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Rumänische Regierung
Wie es nach dem Koalitionsbruch weiter geht

In Rumänien ist die sozialliberale Regierungskoalition am Montag zerbrochen. Die liberale Partei ALDE kündigte die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten, der PSD, auf. Ministerpräsidentin Viorica Dăncilă will nun andere Partner für ihre Regierung suchen, laut Umfragen wird das nicht gelingen.

Von Clemens Verenkotte | 28.08.2019
Die rumänische Regierungschefin Viorica Dancila
Nach dem Koalitionsbruch in Rumänien will Ministerpräsidentin Viorica Dăncilă durchhalten, auch als Chefin einer Minderheitsregierung. (AFP/Daniel Mihailescu)
Gegenseitige Schuldzuweisungen beherrschen nach dem Ende der Koalition das innenpolitische Klima Rumäniens: Verantwortungslos und feige sei die Entscheidung des kleinen Koalitionspartners, der linksliberalen Partei ALDE, jetzt die Regierung zu verlassen, so Ministerpräsidentin Viorica Dăncilă, die zugleich auch Chefin der postkommunistischen Sozialdemokraten PSD ist:
"Die Menschen haben uns dafür gewählt, dass wir die Regierung zu Ende führen, nicht dafür, dass wir sie aufgeben, unseren Rücktritt erklären und zu sagen: Basta, wir haben es satt, wir gehen nach Hause. Wir sind eine seriöse Partei und wenn wir die Verantwortung für etwas übernehmen, führen wir das auch zu Ende. Sollte es zu einem erfolgreichen Misstrauensantrag kommen, akzeptieren wir diese Entscheidung des Parlaments und das war's dann."
Über drei Jahre lang hatten Sozialdemokraten unter ihrem damaligen Parteichef Liviu Dragnea und die Linksliberalen mit ihrem Vorsitzenden Tăriceanu gegen zunehmenden nationalen wie internationalen Widerstand und Protest einvernehmlich regiert, das Korruptionsstrafrecht gelockt und die Unabhängigkeit von Staatsanwälten und Richtern eingeschränkt. Doch erst nach den drastischen Verlusten bei den EU-Wahlen im Mai, und dem anschließenden Haftantritt Dragneas wegen Amtsmissbrauchs drifteten die einstmals engen Partner auseinander.
Die Präsidentschaftswahl wirft ihre Schatten voraus
Die Begründung für den Regierungsausstieg kleidete ALDE-Chef Tăriceanu in die Worte:
"Ich habe Frau Dăncilă den Mut abgefordert, die Regierungsstruktur zu reformieren, doch sie hatte diesen Mut nicht. Sie hatte nicht den Mut, auf die Hälfte der Staatssekretäre zu verzichten, sie hatte nicht den Mut, die Bürokratie in der Regierung um die Hälfte zu reduzieren und ihr fehlte der Mut, sich mit einem neuen Regierungsprogramm dem Parlament zu stellen. Damit war für mich alles klar."
Klar ist allerdings auch, dass alle politischen Parteien Rumäniens längst ihren Blick auf die im November anstehenden Präsidentschaftswahlen gerichtet haben – und somit auf die zentrale Frage, wer gegen den bürgerlichen Amtsinhaber Klaus Iohannis antreten wird. Große Hoffnungen hatte sich der ambitionierte Chef der Linksliberalen Tăriceanu gemacht, als gemeinsamer Kandidat der Regierungsparteien aufgestellt zu werden. Doch als die Sozialdemokraten am vergangenen Wochenende Viorica Dăncilă auf den Schild gehoben hatten, zog der kleine Koalitionspartner – offenkundig enttäuscht – die Konsequenzen.
Vertrauensabstimmung dürfte gegen Dăncilă ausfallen
Verfassungsrechtlich hat die Ministerpräsidentin, die seit der Inhaftierung ihres einflussreichen Mentors Dragnea offenkundig Gefallen an der Regierungsmacht gefunden hat, nun anderthalb Monate Zeit, bis sie sich mit einem Kabinett der Vertrauensabstimmung im Parlament stellen muss. Trotz, kündigte die Ministerpräsidentin an. Doch alle Oppositionsparteien haben bereits angekündigt, gegen Dăncilă zu votieren, sollte sie nicht schon vorher ihr Amt niederlegen. Für Cristian Tudor Popescu, einen der populärsten politischen Kommentatoren im rumänischen Fernsehen, scheint hingegen klar:
"Statt zurückzutreten gibt Frau Dăncilă Vollgas und fährt den Wagen der PSD gegen die Wand. Dass ALDE die Regierungskoalition im Stich lässt, ist ein noch schlimmeres Zeichen des Untergangs, als alle Zeichen, die von der PSD in den letzten Monaten ignoriert wurden. Das ALDE nun das Schiff verlässt ist, ganz einfach ein Zeichen des drohenden Untergangs."
Ein Blick auf die Umfragezahlen zeigt, dass die PSD-Chefin und Ministerpräsidentin Dăncilă abgeschlagen auf der Beliebtheits-Skala der rumänischen Politiker steht – bei weniger als zehn Prozent.