"Wir haben zu viel wertvolle Zeit verloren. Sonst wären wir schon an der Türschwelle der Europäischen Union, wie unsere Nachbarn Bulgarien und Rumänien. Lassen Sie uns jetzt gemeinsam an der Verwirklichung dieses erreichbaren und großen Ziels arbeiten: Serbien in Europa. Wir müssen nur kühn, entschlossen und energisch sein. Weil das Leben nicht warten kann."
Serbiens Präsident Boris Tadic macht Wahlwerbung für seine Demokratische Partei DS. Darüber, dass vieles seit Jahren falsch läuft, sind sich in Serbien so gut wie alle einig. Die Frage, die sich viele stellen, ist aber:
"Wem soll man die Schuld geben? Es gibt unterschiedliche Meinungen. Manche sagen, es sind die anderen Länder, die haben uns das eingebrockt. Andere sagen: Wir sind schuld. Aber zugegeben, von den zweiten gibt es viel weniger."
So wie die Belgrader Studentin Jana haben die meisten Menschen in Serbien in den letzten Jahren erlebt, wie sie immer mehr in den toten Winkel Europas gerieten. Da war der Kosovo-Krieg 1999, der Tiefpunkt des Zerwürfnisses zwischen Milosevics Serbien und dem Westen. Dann folgte eine kurze Phase der Hoffnung mit dem Sturz Milosevics, den Reformen unter dem jungen demokratischen Hoffnungsträger Zoran Djindjic, der Milosevic und viele andere vor das internationale Kriegsverbrecher-Tribunal nach Den Haag brachte. Diese Hoffnungsphase endete abrupt im Frühjahr 2003, mit dem Mord an Zoran Djindjic. Der hatte seinen Kampf gegen das mafiose Milieu von Kriegsverbrechern und Nationalisten, das auch den seit Jahren gesuchten Ex-General Ratko Mladic deckt, mit dem Leben bezahlt. Im vergangen Jahr hat sich Montenegro aus der Gemeinschaft mit Serbien in die Unabhängigkeit verabschiedet, dieses Jahr soll eine Lösung für Kosovo gefunden werden, Belgrad wird damit auch die Macht über diese Region verlieren. Das Nachbarland Ungarn ist schon seit mehr als zwei Jahren EU-Mitglied. Und seit Anfang des Jahres brauchen Serben nun auch Visa, um die einst armen Nachbarn in Rumänien und Bulgarien zu besuchen, die seit Anfang des Jahres auch EU-Mitglieder sind. Das alles schafft tiefe Frustration in Serbien, zumal die wirtschaftliche Lage für viele Menschen schwierig ist. Die Serben fühlen sich als Außenseiter in Europa.
"Ich studiere Sprachen und bin besonders daran interessiert, zu reisen. Aber es ist unheimlich schwer, und ich verliere schon die Motivation. Die Politiker reden immer wieder davon, dass das Reisen erleichtert wird, eines Tages, aber irgendwie kommt dieser Tag nie."
Jana ist 22 Jahre alt und studiert Deutsch an der Universität Belgrad. Obwohl sie und viele aus ihrer Generation westlich denken und fühlen, sich westlich kleiden und westliche Musik hören, werden sie im Ausland schräg angesehen. Das hat Jana zum Beispiel bei ihrem Studienaufenthalt in Rostock erlebt. Jana fühlt sich gedemütigt:
"Ich wollte in diesem Sommer durch Europa reisen, mit dem Geld, das ich verdient habe und unterschiedliche Kulturen kennen lernen, junge Menschen, Kunst besichtigen. Aber ich konnte nicht, weil es teuer ist, weil es zu lange dauert. Und die Bedingungen, unter denen ich mein Visum beantrage, empfinde ich persönlich als etwas erniedrigend."
"Smart Visa" ist das Schlagwort, eine kluge Visapolitik könnte jungen Menschen aus Serbien helfen, andere Länder und Denkweisen kennen zu lernen. Ausgerechnet unter jungen Leuten in Serbien breitet sich radikales Denken aus. Mladen Obradovic zum Beispiel ist noch keine 30, leitet aber schon eine sehr erfolgreiche rechtsradikale Bewegung mit dem Namen Obraz. Seine Besucher empfängt er in seinem Belgrader Büro, wo serbische Fahnen, Symbole der serbisch-orthodoxen Kirche und der serbischen Fürstengeschlechter die Wände schmücken. Obradovic erklärt, warum seine Bewegung den religiös geprägten Namen "Obraz" führt:
"Obraz ist ein altes serbisches Wort. Es steht heute für Ehre und Würde. Die ältere Bedeutung ist Bild oder Bildnis. Obraz steht deshalb auch für Ikonen, Heilige Bilder. Wenn wir von einem Serbentum mit "obraz" sprechen, meinen wir ein selbstbewusstes Serbentum, verbunden in der Liebe zu Gott und zum serbischen Volk. Wir sind dafür, dass mit dem Westen best mögliche wirtschaftliche Zusammenarbeit gepflegt wird, sind aber gegen den Eintritt in die EU. Wir wollen kein Europa, in dem unsere Identität verloren gehen wird. Wir wollen also nicht in eine amorphe Masse verschmelzen."
