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Koalitionsgespräche in Rheinland-Pfalz
Die FDP als Königsmacher?

Nach der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz steht für Sozialdemokraten und Grüne fest: Sie wollen mit der FDP eine Ampel-Koalition aushandeln. Schon zwei Mal haben Vertreter der drei Parteien über eine mögliche Zusammenarbeit gesprochen. Der Landesvorstand der FDP entscheidet am kommenden Dienstag, ob die ersten atmosphärischen Gespräche in eine Sondierung oder gar Koalitionsverhandlungen übergehen.

Von Anke Petermann | 24.03.2016
    Volker Wissing, Spitzenkandidat der FDP für den rheinland-pfälzischen Landtagswahlkampf, tritt in Koblenz (Rheinland-Pfalz) beim offiziellen Wahlkampfauftakt auf. Sein Schatten ist auf der Hintergrundwand zu sehen.
    Der rheinland-pfälzische FDP-Landes- und Fraktionschef Volker Wissing (hier ist sein Schatten zu sehen) hält sich derzeit bedeckt, was Koalitionsverhandlungen angeht. (Thomas Frey, dpa picture-alliance)
    Narzissen verteilten die Liberalen im Wahlkampf. Die gelben Frühlingsblumen waren es aber nicht, die das Ehepaar Bartkowiak an den Mainzer Wahlkampfstand der FDP zogen.
    "Wir legen Wert auf einen vernünftigen Ausbau der Infrastruktur, von dem wir meinen, dass der in Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren vernachlässigt wurde, und da haben wir bei der FDP eigentlich die vernünftigsten Antworten bekommen."
    Sechsspuriger Ausbau der Autobahn Mainz-Wiesbaden und zusätzliche Brücken über den Rhein – Forderungen, die den Steuerberater überzeugen.
    Die Grünen und die FDP warem lange in tiefster Abneigung verbunden
    "Es gibt andere Parteien, die interessieren sich da nicht so sehr für, beispielsweise die Grünen, die haben wohl andere Prioritäten, die sich nicht mit unseren decken."
    Die Grünen und die Liberalen – lange in tiefster Abneigung verbunden. "Klientelpartei" und "Körnerfresser", so schimpften sie übereinander. Vor allem Ältere erkennen keine programmatischen Schnittmengen. 15 Jahre, bis 2006, regierte die rheinland-pfälzische FDP mit der SPD – als erfolgreiche Ära ist Rot-Gelb im kollektiven Gedächtnis von Genossen und Liberalen gespeichert. Eine Ampel aber galt bis Kurzem als unmöglich, selbst wenn der liberale Parteichef Volker Wissing sie nie ausgeschlossen hatte. Ist der Abstand zu den Grünen immer noch so unüberwindbar wie zu Zeiten des langjährigen FDP-Landesvorsitzenden und Wirtschaftsministers Rainer Brüderle?
    Für ein Gespräch darüber schlagen drei junge Liberale ein alternativ angehauchtes Lokal auf dem Mainzer Uni-Campus vor. Alle Menüs haben hier vegetarisch-vegane Varianten, einen Veggie-Day aber gibt es nicht. Den hatten die Grünen im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 gefordert und damit bei vielen Liberalen das Image der "Bevormundungspartei" verfestigt. Doch gerade die Jüngeren haben sich von den Stereotypen verabschiedet.
    "Wir haben mit den Grünen durchaus immer mal wieder Gemeinsamkeiten."
    Hebt der Jura-Student Linus Junginger hervor. Sein Kommilitone und Parteifreund Friedrich Sartorius nennt die Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung und das Plädoyer für die Freigabe des Haschisch-Rauchens, das die FDP im vergangenen Jahr beschloss. Junginger nickt dazu.
