Freitag, 29. März 2024

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Rüstungsproduktion
"China baut seine militärische Macht aus"

China ist nach den USA der größte Waffenproduzent der Welt. Der Regierung in Peking gehe es um Macht und Einfluss, um die Welt zu gestalten, sagte Sicherheitsexperte Christian Mölling im Dlf. Die USA schlössen eine militärische Konfrontation mit China in der Zukunft nicht aus.

Christian Mölling im Gespräch mit Britta Fecke | 01.02.2020
Militärparade in Peking im Jahr 2015
China suche den Einklang zwischen wirtschaftlicher und militärischer Expansion, sagte Mölling, Gesellschaft für Auswärtige Politik (picture alliance / Photoshot)
China hat sich laut einem Bericht des Friedensforschungsinstituts SIPRI zum zweitgrößten Waffenproduzenten der Welt entwickelt. Mehr Waffen produziert nur die USA. China baut auf allen Kontinenten seinen Einfluss aus - sehr zum Missfallen von US-Präsident Donald Trump. Die beiden Großmächte geraten zunehmend aneinander.
Laut SIPRI handelt es sich bei den Zahlen um die erste detaillierte Studie zu chinesischen Waffenverkäufen. Zuvor waren Daten der chinesischen Unternehmen demnach kaum zugänglich. Wir sprachen mit dem Sicherheitsexperten Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik über die Verlässlichkeit der Zahlen, was China mit der militärischen Aufrüstung bezweckt und was das für das Verhältnis zu den USA bedeutet.
Christian Mölling: Die Zahlen sind erst mal der Versuch, von SIPRI überhaupt mal ein besseres Verständnis dafür zu kriegen, was China überhaupt produziert. China ist da bei Weitem nicht so transparent wie die Europäer oder Amerikaner es sind - mit Blick auf die Zahlen, was da überhaupt produziert wird. Das Ergebnis der Studie ist auch erst mal nur ein sogenanntes quantitatives. Das heißt: Es geht um eine Abschätzung der Summen von Produktionen. Man kann daraus noch überhaupt nicht abschätzen, was genau eigentlich verkauft worden ist und wohin das Ganze geht. Also da fehlen noch einige Variablen.Wenn man sich ältere Studien ansieht, dann kann man abschätzen, wohin das wahrscheinlich gegangen ist. Aber das wesentliche Problem bei dieser Studie, auch bei der Herangehensweise der Kollegen in Stockholm, ist, dass sie quasi immer über den Wert der Ware gehen und nicht über die Frage von Tödlichkeit oder - was bedeutet das eigentlich für den Empfänger? Ist das gefährlich im Empfängerland oder kauft er sich das eigentlich bloß, um sich das in die Ecke zu stellen, damit es schön aussieht?
Mit Waffenexporten Einfluss und Macht erkaufen
Fecke: Wobei die meisten Waffen im Land bleiben. Es geht gar nicht so sehr um Waffenexporte. Was kann man daraus ableiten?
Mölling: Daraus kann man schon ableiten, dass China sich deutlich mehr ausrüstet, deutlich besser ausrüstet. Die Studie zeigt auch, dass die Produktion insbesondere in Unternehmen stattfindet, die schon technologisch leistungsfähiger sind als in der Vergangenheit. China holt technologisch im Rüstungsbereich auf. Ich glaube schon, dass das schrittweise auch in den Export gehen wird, wo man es kann - weil China sich natürlich über Waffenexporte Einfluss erkauft. Das ist den Chinesen sehr klar, dass man darüber Einfluss haben kann. Auch weil die Waffen wahrscheinlich mit deutlich weniger Restriktionen, mit Blick auf den Einsatz, verkauft werden, als das bei europäischen Waffen der Fall ist.
Fecke: Die wirtschaftliche Expansion chinesischer Unternehmen begleiten wir ja schon lange. Dieser strategische Machtausbau jetzt bei der neuen Seidenstraße ist auch offenkundig. Glauben Sie, das soll jetzt noch flankiert werden durch eine militärische Macht, die China aufbaut?
Mölling: Also China sieht es mindestens so, dass es seine Rohstoffe und Wirtschaftswege schützen möchte. Das tun wir Europäer ja auch. Das ist aber kein besonders neues Anliegen und dazu baut es in erheblichem Maße seine militärische Macht aus. Das heißt jetzt nicht, dass die Chinesen von vornherein irgendwo intervenieren wollen - das ist nicht deren Ziel. Aber das Ziel ist schon, den Einklang zwischen wirtschaftlicher Expansion und militärischer Expansion zu haben und nicht hinterher zu fallen.
Brennpunkt Südchinesisches Meer
Fecke: China ist ja sehr dominant im Südchinesischen Meer. Es lässt dort Inseln aufschütten, erhebt Anspruch auf Inselgruppen, installiert Militäranlagen und beansprucht Hoheitsrechte auf sehr weiten Gebieten im Südchinesischen Meer - vor allem dort, wo wertvolle Ressourcen vermutet werden beziehungsweise schon klar ist, das dort einiges liegt. Es gab da auch schon fast Kollisionen mit amerikanischen Booten. Das klingt nicht mehr nach man möchte sich eigentlich nur absichern. Das klingt schon ein bisschen nach Konfrontation.
Mölling: China geht seit einigen Jahren ganz bewusst die Konfrontation ein, um seinen Anspruch durchzusetzen. Ob der Anspruch gerechtfertigt ist oder nicht, ist noch eine andere Frage. Aber ja, genau darauf läuft es hinaus, dass China sich mittlerweile stark genug fühlt, seinen Anspruch mit allen Mitteln zu vertreten. Man nutzt auf der einen Seite die Lethargie oder auch die Unsicherheit oder Uneinigkeit aller anderen aus, um Fakten zu schaffen. Die zitierten Inseln sind ein Beispiel dafür, dass der Rest der Welt nicht so ganz richtig weiß, wie man damit umgehen soll: Nimmt man denen das jetzt wieder weg oder müssen die wieder abbauen? Das liegt in teilweise umstrittenem Seegebiet, teilweise liegt es aber auch in internationalen Gewässern.
Flaggenzeremonie am Tiananmen-Platz in Peking
Das Projekt Weltmacht
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping träumt von einem starken China. Auf allen Kontinenten baut das Riesenreich seinen Einfluss aus. Die chinesische Außenpolitik orientiert sich neu.