Serbien ist nach der Auffassung von Obraz größer als der Staat, der sich heute auf den Landkarten finden. Gebiete in Bosnien, Kroatien, Montenegro und eben auch Kosovo gehören dazu. Roma und andere Nichtserben sollten keine gleichen Rechte in Serbien haben. Ein rückwärtsgewandtes Großserbien nur für Serben, so könnte man diese krude Ideologie zusammenfassen. Diese Ansichten sind aber weit verbreitet, auch unter Studenten. Schauen die Menschen in Serbien eher zurück, als nach vorn?
" Wie sollte es anders sein nach all den Jahren der Isolation. Kann man realistisch erwarten von jungen Leuten, wo die junge Generation den Westen im Prinzip nie gesehen hat. Wie sollten diese Leute nicht rückwärtsgewandt sein?"
Ernst Bode, Manager aus Deutschland, Geschäftsführer von Messer Techno Gas in Serbien - eine deutsche Investition, die sich gelohnt hat, auch wenn es Geduld dafür brauchte:
"Wir haben garantiert in den letzten 20 Jahren nie so viele Neugeschäfte abgeschlossen wie in diesem Jahr. Wirtschaft und Politik haben sich in den letzten Jahren vollständig voneinander gelöst. In der Politik bleibt es schwierig, aber die Wirtschaft zieht an."
Serbiens Regierung wird seit Jahren für die vorbildliche Wirtschaftspolitik gelobt. In US-Reform-Ranglisten belegt Serbien sogar weltweite Spitzenplätze. Milan Parivodic, serbischer Außenhandelsminister, brüstete sich Ende Dezember vergangenen Jahres:
"Wir haben eine dramatische Steigerung - dramatisch hier im positiven Sinne - bei den ausländischen Direktinvestitionen zu verzeichnen. Damit liegen wir in diesem Bereich an der Spitze auf dem Balkan."
Serbien ist besser als sein Ruf. Serbien hat ein Image-Problem, meint Maren Diale-Schellschmidt, Delegierte der deutschen Wirtschaft:
"Für uns ist es interessant, dass die Unternehmen, die hier vor Ort sind in der Regel mit ihren Geschäften zufrieden sind. Unser Problem ist eher, Leute für den Markt zu interessieren. Über die negativen Schlagzeilen in Deutschland hinaus die Perspektiven zu verkaufen. Es gibt einige Erfolgsgeschichten hier."
Europäische und amerikanische Unternehmen haben ihre Planungen für Investitionen in Serbien auf Eis gelegt, als im Mai letzten Jahre die EU-Kommission die Verhandlungen mit Belgrad über eine Annäherung an die EU abbrach, dabei war es um ein so genanntes Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen gegangen, eine Art erster Stufe auf dem langen Weg zum Beitritt, selbst mit dem bettelarmen Albanien hat Brüssel ein solches Abkommen schon geschlossen. Der Grund für den Gesprächsabbruch mit Belgrad war Ratko Mladic. Der serbische Ex-General, der im Spätsommer 1995 mit seinen Truppen die UN-Schutzzone im bosnischen Srebrenica überrannte - tausende Frauen und Kinder wurden vertrieben, mindestens siebentausend, Männer, Jungen und Greise ermordet. Mladic wird in Serbien vermutet, wahrscheinlich deckt ihn das Militär. Er gehört vor das Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag, so EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn, in seiner Begründung für den Verhandlungsabbruch:
"Ich muss sagen, es ist enttäuschend, dass Belgrad nicht in der Lage war, Ratko Mladic zu finden, zu verhaften und nach Den Haag zu bringen. Die Kommission ist bereit, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, sobald Serbien volle Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal erreicht hat. Serbien muss zeigen, dass niemand über dem Gesetz steht, und dass jeder, der schwerer Verbrechen angeklagt ist, vor Gericht kommt. Es geht auch darum, demokratische Reife zu erlangen. Die Armee und die Geheimdienste müssen unter demokratischer Kontrolle stehen.
Ich möchte die demokratischen Kräfte Serbiens aufrufen, zusammen zu arbeiten, um dieses Ziel zu erreichen, zum Nutzen des ganzen Landes und seiner Bürger. Das Abkommen würde den Bürgern wichtige Vorteile bringen, zum Beispiel weil der Handel ausgeweitet wird und Investitionen angelockt werden. Außerdem ist es das Sprungbrett in Richtung Europäische Union."
Die harte Botschaft aus Brüssel ist in Belgrad und Serbien angekommen - dort wurde aber auch genau beobachtet, dass Brüssel und auch Washington nicht immer konsequent sind in ihrer Haltung: So wurde Serbien gemeinsam mit Bosnien-Herzegowina beim letzten NATO-Gipfel feierlich in das Nato-Programm "Partnerschaft für den Frieden aufgenommen". Bisher hatte dafür immer die Auslieferung von Mladic und dem bosnischen Serben Karadzic als Bedingung gegolten. Zuckerbrot und Peitsche, das ist die westliche Doppelstrategie. Das macht es westlich gesonnenen serbischen Politikern nicht leichter, ihre Positionen im Wahlkampf zu vertreten. Das trifft vor allem den amtierenden Präsidenten Boris Tadic, der für die demokratische Partei DS Wahlkampf macht, das ist die Partei des ermordeten Zoran Djiindic, der in der DS wie eine Art Schutzpatron verehrt wird, seine Witwe Ruzica Djindjic wurde als prominente Kandidatin aufgestellt. Parteichef Boris Tadic ist unter Druck: Er will die Annäherung an den Westen. Tadic kann aber Kosovo nicht einfach preisgeben, auch er muss die Menschen auf eine mögliche Loslösung des Kosovo und eine mögliche Auslieferung von Ratko Mladic vorbereiten.
