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Sachsen-Anhalt
Zoff um grüne Landwirtschaftsministerin

Vor zwei Monaten bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt bekam keine Partei einen klaren Regierungsauftrag, weshalb es zu einer schwarz-rot-grünen Koalition kam. Dass die Grünen das Umwelt- und Landwirtschaftsressort bekommen haben, sehen viele Landwirte als Problem.

Von Christoph Richter | 13.05.2016
    Die neue Landesregierung von Sachsen-Anhalt vor der Staatskanzlei in Magdeburg am 25.04.2016.
    Die neue Landesregierung von Sachsen-Anhalt vor der Staatskanzlei in Magdeburg. (picture alliance / dpa / Jens Wolf)
    "Ich sehe es nicht ein, dass ein Ministerium das sehr gut geführt war, jetzt eine Partei bekommt, die es gerade mal mit etwas mehr als fünf Prozent in den Landtag geschafft hat. Eine Partei, die in Sachsen-Anhalt und woanders, nicht in der Lage ist für uns Landwirte tätig zu sein."
    Landwirt Manfred Wesche aus der Börde ist in Aufruhr. Weil kein CDU-Mann, sondern die grüne Landespolitikerin Claudia Dalbert, die sich bisher keinen Namen in der Agrarpolitik gemacht hat, Landwirtschaftsministerin in Sachsen-Anhalt geworden ist. Bereits Tage vor der Regierungsbildung haben hunderte – hauptsächlich aus dem konservativen Milieu stammende - Bauern und Waldbesitzer lautstark gegen die grüne Ministerin demonstriert. Ein Ressort, das im landwirtschaftlich geprägten Sachsen-Anhalt bisher traditionell von der Union besetzt wurde.
    "Dass ist etwas, was ich nicht auf dem Zettel hatte, dass offensichtlich signifikante bis sehr große Teile der CDU nicht hinter dem Kenia-Modell stehen."
    So klang es bei der neuen Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert von Bündnis 90/Die Grünen während der Koalitionsverhandlungen.
    Zankapfel Ökolandbau
    Insbesondere ein Punkt im Koalitionsvertrag sorgt für Diskussion: der Ökolandbau. Den will man von heute fünf auf 20 Prozent steigern. Gerade die konventionell arbeitende Landwirte sehen darin ein Fingerzeig der Grünen. Die sie im Verdacht haben, dass EU-Agrar-Subventionssystem radikal umbauen zu wollen. Sachsen-Anhalts Bauern befürchten, dass die Gelder künftig vermehrt nur noch in den Ökolandbau fließen sollen.
    Weitere Eckpunkte des bundesweit ersten schwarz-rot-grünen Koalitionsvertrages: Man will den Verkauf von Ackerboden stärker als bisher regulieren. Agrar-Investoren soll der Zugriff erschwert, das Tierwohl verbessert werden. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu wörtlich: "Wir werden den landesweit einheitlichen Verwaltungsvollzug sicherstellen, der tierärztlichen Beratung ein höheres Gewicht geben." Hintergrund sind die teils gravierenden Verstöße großer Schweinezüchter gegen die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung.
    Auf Bundesebene will man sich für die Lebensmittelkennzeichnung bei der Verwendung gentechnisch veränderter Substanzen einsetzen. Im Forstbereich haben sich Befürchtungen der Waldbesitzer nicht bestätigt, denn Wälder sollen weiter als Holzlieferant dienen, werden nicht zu reinen Naturschutzgebieten ausgewiesen. Deutlich wird nicht, wie der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gesehen wird, den die Grünen im Land in den letzten Jahren sehr deutlich kritisiert haben.
    Große Differenzen zeigten sich
    Letztlich zeigt sich am Umgang der Union mit den Grünen im Land, dass in den Bereichen der Landwirtschaft und Umwelt große Differenzen existieren. Die Arbeit der Landwirtschaftsministerin sie könnte zur Sollbruchstelle der Kenia-Koalition werden.
    Um sich dahingehend die Arbeit zu erleichtern, hat sich die habilitierte Psychologin und neue Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert zwei ausgewiesene Landwirtschafts-Experten als Staatssekretäre an die Seite geholt. Klaus Rheda, den früheren Präsidenten des Landesumweltamtes sowie den promovierten Landwirt Ralf-Peter Weber. Zwei kommunikative Persönlichkeiten, die den durchaus ruppigen Ton der Landwirte kennen und gewohnt sind. Damit reicht Dalbert den Bauern die Hand. Ein durchaus kluger Schachzug, sagen selbst Stimmen in der Union.