Archiv


Rumänien macht Ernst mit dem Umweltschutz

Die Europäische Union macht's möglich: Die nationale Umweltagentur in Rumänien will die ersten Betriebe schließen, die sich nicht an Auflagen zum Schutz von Luft und Wasser halten. Die EU hat dem Land zwar lange Übergangsfristen eingeräumt, doch manche Unternehmen wollen nicht einmal die darin geforderten Aktionspläne für den Einbau umweltgerechter Filter vorlegen. Saubere Luft und Flüsse haben noch immer keinen hohen Stellenwert in Rumänien.

Von Thomas Wagner |
    Monoton das Geräusch des Hüttenwerkes in der alten westrumänischen Industriestadt Resita. Zersprungene Fensterscheiben, rußgeschwärzte alte Mauern - und dicke Luft:

    " Die Luftqualität hier in der Stadt ist miserabel. Und den Lärm hören wir die ganze Nacht über.

    Die Luftverpestung hier ist riesig, sehr riesig. "

    Und das, obwohl das Hüttenwerk erst kürzlich für neun Millionen Euro eine Staubfilteranlage einbauen ließ. Dass die Klagen über die schlechte Luft nicht nachlassen, hängt angeblich mit technischen Problemen beim Anfahren der Filter zusammen. Allerdings: Ohne Filteranlage hätte dem Werk die Schließung gedroht. Denn die EU-Behörden verlangen auch von rumänischen Betrieben eine Umrüstung ihrer Anlagen, um die Schadstoffgrenzwerte einzuhalten - allerdings nicht kurz-, sondern langfristig. Bis Ende Oktober musste jedes der 600 rumänischen Unternehmen, die als größere Schadstoff-Emittenten gelten, einen schlüssigen Umwelt-Investitionsplan vorlegen. Knapp die Hälfte davon hatte bis Oktober die Dokumente noch nicht eingereicht. Ihnen setzt die rumänische Umweltbehörde nun die Pistole auf die Brust. Die ersten Unternehmen, bei denen ein solcher Plan auf keinen Fall mehr zu erwarten ist, stehen bereits vor der Schließung - eine längst überfällige Maßnahme. Denn in der Vergangenheit bedienten sich viele Luftverschmutzer schmutziger Tricks, um die Schadstoffauflagen zu umgehen. Erstes Beispiel: Das Stahlwerk Ductil Steel im Kreis Caras Severin, nicht weit entfernt von Resita. Das liegt mit seinen Emissionen schon seit Jahren weit über den EU-Grenzwerten. Ilie Chincea, Direktor des regionalen Umweltamtes im rumänischen Kreis Caras Severin:

    " In dieser Zeit, also in den letzten acht Jahren, hatte dieses ehemalige Staatsunternehmen vier Eigentümer. Und jeder hat natürlich erklärt, dass er dort Filter einbauen will. Und dann ging der Betrieb wieder in Staatsbesitz zurück; ein neuer Eigentümer kam, der Prozess begann von vorne. Nur: Tatsächlich hat man eben nie in irgendwelche Abgas-Reinigungsanlagen investiert. "

    Zweites Beispiel: Das Stahlwerk Sometra in der siebenbürgischen Gemeinde Copsca Mica, das einer griechischen Investorengruppe gehört - und bis zum Jahre 2006 über keinerlei Abgasfilter verfügte. Lucia Popovici vom zuständigen Umweltamt in Sibiu:

    " Wir haben hier eine ständige Belastung der Luft aufgrund der Emissionen dieses Werkes. Diese Schadstoffe schlagen sich auch auf die Vegetation nieder, in einem weiten Umkreis. Und das bedeutet wiederum: Die Leute hier haben dadurch große gesundheitliche Probleme. "

    Und die werden wohl noch eine Weile anhalten. Statt Investitionen in Millionenhöhe zu tätigen, bezahlte Sometra lieber die im Vergleich dazu lächerlich geringen Strafen der rumänischen Behörden. Erst im Jahre 2006 wurde der erste Filter angebaut. Um der drohenden Betriebsschließung zu umgehen, legte das Unternehmen jetzt immerhin den eingeforderten Umwelt-Investitionsplan vor, dessen Einhaltung auch streng überwacht werden soll. Allerdings müssen danach die EU-Grenzwerte erst ab dem Jahre 2014 eingehalten werden. Denn so lange dauern die Übergangsfristen, die die EU Rumänien eingeräumt hat. Ovideo Gant, rumänischer Europa-Abgeordneter aus Temesvar:

    " Bei den Verhandlungen war uns bewusst, dass das 15 bis 18 Jahre dauern wird, bis wir diese Standards erreicht haben. Es fehlt total am Umweltbewusstsein in der Bevölkerung. Es gibt keine Kläranlagen für Wasser. Dementsprechend wird es sicher 15 bis 20 Jahren dauern, bis wir in jeder Stadt solche Einrichtungen aufgebaut haben. "

    Die fehlende Umwelt-Infrastruktur ist aber nur ein Grund für schlechte Luft und verunreinigtes Wasser in Rumänien. Der andere Grund: Die wirtschaftlichen Probleme gerade in strukturschwachen Regionen. Da taten sich die Behörden bislang schwer, wegen fehlender Abgasfilter einen ganzen Betrieb zu schließen. Beispiel hierzu: Das Stahlwerk in Otelu Rosu. Ilie Chincea von der regionalen Umweltagentur in Resita:

    " In dieser Region ist das Stahlwerk der einzige größere Arbeitgeber. Die Behörden vor Ort haben deshalb alles getan, um das Werk am laufen zu halten. "

    Was nach den EU-Auflagen in Zukunft nicht mehr so einfach sein wird: Denn ohne schlüssigen Umwelt-Investitionsplan und dessen Umsetzung droht das Aus für den Betrieb - spätestens im Jahre 2014.