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Sängerin Yasmine Hamdan
Die Schönen sind die Unvollkommenen

Die libanesische Sängerin Yasmine Hamdan kombiniert arabische Texte mit Sounds aus aller Welt. Ihr zweites Album "Al Jamilat" ist eine Reise in unterschiedliche Kulturen.

Von Anke Behlert | 11.03.2017
    Sängerin Yasmine Hamdan
    Die libanesische Sängerin Yasmine Hamdan beim Sziget Festival in Budapest (picture alliance / dpa / Foto: Balazs Mohai)
    In einer Szene des Jim Jarmusch-Films "Only Lovers Left Alive" sehen die beiden Charaktere Adam und Eve zufällig den Auftritt einer libanesischen Sängerin in einem Club in Tanger. Sie wirft ihre langen Haare in den Nacken, windet sich sinnlich um den Mikrofonständer und singt mit geschlossenen Augen, ist ganz in den Song versunken. Die Sängerin ist Yasmine Hamdan und ihr Stück "Hal" aus dem Film stand immerhin auf der Longlist der Oskar-Nominierungen. Aber egal ob im Film oder bei einem Clubkonzert, wenn Yasmine Hamdan singt, tut sie das immer mit viel Leidenschaft.
    "Als ich anfing Songs zu schreiben, habe ich gleichzeitig arabische Musik aus den 30er- und 40er-Jahren für mich entdeckt. Ich hatte vorher auch auf Englisch gesungen, aber dann nur noch auf Arabisch. Zu dem Zeitpunkt war das überhaupt nicht angesagt. Und eigentlich braucht man dafür auch eine gute Gesangstechnik. Aber ich hatte davon keine Ahnung und habe einfach all meine Gefühle in meinen Gesang gelegt. Ich fand das sehr spannend und Englisch singen ja schon viele andere, die das auch besser können als ich."
    Yasmine Hamdan wurde 1976 in Beirut geboren, ist dann in Dubai, Kuwait und Griechenland aufgewachsen, bevor die Familie Ende der 90er wieder nach Beirut zog. Dort gründete Hamdan die Band Soap Kills, eine der ersten Indie-Elektrobands im Nahen Osten überhaupt. Seit 2002 lebt sie in Paris, hat dort unter anderem mit dem Madonna-Produzenten Mirwais zusammengearbeitet. 2013 ist ihr erstes Soloalbum "Ya Nass" erschienen. Darauf singt sie in verschiedenen arabischen Dialekten aus dem Libanon, Ägypten und Palästina. Dass ein europäisches Publikum diese Feinheiten nicht unbedingt versteht, ist für sie kein Problem.
    "Für mich war Musik immer universell, ohne Grenzen. Ich höre Musik aus der ganzen Welt und finde es nicht schlimm, wenn ich den Text nicht verstehe. Im Gegenteil, das würde nur meine Fantasie einschränken. Ich konzentriere mich lieber auf das Gefühl in einem Song. Es gibt eine pakistanische Sängerin, die ich vor ein paar Jahren zufällig entdeckt habe. Sie heißt Abida Parveen und ich höre regelmäßig ihre CDs. Ich hab keine Ahnung, wovon sie singt, aber das ist in Ordnung. So hat die Musik auch etwas Geheimnisvolles."
    Nomadische Musik: Elektrobeats, Bollywood- und griechische Bouzouki-Sounds
    Ihr neues Album "Al Jamilat" entstand unterwegs, Hamdan hat die Stücke in Zügen, im Flugzeug oder in Hotelzimmern geschrieben. Nomadisch ist auch die Musik: westliche Elektrobeats, Gitarrenriffs, die an den Wüstenblues der Tuareg erinnern, griechische Bouzouki-Sounds und Streicherarrangements wie aus einem Bollywood-Film.
    Yasmine Hamdan singt von Beziehungen, Liebe, Täuschung und Rebellion. Die weiblichen Charaktere in ihren Songs sind meist ambivalent: gleichzeitig stark und zerbrechlich, mutig und zögerlich. Die Texte haben immer auch eine politische Dimension, denn mit ihrem Hintergrund lässt sich das gar nicht vermeiden, sagt sie.
    "In unserer heutigen Welt ist es fast unmöglich, keine Meinung zu den aktuellen Geschehnissen zu haben. Erst recht für jemanden mit meiner Geschichte. Ich habe Kriege gesehen und andere schlimme Dinge. Das wirft Fragen auf, man versucht zu verstehen. Diese Erfahrungen lasse ich in meine Texte einfließen, aber eher subtil. Die Sachen, die wir in den Nachrichten sehen, betreffen mich ganz persönlich, sie sind Teil meiner Welt. Also sind sie auch Teil meiner Songs."
    Der Titelsong "Al Jamilat" basiert auf einem Gedicht des palästinensischen Schriftstellers Mahmoud Darwisch. Er bedeutet "Die Schönen" und damit sind wir alle gemeint.
    "Die Schönen sind die Unvollkommenen. Das Gedicht ist voller wunderbarer Bilder und Metaphern, es ist zärtlich und verspielt. Er sagt zum Beispiel: Die Schönen sind die Großen, die Schönen sind die Kleinen. Es geht um Gegensätze, um Vielfalt. Wir sind alle komplex und keiner ist perfekt."
    Yasmine Hamdan und ihre Musik sind der lebende Beweis dafür, dass kulturelle Vielfalt und eine von vielen unterschiedlichen Einflüssen geprägte Identität eine großartige Sache sein können. Damit kommt sie gerade zur richtigen Zeit.
    Tourdaten in Deutschland: 04.05.2017 Columbia Theater Berlin, 05.05. Mojo Club Hamburg, 07.05. Werk 2 Leipzig, 09.05. Gloria Theater Köln, 10.05. Batschkapp Frankfurt, 11.05. 2017 Freiheiz München