"Serbien wird einen diplomatischen und rechtlichen Kampf um Kosovo führen, aber sicherlich keinen Krieg. Wir könnten keine Zerstörung unserer Wirtschaftspotenziale mehr ertragen, weil wir damit Zukunftschancen für ganze Generationen vernichten würden."
Schwierig ist auch die Position des amtierenden Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica. Seine Regierung stand zuletzt auf so wackligen Füßen, dass er die Flucht nach vorn antrat. Er zwang alle Parteien, seinen Entwurf für eine neue Verfassung zu unterstützen, in deren Vorwort Kosovo auf ewig zum Bestandteil Serbiens erklärt wird.
"Für alle Staaten ist die Verabschiedung der Verfassung ein historischer Akt und besonders für Serbien, in einem Augenblick, wo die zwei wichtigsten staatlichen und nationalen Interessen verschmolzen sind: Mit der neuen Verfassung ist Serbien ein rechtlich geordnetes Land. Und gleichzeitig wird die Wahrheit besiegelt, dass Kosovo und Metohija immer Bestandteil Serbiens war und bleiben wird."
Kostunicas Schachzug gelang: Von den Radikalen bis hin zu den westlich gesonnenen demokratischen Parteien mussten alle der Verfassung zustimmen. Sie wurde angenommen, und auf der Welle dieses Erfolges geht nun Kostunica in die Wahl, die er mit der neuen Verfassung erst notwendig gemacht hat und die ganz nebenbei die Zitterpartei seiner Minderheitsregierung beendet. Kostunica musste immer wieder auch die Unterstützung der Milosevic-Sozialisten suchen. Mit denen ist eine Einigung zum Thema Kosovo kaum vorstellbar. Derzeit scheint es überhaupt schwierig, einen politischen Konsens zur Kosovo-Frage in Belgrad herzustellen. Das Thema wird Serbiens Politik also auch nach der Wahl weiter verfolgen. Es bleibt aber auch auf der Tagesordnung deutscher Politiker, die immer wieder ins Kosovo eingeflogen werden.
Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung landet im deutschen Feldlager in Prizren im Süden des Kosovo. Der Minister kommt Anfang September 2006, um einem denkwürdigen Ereignis beizuwohnen: Alle drei wichtigen Leitungsfunktionen im Kosovo sind von Deutschen besetzt:
"Es hat sich so ergeben, dass mit dem heutigen Tag sowohl der Chef von UNMIK, als auch der Kommandowechsel bei KFOR stattgefunden hat. Und insofern kommt eine besondere Verantwortung auf uns zu, was die Frage für die weitere Entwicklung für dieses Land bedeutet. Aber ich denke, dass die auf gutem Wege ist und dass es weiterhin zu einer stabilen und friedlichen Entwicklung beiträgt."
Neben den bisherigen deutschen Leitern der OSZE-Mission im Kosovo kommen jetzt auch noch ein deutscher Verwaltungschef und ein deutscher Kommandant der Friedenstruppe KFOR. Die Provinz, die offiziell noch immer Teil Serbiens ist, steht seit dem Kosovo-Krieg unter internationaler Verwaltung. Der neue Chef der UN-Mission im Kosovo, der ehemalige Sindelfinger Bürgermeister Joachim Rücker, ist damit so etwas wie der eigentliche starke Mann im Kosovo.
"Wir haben hier in den letzten Jahren einen Prozess erlebt, in dem eine Demokratie aufgebaut wurde. Wir haben ein funktionierendes Parlament, eine Koalitionsregierung, eine breite Opposition. Und das ist ein funktionierendes Wechselspiel - und das ist alles ohne große Erschütterungen über die Bühne gegangen."
Ganz so rosig sieht es in Wirklichkeit nicht aus: Kosovo ist ein Zentrum der organisierten Kriminalität, Serben werden von deutschen Soldaten rund um die Uhr geschützt, seit es im Frühjahr 2004 brutale massenhafte Überfälle von Albanern auf Serben gab. Kleinere Zwischenfälle kommen immer noch vor, sie schaffen es nur nicht mehr in die internationalen Schlagzeilen. Im Norden des Kosovo, in Mitrovica, der einzigen Kosovo-Region, wo die Serben die Mehrheit sind, hat die Bundeswehr gerade zusätzliche Truppen gestellt. Weil die internationale Gemeinschaft auf eine Lösung für den ungeklärten Kosovo-Status drängt und in Wien bereits Verhandlungen geführt wurden, muss jederzeit mit Unruhen gerechnet werden.
