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Russischer Dopingskandal
Auspacken oder Schweigen?

Der russische Whistleblower Grigorij Rodchenkov lebt im Zeugenschutzprogramm an einem unbekannten Ort in den USA. Als ehemaliger Leiter des Doping-Kontrolllabors in Moskau war er aktiv in das russische Staatsdoping involviert. Dann wurde er Kronzeuge des IOC. Jetzt sieht Rodchenkov aber sein Leben bedroht.

Von Andrea Schültke | 27.12.2017
    Grigory Rodchenkov, ehemaliger Leiter des russischen Antidoping-Labors und mitverantwortlich für das staatliche gelenkte Dopingsystem (Aufnahme von 2007).
    Grigory Rodchenkov, ehemaliger Leiter des russischen Antidoping-Labors und mitverantwortlich für das staatliche gelenkte Dopingsystem (Aufnahme von 2007). (sportphoto.ru)
    Jim Walden ist ein renommierter Anwalt in New York. Gestern hat er in einem öffentlichen Schreiben dem Internationalen Olympischen Komitee fehlende Rückendeckung für seinen Mandanten vorgeworfen: "Das IOC, das auf Grundlage der Aussage von Dr. Rodchenkov, Russland von den Olympischen Spielen ausschloss, weigert sich leider, einen Finger zu rühren, um ihm zu helfen."
    Russland wolle, dass die USA Rodchenkov ausliefern. Wenn das geschehe, werde sein Mandant "nicht mehr erreichbar" sein, schreibt Anwalt Jim Walden. Mit anderen Worten, der Whistleblower soll umgebracht werden. Das könne dem Internationalen Olympischen Komitee und dem Weltfußballverband FIFA nur Recht sein, behauptet der Jurist in seinem Schreiben:
    Ausssage gegen Aussage
    "Die FIFA könnte jeden Hinweis auf Doping durch die russische Fußballmannschaft ignorieren. Das IOC und die FIFA könnten einfach und vielleicht sogar glücklich sagen: 'Wir können nicht mehr gegen Russland und seine Athleten vorgehen, da die Beweise nicht mehr verfügbar sind und wir keine direkten Belege haben, um die Beteiligung Russlands am Tod von Dr. Rodchenkov nachzuweisen'".
    "Lächerlich" schreibt ein IOC-Sprecher und weist die Anschuldigungen in einer schriftlichen Stellungnahme zurück: "Das IOC bestreitet kategorisch die Behauptung von Herrn Walden, dass das IOC nichts unternommen hat, und die lächerliche Behauptung, dass wir es gerne hätten, wenn Herr Rodschenkov nicht verfügbar wäre."
    Sicherheit von Rodchenkov stark gefährdet
    Das IOC habe an das russische Olympische Komitee geschrieben, um klarzustellen, dass Herr Rodchenkov als Hinweisgeber Schutz verdient. Das IOC stehe über seine eigenen Anwälte mit den Anwälten von Herrn Rodchenkov in Kontakt und habe zu keiner Zeit einen Dialog abgelehnt.
    Rodchenkovs Anwalt sieht offenbar die Sicherheit seines Mandanten trotz Zeugenschutzprogramms stark gefährdet. Er müsse darüber nachdenken, ob sein Mandant weiterhin seine eigene Sicherheit gefährden solle, um dem IOC Beweise zu liefern:
    "Wenn die Untätigkeit des IOC das ist, was Whistleblower erwarten können, dann sollte kein Whistleblower jemals wieder Informationen über Betrug bei Olympischen Spielen liefern. Hätte ich von der Feigheit des IOC gewusst, hätte ich vielleicht einen anderen Weg eingeschlagen", so Jim Walden, der Anwalt von Whistleblower Gregorij Rodchenkov.
    Das IOC sieht da wohl die Grenze seiner Zuständigkeit erreicht und schreibt: "dass es nicht in seiner Macht steht, Zeugen zu schützen oder sich zu richterlichen Handlungen oder zum Schutz zu äußern, sei es in den Vereinigten Staaten oder in Russland."
    Auspacken oder Schweigen? Whistleblower werden sich in Zukunft wohl eher für Zweiteres entscheiden.