Donnerstag, 25. April 2024

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RWE-Neuaufstellung
"Ein Experiment mit ungewissem Ausgang"

DLF-Energieexperte Günter Hetzke sieht die Neuaufstellung des RWE-Konzerns skeptisch. Der Konzern beginne sich jetzt im Markt der erneuerbaren Energien zu engagieren, der seine Hochzeit eigentlich schon überschritten habe, sagte er im DLF. Nur mit umfangreichen Investitionen könne die neu gegründete Zukunftsgesellschaft von RWE erfolgreich am Markt bestehen.

Günter Hetzke im Gespräch mit Ursula Mense | 01.04.2016
    Ein Windrad des Offshore-Parks Baltic 2 vor der Insel Rügen in der Ostsee.
    Ein Windrad des Offshore-Parks Baltic 2 vor der Insel Rügen in der Ostsee. (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
    Ursula Mense: Zunächst aber zu RWE.
    Dem Energiekonzern, der es eigentlich seinem Konkurrenten EON nicht nachmachen wollte. Was inzwischen Geschichte ist. Denn unter dem Druck der Energiewende gehen beide Konzerne nun ähnliche Wege und lagern aus, was nicht mehr gut läuft.
    Die erneuerbaren Energien aber, die Stromnetze und der Vertrieb, die werden gebündelt in einer sogenannten "Zukunftsgesellschaft".
    Die geht heute an den Start und – so ist es geplant - Ende des Jahres an die Börse.
    Mein Kollege Günter Hetzke ist jetzt bei mir: Herr Hetzke, Sie beobachten schon lange die Entwicklungen um und mit RWE. Wie viel Zukunft ist denn tatsächlich drin in der neuen Gesellschaft?
    Günter Hetzke: Zum einen muss man sehen, dass RWE relativ spät auf den Zug des Wachstumsmarkts der erneuerbaren Energien aufgesprungen ist. Dieser Bereich, also die Energiegewinnung aus Wind- oder Sonnenkraft zum Beispiel, hatte beim Gesamtkonzern RWE im vergangenen Jahr einen Anteil von - über den Daumen - fünf Prozent. Das ist nicht wirklich viel.
    Im Vergleich dazu: Beim Konkurrenten E.ON liegt dieser Anteil – auch wieder bezogen auf den Gesamtkonzern – bereits im zweistelligen Prozentbereich, also bei knapp 15 Prozent. E.ON hat hier also eindeutig die Nase vorn.
    Und es gibt noch einen zweiten Gesichtspunkt: Die Investition in erneuerbare Energien ist ja deshalb durchaus interessant für Energieerzeuger, weil es über einen langen Zeitraum hinweg, eine berechenbare Vergütung gibt, wenn man einen Windpark oder eine Solaranlage betreibt. Aber die Zeit, in der es richtig hohe Gewinne gab, die sind vorbei – als Stromkunde sei als Zwischenruf der Stoßseufzer "Zum Glück" erlaubt.
    Inzwischen kürzt der Gesetzgeber die Vergütungen Jahr für Jahr. Das heißt, RWE beginnt sich in einem Markt zu engagieren, der seine Hochzeit eigentlich schon überschritten hat.
    "Für Investoren kann sich das durchaus rechnen"
    Mense: RWE braucht Geld, schon allein für den Rückbau der demnächst abgeschalteten Atomkraftwerke. Das heißt: Man hofft auf starke Investoren? Und wenn ja, wer könnte das sein?
    Hetzke: Auch wenn die Goldgräberstimmung vorbei ist, es ist immer noch attraktiv, hier zu investieren, denn noch zumindest kann sich die gesetzlich festgelegte Vergütung sehen lassen. Nehmen wir als Beispiel den Windpark bei Bedburg, den größten im Bundesland Nordrhein-Westfalen, der vor gut einem Monat eröffnet wurde – da gibt es derzeit immer noch knapp neun Cent für die Kilowattstunde als Garantievergütung und damit mehr als doppelt so viel wie sonst. Also, für Investoren kann sich das rechnen, auch wenn ja zunächst einmal überhaupt nur zehn Prozent der Anteile der neuen Tochter an die Börse gebracht werden sollen.
    Das ist ja alles noch Zukunftsmusik. Es gibt ja noch nicht einmal einen richtigen Namen für die Gesellschaft, die übergangsweise "RWE International SE" heißt. Und eine mögliche Investorengruppe, um ihre Frage zu beantworten, das kann zum Beispiel die Versicherungsbranche sein, die ja auf der Suche nach lukrativen Anlagemöglichkeiten ist - angesichts der Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank – und die ja auch jetzt schon sehr aktiv in diesem Bereich ist.
    "Ich würde das gar nicht so kleinreden"
    Mense: Was passiert mit dem übrig geblieben Rest-Konzern? Interessiert sich dafür noch irgendwer?
    Hetzke: Ich würde das gar nicht so kleinreden. RWE erzeugt ja gut die Hälfte seines Stroms aus Kohlekraftwerken. Und ich vermute mal, die wirtschaftlichen und politischen Beharrungskräfte sind so ausgeprägt, dass uns die Energiegewinnung aus Kohle noch sehr lange erhalten bleibt. Gas sowieso. Und die neue Tochter bleibt ja mehrheitlich in den Händen des alten RWE-Mutterkonzerns.
    Also, von Rest im Sinne von Restposten kann gar keine Rede sein. Die alte RWE bleibt noch eine Größe auf dem Energiemarkt, wenn auch mit der Altlast Atomkraftwerke am Bein.
    Mense: Angekündigt wurde die Aufspaltung des Konzerns - ähnlich ja wie bei Metro – als Befreiungsschlag. Ist das alles wirklich so risikolos, wie es vermitteln soll?
    Hetzke: Nein, das ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Was die alte RWE betrifft: Die Großkraftwerke arbeiten derzeit kaum noch rentabel. Es wird mehr Strom erzeugt, als gebraucht wird, sodass der Preis im Keller ist.
    Und wenn sich das nicht ändert, bleibt es ungemütlich für RWE. Und bei der neuen Tochter, da müsste ja ordentlich investiert werden. Nur, bislang jedenfalls ist davon nicht wirklich was zu sehen. Von rund einer Milliarde Euro für den Zeitraum von drei Jahren ist die Rede. Beim Rivalen E.ON ist das in etwa die Summe, die pro Jahr investiert wird. Also, hier müssen wir noch abwarten, welchen Weg "RWE International" letztendlich einschlägt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.