Eigentlich sollte der UN-Sondergesandte, der Finne Martti Ahtisaari seinen Vorschlag für den zukünftigen Status des Kosovo schon im letzten Jahr auf den Tisch legen. Wegen der anstehenden Wahlen hat Ahtisaari das aber verschoben. Wer auch immer die Wahlen in Serbien jetzt gewinnt, wird sich also in jedem Fall sofort mit dem Problem Kosovo auseinander setzen müssen. Eine einvernehmliche Lösung ist dabei nicht in Sicht, das wurde beim Spitzentreffen der serbischen Führung aus Belgrad und der albanischen Führungsspitze aus der Kosovo-Haupstadt Pristina im vergangenen Juli in Wien sehr deutlich. Die Serben boten eine Autonomie für Kosovo an - innerhalb des serbischen Staates. Der albanische Kosovo-Übergangspräsident Fatmir Sejdiu war in seiner Antwort ganz klar:
"Der Kern unserer Position ist, dass wir durch eine bittere Geschichte gegangen sind, mit schlechten Lösungen, die in einem schrecklichen Krieg endeten. Und die Zukunft von Kosova ist die volle Unabhängigkeit. Das ist der Wille der Mehrheitsbevölkerung in Kosova. Wir streben danach, ein unabhängiges Kosova aufzubauen, einen funktionierenden Rechtsstaat, der den Bewohnern alle Rechte garantiert, das gilt sowohl für die Mehrheitsbevölkerung als auch für die Minderheiten. Wir wollen ein Kosova mit innerer Stabilität, dass auch die Stabilität in der Region widerspiegelt. Und natürlich wollen wir gute Beziehungen zu unseren direkten Nachbarn, einschließlich Serbiens."
Die Vertreter beider Seiten gaben sich beim einzigen Spitzentreffen in Wien nicht mal die Hand. Immerhin: Auf einen Schutz der serbischen Kirchen und Klöster hat man sich im Grundsatz geeinigt, die Albaner wollen es auch ertragen, dass die Kosovo-Serben in ihren Gemeinden selbst über Polizei, Schulen und Krankenhäuser wachen, was zum Beispiel in Mitrovica längst der Fall ist. Streit gibt es aber schon wieder über den Zuschnitt und die Zahl der Gemeinden, über Gebietsgrenzen und Geldflüsse. Für das Kosovo kann wohl nur eine Lösung von außen kommen, die muss dann aber auch für beide Seiten akzeptabel und tragfähig sein. Außerdem müssen die Serbenfreunde in Moskau ihre Zustimmung im UN-Sicherheitsrat geben. Das alles wird nicht leicht zu bewältigen sein. Kosovo bleibt das Dauerthema. Und hinter vorgehaltener Hand geben auch enge Vertraute des nach außen so strikt national-patriotischen Ministerpräsidenten Kostunica zu, dass es wohl besser sei, Kosovo loszuwerden. Was sollte Belgrad auch mit einer unkontrollierbaren Unruheprovinz anfangen, in der es eine gewaltbereite albanische Mehrheitsbevölkerung gibt und die Wirtschaftslage desolat ist?
Dennoch macht vor allem die Radikale Partei des in Haager Untersuchungshaft sitzenden Vojislav Seselj Stimmung mit dem Kosovo-Thema. Seseljs Statthalter in Serbien, Tomislav Nikolic, stellt in seinem Wahlkampf alle anderen Politiker als Verräter dar:
"In der serbischen Verfassung steht: Kosovo und Metohija ist Bestandteil Serbiens. Deshalb haben wir auch die Verfassung verabschiedet. Tadic und Kostunica sollen wissen: Solange sie auf diesen Funktionen sind, kommt keine andere Lösung für Kosovo und Metohija in Frage. Wir wollen Tadic nicht mehr hören, wie er sagt: "Ich bin eher der Meinung, dass es unabhängig wird, als dass es Bestandteil Serbiens bleibt." Reiche Deine Kündigung ein, Tadic, wenn Du der Meinung bist, dass Kosovo und Metohija unabhängig wird. Wir wollen Kostunica nicht mehr dabei zusehen, wie er Serbien nicht verteidigen will."
Die Radikale Partei könnte stärkste Kraft im serbischen Parlament werden, das wird aber auch von der Beteiligung des insgesamt wahlmüden serbischen Stimmvolks abhängen. Ob die Radikalen tatsächlich eine Regierungsmehrheit zustande bringen ist fraglich - es hängt davon ab, ob mögliche Koalitionspartner, wie die Sozialisten des verstorbenen Slobodan Milosevic ins Parlament kommen und stark genug sind.
Die Regierungsbildung wird in jedem Fall schwer, auch weil sie unter dem Druck der drohenden Kosovo-Unabhängigkeit verhandelt werden muss: Der Wunsch westlicher Beobachter wäre eine Zusammenarbeit der DSS unter dem jetzigen nationalistischen Ministerpräsidenten Kostunica und der DS des westlich orientierten Präsidenten Boris Tadic. Nur gemeinsam könnten sie in Serbien die Loslösung des Kosovo und die Festnahme von Ratko Mladic vertreten, und die zu erwartenden Proteste überstehen. Zuletzt hat es diese breite Front des gesamten halbwegs demokratischen Spektrums gegen die Radikalen im Jahr 2000 gegeben, damals ging es darum Slobodan Milosevic aus dem Amt zu drängen. Das gelang. Doch seitdem ist die alte Oppositionsfront zerstritten, ihre Führer haben sich gegenseitig blockiert. Das ist das eigentliche Problem in Serbien. Viele westliche Beobachter wünschen der demokratischen Partei DS unter Präsident Tadic einen Wahlsieg. Man muss Tadic aber auch Kraft, Mut und Verhandlungsgeschick für die Zeit danach wünschen.
