Archiv


Safety first

Nord und Süd rücken einander durch den Lötschberg Basistunnel näher. Die knapp 35 Kilometer lange Röhre verbindet das Berner Oberland mit dem Kanton Wallis und wird von den Betreibern als der modernste und sicherste Tunnel seiner Art gepriesen. Aber Sicherheit kann nur garantieren, wer auch auf den Ernstfall gut vorbereitet ist. In drei groß angelegten Rettungsübungen wird ein solcher in diesen Wochen geprobt. Ein Bericht von Regula Saner.

    Heute führt der Zug noch über die Berge in den Süden, welche hinter den Geleisen des Bahnhofs Spiez schneebedeckt in den Himmel ragen. 600 Höhenmeter muss die Bahn vom Berner Oberland bis ins Wallis überwinden. Die Fahrt durch die prachtvolle Landschaft ist zwar ein Erlebnis, aber auch zeitraubend. Und so haben die Schweizer Tunnelbauer mit der ersten Alpen querenden Flachbahn Europas eine eindrucksvolle Alternative geschaffen. Ganz profan, durch ein riesiges Loch am Fuße des Lötschbergs, kommt man künftig auf direktem Weg in den Süden. Dass diese Fahrt durch das alpine Erdreich aber nicht zum Alptraum wird, dafür sorgt Walter Zumkehr. Er beschäftigt sich seit 14 Jahren mit Sicherheitsfragen bei der Bahngesellschaft BLS AG. Als Leiter der Ereignisdienste der Tunnelbetreiberin ist Walter Zumkehr auch für die Bewältigung von möglichen Unfällen im Lötschberg Basistunnel zuständig. Dem vielleicht sichersten Tunnel seiner Art, wie er grundsätzlich bestätigt:

    "Im Gegensatz zu heutigen Tunnels noch, die ja zum Teil recht alt sind, aus den Jahren 1910 und so, dort hatte man keine Lüftung, keine Beleuchtung keine Gehwege, keinen Handlauf. Das haben wir alles hier drin. Wir haben zudem immer zwei Röhren. Man kann vom havarierten Zug immer in einen geschützten Bereich gelangen. '"

    Was über so genannte Querschläge möglich ist. Alle 330 Meter eröffnet sich dem Reisenden ein rettender Ausgang in die zweite Röhre. 1200 Meter tief im Berg liegt zudem eine von zwei Nothaltestellen. Die allerdings hoffentlich nie gebraucht werden, wie Walter Zumkehr nachdenklich meint. Sein Horrorszenario:

    "Also ein Brand von einem Reisezug, mit sehr vielen Reisenden und vielleicht noch ein Brand an zwei Orten vom Zug, das wäre ganz sicher der schlimmste Fall."

    Erinnerungen an den dramatischen Seilbahnbrand im österreichischen Kaprun aber auch die verheerenden Brände in den Straßentunnels Montblanc, Gotthard und Tauern werden wach. Aus diesen Unfällen haben die Tunnelbauer jedoch gelernt, meint Walter Zumkehr:

    "Im Unterschied zu anderen Tunnels haben wir einen markanten Unterschied. Gehen wir davon aus, dass ja die meisten Tunnel aus zwei Gleisen bestehen, hier haben wir zwei Gleise in zwei getrennten Tunnelröhren. Also eine Kollision können wir ausschließen, oder irgendein Profilproblem von einem anderen Zug."

    Dennoch kann sich auch ein einzelner Zug in ein brennendes Ungeheuer verwandeln, was es unter allen Umständen zu verhindern gilt:

    "Wir haben zum Beispiel einen Zug, der irgendeine Bremsstörung hat auf dem Weg nach Frutigen. Der wird vor dem Basistunnel detektiert. Die Detektionseinrichtungen messen die Temperaturen der Achsen und Räder, und falls ein Grenzwert überschritten wird, wird man den Zug vor Frutigen stoppen."

    Nur dank solchen Vorkehrungen kann das Schlimmste im Tunnel verhindert werden. Denn künftig rasen täglich 30 Intercity- und 12 Cisalpino-Personenzüge mit bis zu 250 Stunden-Kilometern durch den Tunnel. Im Weiteren sind 70 Güterzüge eingeplant. Diese hohe Belastung des Tunnels erfordert ein besonders ausgeklügeltes Sicherheitssystem. So ist die zweite Tunnelröhre mit Zügen aber auch mit Groß- und Klein-Bussen befahrbar, um in Not geratene Reisende zu evakuieren. Dabei kann der Leiter der Ereignisdienste, Walter Zumkehr, auf 150 speziell ausgebildete Rettungskräfte und zwei eigens für den Lötschberg Basistunnel konstruierte Lösch- und Rettungszüge zählen.
    Unfälle in Eisenbahntunnels kommen zwar relativ selten vor. Den letzten Unfall mit Todesfolge gab es Im Tunnelland Schweiz vor fast vierzig Jahren. Aber die Kritik eines Schweizer Bundespolitikers, man habe zuviel Geld für die Sicherheit ausgegeben, weist Walter Zumkehr energisch zurück.

    "Kein Aufwand zu groß. Wenn wir die Leute befragen, oder in Gesprächen, da hört man, ja, man fühlt, dass eigentlich kein Aufwand zu groß ist, um ein Menschenleben zu retten."