Uran. Steckt man davon genug in den Reaktor, produziert er mehr Plutonium, als er verbraucht. Bisher gab es weltweit bloß Testanlagen mit der Brütertechnologie. Doch nun wollen mehrere Länder den Kraftwerkstyp zur Marktreife entwickeln. Mignot:

    "In Frankreich soll der nächste Prototyp 2020 anlaufen. Er wird der Vorläufer für einen kommerziellen Reaktor sein, den wir um 2040/2050 herum erwarten. Aber das ist nur Frankreich. Die Japaner planen auch einen industriellen Reaktor, der zum gleichen Zeitpunkt kommen soll."

    Weltweit gibt es Forschungsprogramme für schnelle Brüter, etwa in Russland oder den USA. Die Europäische Atomgemeinschaft Euratom – das ist der Zusammenschluss der EU-Länder zum Zweck der Kernkraftförderung - ist ebenso an internationalen Kooperationen beteiligt. Und damit auch Deutschland. Bis schnelle Brüter kommerziell genutzt werden können, wird aber noch einige Zeit vergehen, glaubt Robert Stieglitz, Experte für schnelle Reaktoren am Forschungszentrum Karlsruhe.

    "An Forschung fehlt im Wesentlichen Effizienzforschung. Dass diese Systeme physikalisch gut arbeiten, das zeigen die russischen Reaktoren, die schon seit über 30 Jahren laufen. Aber sie sind natürlich nicht effizient, und da muss noch eine Menge reingehen, dass man so etwas als kommerzielles Werkzeug verkaufen kann."

    Weniger, dafür größere Bauteile, ein einfacherer Gesamtaufbau und bessere Materialien sollen künftige Brüter effizient und damit konkurrenzfähig machen. Und steigende Uranpreise, wenn der herkömmliche Brennstoff langsam ausgeht. Dass die schnellen Brüter auf dem Vormarsch sind, ist Kritikern der Kernkraft überhaupt nicht geheuer. Denn die Reaktoren werden mit heißem, flüssigem Natrium gekühlt. Das Metall kann brennen und sogar explodieren, wenn es mit Luft oder Wasser in Berührung kommt. Viel zu gefährlich, sagen die Kritiker. Alles unter Kontrolle, sagen die Kraftwerksentwickler. Der meist problemlose Betrieb der Testanlagen beweise es. Robert Stieglitz aus Karlsruhe sorgt viel mehr, dass im schnellen Brüter jede Menge Plutonium entsteht, aus dem sich Atombomben bauen lassen. Vor militärischem Missbrauch sicher sei das Material nur in Ländern, die sich Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde unterwürfen.

    "Es gibt ein paar Länder auf der Erde, die das nicht tun, das muss man auch klar sagen. Es gibt ein paar Länder, die keinem Atomwaffensperrvertrag beigetreten sind."

    Zum Beispiel Nordkorea, Iran oder auch Indien, das bereits ein Atombombenprogramm auf Plutoniumbasis hat. 2010 soll im indischen Madras ein brandneuer Plutoniumbrüter ans Netz gehen. Ungeachtet aller Gefahren: Für Länder, die langfristig auf Kernkraft setzen, um ihre Grundlast an Strom zu decken, führe an den schnellen Reaktoren kein Weg vorbei, sagt Gerárd Mignot von der französischen Atomenergiebehörde.

    "Von 2050 bis zum Ende des Jahrhunderts wird es eine Mischung aus konventionellen Anlagen und schnellen Brütern geben. Dann geht es weiter: In der globalen Reaktorflotte werden die bisherigen Kraftwerke immer mehr ersetzt werden durch schnelle Brüter."