Serbiens Präsident Boris Tadic macht Wahlwerbung für seine Demokratische Partei DS. Darüber, dass vieles seit Jahren falsch läuft, sind sich in Serbien so gut wie alle einig. Die Frage, die sich viele stellen, ist aber:
"Wem soll man die Schuld geben? Es gibt unterschiedliche Meinungen. Manche sagen, es sind die anderen Länder, die haben uns das eingebrockt. Andere sagen: Wir sind schuld. Aber zugegeben, von den zweiten gibt es viel weniger."
So wie die Belgrader Studentin Jana haben die meisten Menschen in Serbien in den letzten Jahren erlebt, wie sie immer mehr in den toten Winkel Europas gerieten. Da war der Kosovo-Krieg 1999, der Tiefpunkt des Zerwürfnisses zwischen Milosevics Serbien und dem Westen. Dann folgte eine kurze Phase der Hoffnung mit dem Sturz Milosevics, den Reformen unter dem jungen demokratischen Hoffnungsträger Zoran Djindjic, der Milosevic und viele andere vor das internationale Kriegsverbrecher-Tribunal nach Den Haag brachte. Diese Hoffnungsphase endete abrupt im Frühjahr 2003, mit dem Mord an Zoran Djindjic. Der hatte seinen Kampf gegen das mafiose Milieu von Kriegsverbrechern und Nationalisten, das auch den seit Jahren gesuchten Ex-General Ratko Mladic deckt, mit dem Leben bezahlt. Im vergangen Jahr hat sich Montenegro aus der Gemeinschaft mit Serbien in die Unabhängigkeit verabschiedet, dieses Jahr soll eine Lösung für Kosovo gefunden werden, Belgrad wird damit auch die Macht über diese Region verlieren. Das Nachbarland Ungarn ist schon seit mehr als zwei Jahren EU-Mitglied. Und seit Anfang des Jahres brauchen Serben nun auch Visa, um die einst armen Nachbarn in Rumänien und Bulgarien zu besuchen, die seit Anfang des Jahres auch EU-Mitglieder sind. Das alles schafft tiefe Frustration in Serbien, zumal die wirtschaftliche Lage für viele Menschen schwierig ist. Die Serben fühlen sich als Außenseiter in Europa.
"Ich studiere Sprachen und bin besonders daran interessiert, zu reisen. Aber es ist unheimlich schwer, und ich verliere schon die Motivation. Die Politiker reden immer wieder davon, dass das Reisen erleichtert wird, eines Tages, aber irgendwie kommt dieser Tag nie."
Jana ist 22 Jahre alt und studiert Deutsch an der Universität Belgrad. Obwohl sie und viele aus ihrer Generation westlich denken und fühlen, sich westlich kleiden und westliche Musik hören, werden sie im Ausland schräg angesehen. Das hat Jana zum Beispiel bei ihrem Studienaufenthalt in Rostock erlebt. Jana fühlt sich gedemütigt:
"Ich wollte in diesem Sommer durch Europa reisen, mit dem Geld, das ich verdient habe und unterschiedliche Kulturen kennen lernen, junge Menschen, Kunst besichtigen. Aber ich konnte nicht, weil es teuer ist, weil es zu lange dauert. Und die Bedingungen, unter denen ich mein Visum beantrage, empfinde ich persönlich als etwas erniedrigend."
"Smart Visa" ist das Schlagwort, eine kluge Visapolitik könnte jungen Menschen aus Serbien helfen, andere Länder und Denkweisen kennen zu lernen. Ausgerechnet unter jungen Leuten in Serbien breitet sich radikales Denken aus. Mladen Obradovic zum Beispiel ist noch keine 30, leitet aber schon eine sehr erfolgreiche rechtsradikale Bewegung mit dem Namen Obraz. Seine Besucher empfängt er in seinem Belgrader Büro, wo serbische Fahnen, Symbole der serbisch-orthodoxen Kirche und der serbischen Fürstengeschlechter die Wände schmücken. Obradovic erklärt, warum seine Bewegung den religiös geprägten Namen "Obraz" führt:
"Obraz ist ein altes serbisches Wort. Es steht heute für Ehre und Würde. Die ältere Bedeutung ist Bild oder Bildnis. Obraz steht deshalb auch für Ikonen, Heilige Bilder. Wenn wir von einem Serbentum mit "obraz" sprechen, meinen wir ein selbstbewusstes Serbentum, verbunden in der Liebe zu Gott und zum serbischen Volk. Wir sind dafür, dass mit dem Westen best mögliche wirtschaftliche Zusammenarbeit gepflegt wird, sind aber gegen den Eintritt in die EU. Wir wollen kein Europa, in dem unsere Identität verloren gehen wird. Wir wollen also nicht in eine amorphe Masse verschmelzen."