    Die neue FDP-Fraktion muss sich erst mal finden
    "Gerade im Bereich der Bürgerrechte, der gesellschaftlichen Liberalität, gibt es Dinge, wo wir auf jeden Fall zusammenfinden könnten. Ob es jetzt am Ende reicht, eine Koalition zu bilden, das ist dann die Frage. Aber man kann ja, bevor man sich solche Begriffe an den Kopf wirft wie "neoliberal, marktradikal" oder "Ökofaschisten" auf der anderen Seite, kann man ja durchaus erstmal gucken, auf welcher Grundlage man miteinander reden kann. Da sind Sondierungsgespräche natürlich ein erster Schritt."
    Einig sind sich die potenziellen Ampel-Koalitionäre zumindest darüber, dass die rheinland-pfälzischen Kitas gebührenfrei bleiben sollen. Dennoch scheint das Zueinanderfinden ein zäher Prozess zu sein. Dabei hatte sich die SPD vor anderthalb Wochen schon für Ampel-Verhandlungen ausgesprochen, Ende Vergangener Woche zogen die Grünen nach. Warum die FDP bis nach Ostern braucht, um über den Fortgang der Gespräche zu entscheiden, erklärt sich Michael Ziegler, Vorsitzender des FDP-Ortsverbands Mainz-Mombach, so.
    "SPD und Grüne haben jetzt fünf Jahre zusammengearbeitet. Und das ist dann natürlich auch eine Gefahr, als Dritter irgendwie in ein Dreierbündnis dazu zu kommen, da muss man schon irgendwie gucken, wie findet man da seine Rolle in eingespielten Strukturen, da braucht es einfach Zeit."
    Zumal sich auch die neue siebenköpfige FDP-Fraktion erst mal finden müsse. Ziegler ist in der Dreierrunde Jungliberaler derjenige, der fürs hohe Pokern plädiert. Vom Autobahn-Ausbau im Mainzer Naturschutzgebiet, von der Rheinbrücke durchs UNESCO-Weltkulturerbe Mittelrhein dürfe die FDP nicht abrücken. Selbstaufgabe in einer Koalition – das ist das Trauma, das seine Partei zwischen 2009 und 2013 auf Bundesebene an der Seite der Union durchlebt hat. Die Lektion daraus: Hart verhandeln und Kernanliegen detailliert im Koalitionsvertrag festschreiben. Sonst: Lieber in die Opposition, da sind sich die drei Jungliberalen einig. Doch sie wissen, dass auch geschwächte Grüne sich nicht so klein machen lassen, dass sie drei zusätzliche Rheinbrücken nebst Moratorium für Windräder und landwirtschaftliche Ökoförderung schlucken. Am Ende kommt es auf einen guten Kompromiss an, bei dem keiner düpiert wird, glauben die drei Jungliberalen. Den zu moderieren, wäre die Aufgabe von Malu Dreyer.
    Was Wissing in Zukuft macht, steht wohl erst in zwei Monaten fest
    "Ich würde ihr das zutrauen",
    bekennt der angehende Jurist Linus Junginger mit Blick auf die ehemalige Staatsanwältin.
    "Ich denke, dass sie weiß, worauf es da ankommt, und dass sie die Gespräche unter diesem Aspekt führen wird."
    Und dann kommt noch ein Jurist ins Spiel. Volker Wissing, Anwalt und FDP-Landeschef. Er müsste eine Ampel mit aushandeln und vor allem die Grünen-Skeptiker in seiner Partei davon überzeugen, dass die Ökos verlässliche Koalitionspartner sein könnten.
    "Ja, das kann der auf jeden Fall." Glaubt Linus Junginger.
    "Es kommt halt aufs Ergebnis an. Ich vertrau‘ da eigentlich sowohl auf sein Verhandlungsgeschick, als auch auf sein Gespür dafür, welches Ergebnis die Partei akzeptiert und welches nicht."
    "Der macht den Haushalt", hatte die FDP auf den grellen Wahlplakaten mit Blick auf ihren Finanz-Experten Volker Wissing versprochen. Ob er ihn als Finanzminister in einer Ampel tatsächlich für Malu Dreyer macht, ihn als Wirtschaftsminister mit gestaltet oder ihn aus der Opposition heraus kritisiert – das allerdings steht wohl erst in knapp zwei Monaten fest.