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Russische Journalisten bewerten Zustand der Pressefreiheit unterschiedlich

Die Meldungen über die Situation der freien Presse in Russland geben Anlass zur Sorge. Doch wer mit unserem Mediensystem aufgewachsen ist, mit der Mischung aus Öffentlich-Rechtlichem-Rundfunk und den privaten Sendeanstalten, kann die russische Realität nur schwer begreifen. Und so lohnt es sich doch einmal direkt nachzufragen bei den russischen Kolleginnen und Kollegen.

Von Frauke Schäfer |
    Fragt man russische Kollegen nach der Situation ihres Berufsstandes, fallen die Urteile ziemlich unterschiedlich aus. Alexander Prokopenko, zum Beispiel ist Redakteur beim staatlichen Fernsehen in Moskau

    " Ich arbeite in der Auslandsabteilung, wir schreiben ausländische Nachrichten und dort haben wir keine Zensur. Der Mann, der sitzt im Raum und liest jede Nachricht, keins nichts."

    Einen Zensor wie zu Sowjetzeiten müsse es auch gar nicht geben, meint Saschas Kollege Roman Schell. Der sei überflüssig, wenn die berühmte Schere im Kopf so gut funktioniere.

    " Es gibt schon Regelungen, Sascha sagt, dass es frei ist, es gibt staatliche Positionen gegenüber Israel zum Beispiel und natürlich wird er nicht schreiben, dass das ganz anders ist, sorry, es gibt eine Richtung, auf jeden Fall."

    Das weiß Roman Schell aus eigener Erfahrung. Zwei Jahre lang arbeitete er in Woronesch für den regionalen Ableger des staatlichen Fernsehens.

    " Einen Druck haben wir gefühlt, wir durften zum Beispiel nicht so viel, oder negativ über den Gouverneur berichten, weil er uns ja das Geld gibt und es gab bei uns einfach keine Stücke über den Gouverneur, keine negativen."

    Und so, bedauert Roman Schell, artet die Berichterstattung oft genug in bloße Propaganda aus. Wird ein Dorf im Beisein der örtlichen Politprominenz an das Gasnetz angeschlossen, müssen die Kollegen vom staatlichen Fernsehen dabei sein:

    " Die sehen auch, dass das nur eine scheiß PR ist, eine PR-Aktion, das ist nur eine Werbung und der Gouverneur steht da vorne und sagt "Heute haben wir das und das gemacht." Aber wir wissen, dass das ein Nichts ist, ein Zirkus und das wissen wir alle und die Journalisten versuchen irgendwie etwas zu sagen, etwas zu zeigen, zum Beispiel mit dem Bild, das ist ein Trick, du weißt, was du dem Zuschauer zeigen kannst im Prinzip, damit die klugen Leute kapieren, was das für Quatsch ist."

    Zwischen den Zeilen zu lesen, versteckte Andeutungen zu begreifen, haben die Menschen in Sowjetzeiten gelernt und diese Fähigkeiten sind auch heute noch gefragt. Das liegt vor allem an der Struktur der Medienlandschaft erklärt die Journalistin Svetlana Kolbanjowa aus Kaliningrad:

    " Die Medien in Russland haben immer ganz klare Eigentumsstrukturen, sie gehören entweder dem Staat oder der Wirtschaft."

    Und so hat jeder Sender und jedes Blatt seine Linie. Unabhängig ist das wohl kaum zu nennen, aber es ist vielfältig, sagt Gisbert Mrozek. Der deutsche Journalist arbeitet seit 1989 als Korrespondent in Russland und betreibt eine Internetzeitung in Moskau.

    " Die russische Medienlandschaft ist nicht so glattgebügelt, so plattgewalzt, wie man sich das hier vorstellt. Und längst nicht jedes Blatt, längst nicht jedes Fernsehprogramm ist vom Kreml kontrolliert, das schaffen die überhaupt nicht."

    Der Westen, fährt Gisbert Mrozek fort, sehe die Situation in Russland zu schwarz, oder besser gesagt zu schwarz-weiß:

    " Einer der Hauptkritikpunkte ist, dass der Staatskonzern Gasprom viele Medien unter seine Kontrolle genommen hat, eben dies ist aber auch ein Beispiel dafür, dass es mit der Kontrolle dann doch nicht so einfach ist, wie das auf den ersten Blick klingt. Denn zu Gasprommedia gehört zum Beispiel seit zwei Jahren auch der russische Radiosender "Echo Maskwy" Echo Moskaus, der als einer der Hauptstützpfeiler der russischen Opposition und auch der russischen Journalistik und Ethik gehört und dies zu Recht."

    Trotzdem habe es ein guter und unabhängiger Journalismus in Russland schwer. Und das liege nicht nur an den Machtverhältnissen, sondern auch an den Journalisten selbst. Dieser Meinung ist übrigens auch Svetlana Kolbanjowa. Die russischen Journalisten hätten einfach nie gelernt, zwischen Meinung und Information zu trennen:

    " Wir machen uns angreifbar, durch die eigenen Fehler, und weniger Fehler würde für mich schon mal bedeuten, mehr Sicherheit und mehr Freiheit für die Presse. Durch die eigenen Fehler machen sie sich nicht nur selbst angreifbar und schwach, sondern sie schaden auch den eigenen Medien und schmälern so das Vertrauen ihrer Leserschaft und das sehe ich als ein ganz großes Problem. Sobald ein Journalist anfängt und das machen sehr viele in Russland, seine eigene Meinung als die richtige Wahrheit auszugeben, hat man verloren im Kampf für die Pressefreiheit."