Serbien ist nach der Auffassung von Obraz größer als der Staat, der sich heute auf den Landkarten finden. Gebiete in Bosnien, Kroatien, Montenegro und eben auch Kosovo gehören dazu. Roma und andere Nichtserben sollten keine gleichen Rechte in Serbien haben. Ein rückwärtsgewandtes Großserbien nur für Serben, so könnte man diese krude Ideologie zusammenfassen. Diese Ansichten sind aber weit verbreitet, auch unter Studenten. Schauen die Menschen in Serbien eher zurück, als nach vorn?
" Wie sollte es anders sein nach all den Jahren der Isolation. Kann man realistisch erwarten von jungen Leuten, wo die junge Generation den Westen im Prinzip nie gesehen hat. Wie sollten diese Leute nicht rückwärtsgewandt sein?"
Ernst Bode, Manager aus Deutschland, Geschäftsführer von Messer Techno Gas in Serbien - eine deutsche Investition, die sich gelohnt hat, auch wenn es Geduld dafür brauchte:
"Wir haben garantiert in den letzten 20 Jahren nie so viele Neugeschäfte abgeschlossen wie in diesem Jahr. Wirtschaft und Politik haben sich in den letzten Jahren vollständig voneinander gelöst. In der Politik bleibt es schwierig, aber die Wirtschaft zieht an."
Serbiens Regierung wird seit Jahren für die vorbildliche Wirtschaftspolitik gelobt. In US-Reform-Ranglisten belegt Serbien sogar weltweite Spitzenplätze. Milan Parivodic, serbischer Außenhandelsminister, brüstete sich Ende Dezember vergangenen Jahres:
"Wir haben eine dramatische Steigerung - dramatisch hier im positiven Sinne - bei den ausländischen Direktinvestitionen zu verzeichnen. Damit liegen wir in diesem Bereich an der Spitze auf dem Balkan."
Serbien ist besser als sein Ruf. Serbien hat ein Image-Problem, meint Maren Diale-Schellschmidt, Delegierte der deutschen Wirtschaft:
"Für uns ist es interessant, dass die Unternehmen, die hier vor Ort sind in der Regel mit ihren Geschäften zufrieden sind. Unser Problem ist eher, Leute für den Markt zu interessieren. Über die negativen Schlagzeilen in Deutschland hinaus die Perspektiven zu verkaufen. Es gibt einige Erfolgsgeschichten hier."
Europäische und amerikanische Unternehmen haben ihre Planungen für Investitionen in Serbien auf Eis gelegt, als im Mai letzten Jahre die EU-Kommission die Verhandlungen mit Belgrad über eine Annäherung an die EU abbrach, dabei war es um ein so genanntes Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen gegangen, eine Art erster Stufe auf dem langen Weg zum Beitritt, selbst mit dem bettelarmen Albanien hat Brüssel ein solches Abkommen schon geschlossen. Der Grund für den Gesprächsabbruch mit Belgrad war Ratko Mladic. Der serbische Ex-General, der im Spätsommer 1995 mit seinen Truppen die UN-Schutzzone im bosnischen Srebrenica überrannte - tausende Frauen und Kinder wurden vertrieben, mindestens siebentausend, Männer, Jungen und Greise ermordet. Mladic wird in Serbien vermutet, wahrscheinlich deckt ihn das Militär. Er gehört vor das Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag, so EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn, in seiner Begründung für den Verhandlungsabbruch:
"Ich muss sagen, es ist enttäuschend, dass Belgrad nicht in der Lage war, Ratko Mladic zu finden, zu verhaften und nach Den Haag zu bringen. Die Kommission ist bereit, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, sobald Serbien volle Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal erreicht hat. Serbien muss zeigen, dass niemand über dem Gesetz steht, und dass jeder, der schwerer Verbrechen angeklagt ist, vor Gericht kommt. Es geht auch darum, demokratische Reife zu erlangen. Die Armee und die Geheimdienste müssen unter demokratischer Kontrolle stehen.
Ich möchte die demokratischen Kräfte Serbiens aufrufen, zusammen zu arbeiten, um dieses Ziel zu erreichen, zum Nutzen des ganzen Landes und seiner Bürger. Das Abkommen würde den Bürgern wichtige Vorteile bringen, zum Beispiel weil der Handel ausgeweitet wird und Investitionen angelockt werden. Außerdem ist es das Sprungbrett in Richtung Europäische Union."
Die harte Botschaft aus Brüssel ist in Belgrad und Serbien angekommen - dort wurde aber auch genau beobachtet, dass Brüssel und auch Washington nicht immer konsequent sind in ihrer Haltung: So wurde Serbien gemeinsam mit Bosnien-Herzegowina beim letzten NATO-Gipfel feierlich in das Nato-Programm "Partnerschaft für den Frieden aufgenommen". Bisher hatte dafür immer die Auslieferung von Mladic und dem bosnischen Serben Karadzic als Bedingung gegolten. Zuckerbrot und Peitsche, das ist die westliche Doppelstrategie. Das macht es westlich gesonnenen serbischen Politikern nicht leichter, ihre Positionen im Wahlkampf zu vertreten. Das trifft vor allem den amtierenden Präsidenten Boris Tadic, der für die demokratische Partei DS Wahlkampf macht, das ist die Partei des ermordeten Zoran Djiindic, der in der DS wie eine Art Schutzpatron verehrt wird, seine Witwe Ruzica Djindjic wurde als prominente Kandidatin aufgestellt. Parteichef Boris Tadic ist unter Druck: Er will die Annäherung an den Westen. Tadic kann aber Kosovo nicht einfach preisgeben, auch er muss die Menschen auf eine mögliche Loslösung des Kosovo und eine mögliche Auslieferung von Ratko Mladic vorbereiten.