Das ist eine ganz schwierige Gemengelage und wir hatten eigentlich die letzten 30 Jahren nach Ende des Kalten Krieges gedacht, das ist jetzt eigentlich einigermaßen stabil. Da wird doch keiner dran rütteln. Jetzt passiert es eben, dass das wovor lange Zeit gewarnt worden ist, dass diese sogenannte Global Comment, also das, was eigentlich allen gehört, tatsächlich streitig gemacht werden wird. Und man sich fragen muss, wie halten wir denn eigentlich das Recht auf freie Seefahrt zum Beispiel aufrecht. Kann man das mit politischen Appellen machen oder muss man tatsächlich selbst Schiffe in die Region schicken, um zumindest symbolisch zu zeigen, wir fahren hier weiterhin durch, weil wir glauben, dass das Recht auf freie Seefahrt weiterhin Bestand hat - egal was ein einzelner Staat dazu sagt, auch wenn es China ist.
China und USA kämpfen um Macht und Einfluss
Fecke: Die Amerikaner testen genau das geradeaus aus. Es gibt Kommentatoren, die sagen, es ist eigentlich eine neue Form des Kalten Krieges zwischen China und den USA. Sehen Sie das auch so kritisch?
Mölling: Das würde ich nicht so kritisch sehen - oder ich würde es zumindest nicht versuchen mit einer historischen Kategorie zu vereinen, die ja sehr stark dann andere Schablonen und Implikationen mit sich bringt. Wir haben hier ganz klar eine Konfrontation, die auch schrittweise systematischer wird. Wir haben aber keine ideologische-systemische Konfrontation, wie wir es im Kalten Krieg gehabt haben. Da ging es ja auch um Weltanschauungs-Ideologien, die Treiber hinter bestimmten Entwicklungen gewesen sind. Das sehe ich nicht. Hier geht es darum, ganz knallhart Einfluss oder Macht zu bekommen, um die Welt zu gestalten. Das ist ein Anspruch den die Europäer zum Teil auch gehabt haben, aber er wird hier sehr viel vehementer umgesetzt. In einer Art und Weise, die die Regeln infrage stellt, an die die Europäer sich lange Zeit gehalten haben, die sie aber auch mitbestimmt haben.
Nächste Konfrontation kann irgendwann militärisch sein
Fecke: Jetzt ist die Frage, wo wir diese Zahlen gesehen haben, inwieweit eigentlich dieser Machtanspruch immer mehr militärisch durchgesetzt werden kann. Xi Jiping hat Taiwan zum Beispiel ganz offen mit der gewaltsamen Rückeroberung gedroht, also im Notfall mit militärischem Eingreifen. Das wäre vor einigen Jahren noch nicht denkbar gewesen.
Mölling: Ja, wir sehen eine Eskalation. Der Anspruch auf Taiwan als Teil Chinas war immer da. Jetzt sieht man, dass die Chinesen möglicherweise in der Lage sind, das möglicherweise auch militärisch durchzusetzen auch so durchzusetzen, dass es wiederum für die Amerikaner sehr schwierig wird, ihr Versprechen gegenüber Taiwan aufrechtzuerhalten, das Land und die Freiheit des Landes zu schützen, indem man einfach eine Seeblockade durchsetzen kann. Das heißt, was jetzt auf der rein militärischen Ebene passiert, ist, dass sich die Risikokalkulationen verändern - vor allem auf der amerikanischen Seite aber auch sicherlich bei anderen. Mit Blick auf die Frage, was muss ich denn eigentlich jetzt alles haben, um weiterhin freie Seefahrt und die Sicherheit Taiwans etc. eigentlich durchsetzen zu können.
Die taiwanische Präsidentin Tsai Ing-Wen steht zusammen mit dem Bürgermeisterkandidaten Chen Chi-mai in einem Tempel in Kaohsiung und betet.
Taiwan: Ein Land, zwei Identitäten
China sieht Taiwan als Teil ihres Territoriums und droht mit militärischer Gewalt. Vor allem junge Taiwaner schauen nach Hongkong und fürchten um ihre Freiheit.


Das heißt, hier wird ein enormer Aufwand betrieben werden müssen, das ist das, was die Amerikaner in den letzten Jahren gemacht haben, sich umzuorientieren und zu sagen, die nächste Konfrontation ist mit den Chinesen und die kann irgendwann einmal auch militärisch sein. Auch hier geht es letztendlich wieder darum aus amerikanischer, aber vielleicht auch aus westlicher Sicht, die Risikokalkulation Chinas wiederum soweit zu beeinflussen, dass man sagt, es bringt nichts euren Anspruch, den ihr habt, militärisch durchzusetzen. Sondern ihr müsst euch schon mit uns an den Verhandlungstisch setzen. Aber dafür muss man halt auf der militärischen Ebene schon was in die Waagschale werfen. Mit Worten alleine ist das nicht zu machen. Das sehen wir auch in den letzten Jahren und Monaten, dass China das nicht sehr beeindruckt. Denn wir sehen ja, wie auch europäische Regierungen von China unter Druck gesetzt werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.