Der große Olivier Saal des Nationaltheaters an der Themse ist nun jeden Abend vollgepackt, 1200 Plätze. Hans Blix war schon da, Robin Cook, der britische Oberst und Irak-Held Tim Collins - alle fanden das Stück spannend und erleuchtend. Jetzt diskutiert man darüber, ob Hare Bush und Blair zu viel von seinen eigenen Vorurteilen in den Mund gelegt hat oder ob er mit der Kriegshetzerei von Cheney, Rumsfeld und Wolfowitz viel zu milde umgegangen ist.
Doch Hare, erklärter Kriegsgegner, Großbritanniens linke Edelfeder will von solcher Parteilichkeit nichts wissen. Stuff Happens, sagt er, ist Kunst, nicht Journalismus.
Leider und unausweichlich wird es nun als Journalimus und nicht als Kunst verstanden, aber beabsichtigt war Kunst, sagt Hare. Für ihn funktionieren politische Stücke nach den genau gleichen Regeln wie alle anderen. Nur dauert es bei ihnen länger, bis man sie, aus der Distanz, als Theaterstück wahrnehmen kann....
Hare verlässt sich penibel auf die Quellen, Nichts "bewusst unwahres" wurde hinzugefügt. Aber dann erfindet er mit der Imagination des Bühnenautors hinzu, was hinter den Türen des Oval Office und der Downing Street vorgegangen sein könnte und gibt den Akteuren damit charakterliche Präzision. "Ich mag Blair" - sagt Colin Powell immer wieder, der amerikanische Außenminister, der hier die Rolle des heroischen Widerparts zu den Kriegsbegeisterten Rumsfeld und Cheney spielt. "Vielleicht mögen sie ihn", antwortet Cheney. "Aber er macht uns nichts als Schwierigkeiten. Und wenn die Katzenscheisse größer wird als die Katze, ist es Zeit, die Katze los zu werden".
Cheney, witzig, kalkulierend von brutaler Rücksichtslosigkeit ist derjenige, der Tony Blairs missionarisches Weltverbesserungsbewusstein am besten entlarvt: "Ein Prediger, der auf einem Panzer sitzend in die Schlacht ziehen will". Wie Blair - und mit ihm England - zwischen die Fronten von amerikanischer Macht und internationaler Diplomatie geraten, das ist das eigentliche Thema des Stücks..
Kein geringerer als Shakespeare mit seinen Historienspielen lieferte das dramaturgische Modell für Hare:
"Wie Shakespeare werden Menschen im dramatischen Handeln gezeigt und das Thema ist die Macht. Das Thema und die Konstruktion des Stückes sind von Shakespeare: Die A Handlung - Bush und seine Leute - und die B Handlung - Blair und die Seinen. Meine Aufgabe als Dramatiker ist, diese beiden Handlungen miteinander zu verweben, dass sie sich gegenseitig antreiben, reflektieren und doch als Welten für sich bestehen."
Vielleicht lernen wir in "Stuff Happens" nichts Neues - aber im Blick des Dramatikers wird plausibel (wenn auch nicht notwendigerweise wahr) gezeigt, wie Bushs souveräne Machtpolitik Blairs moralische Absichten, seine Hoffnungen auf eine neue Weltordnung, den Durchbruch in der Nahostpolitik zerschellen lässt. Bush, den wir von Michael Moore als gefährlich, aber inkompetent bis an den Rand des Komischen kennen, wird hier zu einem gefährlich überlegenen, souveränen und charismatischen Spieler der Macht.
Der Irakkrieg hat dem politischen Theater, dem Drang der Bühne zur schnellen Reflexion der Aktualität Auftrieb gegeben wie seit Jahrzehnten nichts. Es gab in London reine Dokumentarstücke wie die Aufführungen des Tricycle Theaters mit Texten der Hutton Untersuchung und den Protokollen der "Guantanamo" Häftlinge. Es gab farcenhafte Stücke wie die wilde Satire "The Madness of George Dubya". Es gab Versuche, den Irak Krieg im Spiegel von Shakespeare und Sophokles zu verstehen. Keines von diesen Stücken hat die Geschichte historisch und dramatisch so direkt und umfassend angepackt. Dass das National Theater bei dieser theatralischen Aufarbeitung an vorderster Stelle steht, habe seinen guten Grund, sagt Regisseur und Theater Direktor Nicholas Hytner.
Unser Land ist von unseren Führern in den Krieg geschickt worden, etwas katastrophales ist passiert und wir wollen uns vorstellen, warum". Hytner schreibt die Renaissance des politischen Theaters der Tatsache zu, dass die Politiker, angeleitet von ihren Spin-Managern, nur noch wenig Substantielles sagen. "Der politische Dialog ist verarmt. Wir, das Publikum sind ausgehungert, was die Möglichkeiten von Diskurs und Dialog über die wirklich bewegenden Fragen der Zeit angeht.