"Serbien wird einen diplomatischen und rechtlichen Kampf um Kosovo führen, aber sicherlich keinen Krieg. Wir könnten keine Zerstörung unserer Wirtschaftspotenziale mehr ertragen, weil wir damit Zukunftschancen für ganze Generationen vernichten würden."
Schwierig ist auch die Position des amtierenden Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica. Seine Regierung stand zuletzt auf so wackligen Füßen, dass er die Flucht nach vorn antrat. Er zwang alle Parteien, seinen Entwurf für eine neue Verfassung zu unterstützen, in deren Vorwort Kosovo auf ewig zum Bestandteil Serbiens erklärt wird.
"Für alle Staaten ist die Verabschiedung der Verfassung ein historischer Akt und besonders für Serbien, in einem Augenblick, wo die zwei wichtigsten staatlichen und nationalen Interessen verschmolzen sind: Mit der neuen Verfassung ist Serbien ein rechtlich geordnetes Land. Und gleichzeitig wird die Wahrheit besiegelt, dass Kosovo und Metohija immer Bestandteil Serbiens war und bleiben wird."
Kostunicas Schachzug gelang: Von den Radikalen bis hin zu den westlich gesonnenen demokratischen Parteien mussten alle der Verfassung zustimmen. Sie wurde angenommen, und auf der Welle dieses Erfolges geht nun Kostunica in die Wahl, die er mit der neuen Verfassung erst notwendig gemacht hat und die ganz nebenbei die Zitterpartei seiner Minderheitsregierung beendet. Kostunica musste immer wieder auch die Unterstützung der Milosevic-Sozialisten suchen. Mit denen ist eine Einigung zum Thema Kosovo kaum vorstellbar. Derzeit scheint es überhaupt schwierig, einen politischen Konsens zur Kosovo-Frage in Belgrad herzustellen. Das Thema wird Serbiens Politik also auch nach der Wahl weiter verfolgen. Es bleibt aber auch auf der Tagesordnung deutscher Politiker, die immer wieder ins Kosovo eingeflogen werden.
Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung landet im deutschen Feldlager in Prizren im Süden des Kosovo. Der Minister kommt Anfang September 2006, um einem denkwürdigen Ereignis beizuwohnen: Alle drei wichtigen Leitungsfunktionen im Kosovo sind von Deutschen besetzt:
"Es hat sich so ergeben, dass mit dem heutigen Tag sowohl der Chef von UNMIK, als auch der Kommandowechsel bei KFOR stattgefunden hat. Und insofern kommt eine besondere Verantwortung auf uns zu, was die Frage für die weitere Entwicklung für dieses Land bedeutet. Aber ich denke, dass die auf gutem Wege ist und dass es weiterhin zu einer stabilen und friedlichen Entwicklung beiträgt."
Neben den bisherigen deutschen Leitern der OSZE-Mission im Kosovo kommen jetzt auch noch ein deutscher Verwaltungschef und ein deutscher Kommandant der Friedenstruppe KFOR. Die Provinz, die offiziell noch immer Teil Serbiens ist, steht seit dem Kosovo-Krieg unter internationaler Verwaltung. Der neue Chef der UN-Mission im Kosovo, der ehemalige Sindelfinger Bürgermeister Joachim Rücker, ist damit so etwas wie der eigentliche starke Mann im Kosovo.
"Wir haben hier in den letzten Jahren einen Prozess erlebt, in dem eine Demokratie aufgebaut wurde. Wir haben ein funktionierendes Parlament, eine Koalitionsregierung, eine breite Opposition. Und das ist ein funktionierendes Wechselspiel - und das ist alles ohne große Erschütterungen über die Bühne gegangen."
Ganz so rosig sieht es in Wirklichkeit nicht aus: Kosovo ist ein Zentrum der organisierten Kriminalität, Serben werden von deutschen Soldaten rund um die Uhr geschützt, seit es im Frühjahr 2004 brutale massenhafte Überfälle von Albanern auf Serben gab. Kleinere Zwischenfälle kommen immer noch vor, sie schaffen es nur nicht mehr in die internationalen Schlagzeilen. Im Norden des Kosovo, in Mitrovica, der einzigen Kosovo-Region, wo die Serben die Mehrheit sind, hat die Bundeswehr gerade zusätzliche Truppen gestellt. Weil die internationale Gemeinschaft auf eine Lösung für den ungeklärten Kosovo-Status drängt und in Wien bereits Verhandlungen geführt wurden, muss jederzeit mit Unruhen gerechnet werden.
Eigentlich sollte der UN-Sondergesandte, der Finne Martti Ahtisaari seinen Vorschlag für den zukünftigen Status des Kosovo schon im letzten Jahr auf den Tisch legen. Wegen der anstehenden Wahlen hat Ahtisaari das aber verschoben. Wer auch immer die Wahlen in Serbien jetzt gewinnt, wird sich also in jedem Fall sofort mit dem Problem Kosovo auseinander setzen müssen. Eine einvernehmliche Lösung ist dabei nicht in Sicht, das wurde beim Spitzentreffen der serbischen Führung aus Belgrad und der albanischen Führungsspitze aus der Kosovo-Haupstadt Pristina im vergangenen Juli in Wien sehr deutlich. Die Serben boten eine Autonomie für Kosovo an - innerhalb des serbischen Staates. Der albanische Kosovo-Übergangspräsident Fatmir Sejdiu war in seiner Antwort ganz klar:
"Der Kern unserer Position ist, dass wir durch eine bittere Geschichte gegangen sind, mit schlechten Lösungen, die in einem schrecklichen Krieg endeten. Und die Zukunft von Kosova ist die volle Unabhängigkeit. Das ist der Wille der Mehrheitsbevölkerung in Kosova. Wir streben danach, ein unabhängiges Kosova aufzubauen, einen funktionierenden Rechtsstaat, der den Bewohnern alle Rechte garantiert, das gilt sowohl für die Mehrheitsbevölkerung als auch für die Minderheiten. Wir wollen ein Kosova mit innerer Stabilität, dass auch die Stabilität in der Region widerspiegelt. Und natürlich wollen wir gute Beziehungen zu unseren direkten Nachbarn, einschließlich Serbiens."
Die Vertreter beider Seiten gaben sich beim einzigen Spitzentreffen in Wien nicht mal die Hand. Immerhin: Auf einen Schutz der serbischen Kirchen und Klöster hat man sich im Grundsatz geeinigt, die Albaner wollen es auch ertragen, dass die Kosovo-Serben in ihren Gemeinden selbst über Polizei, Schulen und Krankenhäuser wachen, was zum Beispiel in Mitrovica längst der Fall ist. Streit gibt es aber schon wieder über den Zuschnitt und die Zahl der Gemeinden, über Gebietsgrenzen und Geldflüsse. Für das Kosovo kann wohl nur eine Lösung von außen kommen, die muss dann aber auch für beide Seiten akzeptabel und tragfähig sein. Außerdem müssen die Serbenfreunde in Moskau ihre Zustimmung im UN-Sicherheitsrat geben. Das alles wird nicht leicht zu bewältigen sein. Kosovo bleibt das Dauerthema. Und hinter vorgehaltener Hand geben auch enge Vertraute des nach außen so strikt national-patriotischen Ministerpräsidenten Kostunica zu, dass es wohl besser sei, Kosovo loszuwerden. Was sollte Belgrad auch mit einer unkontrollierbaren Unruheprovinz anfangen, in der es eine gewaltbereite albanische Mehrheitsbevölkerung gibt und die Wirtschaftslage desolat ist?
Dennoch macht vor allem die Radikale Partei des in Haager Untersuchungshaft sitzenden Vojislav Seselj Stimmung mit dem Kosovo-Thema. Seseljs Statthalter in Serbien, Tomislav Nikolic, stellt in seinem Wahlkampf alle anderen Politiker als Verräter dar:
"In der serbischen Verfassung steht: Kosovo und Metohija ist Bestandteil Serbiens. Deshalb haben wir auch die Verfassung verabschiedet. Tadic und Kostunica sollen wissen: Solange sie auf diesen Funktionen sind, kommt keine andere Lösung für Kosovo und Metohija in Frage. Wir wollen Tadic nicht mehr hören, wie er sagt: "Ich bin eher der Meinung, dass es unabhängig wird, als dass es Bestandteil Serbiens bleibt." Reiche Deine Kündigung ein, Tadic, wenn Du der Meinung bist, dass Kosovo und Metohija unabhängig wird. Wir wollen Kostunica nicht mehr dabei zusehen, wie er Serbien nicht verteidigen will."
Die Radikale Partei könnte stärkste Kraft im serbischen Parlament werden, das wird aber auch von der Beteiligung des insgesamt wahlmüden serbischen Stimmvolks abhängen. Ob die Radikalen tatsächlich eine Regierungsmehrheit zustande bringen ist fraglich - es hängt davon ab, ob mögliche Koalitionspartner, wie die Sozialisten des verstorbenen Slobodan Milosevic ins Parlament kommen und stark genug sind.
Die Regierungsbildung wird in jedem Fall schwer, auch weil sie unter dem Druck der drohenden Kosovo-Unabhängigkeit verhandelt werden muss: Der Wunsch westlicher Beobachter wäre eine Zusammenarbeit der DSS unter dem jetzigen nationalistischen Ministerpräsidenten Kostunica und der DS des westlich orientierten Präsidenten Boris Tadic. Nur gemeinsam könnten sie in Serbien die Loslösung des Kosovo und die Festnahme von Ratko Mladic vertreten, und die zu erwartenden Proteste überstehen. Zuletzt hat es diese breite Front des gesamten halbwegs demokratischen Spektrums gegen die Radikalen im Jahr 2000 gegeben, damals ging es darum Slobodan Milosevic aus dem Amt zu drängen. Das gelang. Doch seitdem ist die alte Oppositionsfront zerstritten, ihre Führer haben sich gegenseitig blockiert. Das ist das eigentliche Problem in Serbien. Viele westliche Beobachter wünschen der demokratischen Partei DS unter Präsident Tadic einen Wahlsieg. Man muss Tadic aber auch Kraft, Mut und Verhandlungsgeschick für die Zeit danach wünschen.