Entsprechend den regionalen Gepflogenheiten ließ er ebenfalls Oppositionelle und Systemkritiker hinrichten (unter ihnen Johannes den Täufer, auch Jochanaan genannt). Der Märtyrer avancierte zum Herold der christlichen Religion und erreichte schließlich auch Oscar Wildes Salome als Drohung und Verheißung – theologisch wie erotisch. Sympathisch wird der gläubige Fanatiker durch die Musik von Richard Strauss in der Regel nicht. Alvas Svilpa schafft es in Essen freilich, sich durch mit wohldosierter Stimmkraft zum Sympathieträger zu mausern.
Tilman Knabe führt ihn als höchst ambivalente Figur vor: durchaus im Sinne der Erfinder des Stücks nähert sich Salome dem Gefangenen in der Zisterne, lockt ihn dann – und die Wachen lassen es geschehen – in ihre Tür, wo der gutgebaute Prophet sie auf den kommenden Erlöser verweist; er tritt von hinten an die schöne junge Frau heran, hilft ihr Beten und – eben hatte er noch ihre Sexualgewohnheiten scharf angeprangert – nutzt in Sekundenschnelle ihren Gunsterweis, um sie gleich anschließend wieder lauthals als Hure zu schmähen und in professionelle Propheten-Litanei zu verfallen. So wurde die feine Ambivalenz im Gemüte des Propheten drastisch überpointiert.
Herodes Antipas hat in Wildes Salome die Schlüsselfunktion inne. Am Aalto-Theater gibt Rainer Maria Röhr den altersgeilen morgenländischen Monarchen, ziemlich vergesslich bereits, feinsinnig und brutal, genusssüchtig und doch mit hellwachen Instinkten. Selbstverständlich geht es in Knabes Inszenierung halbwegs zu wie bei westlichen Royals heute und nicht wie im alten Orient: Herodes agiert gebührend dekadent in Smoking-Hose und mit festlicher Fliege, hantiert dabei allzu theatralisch mit dem dicken Mantel, der eigentlich Herr der Szene zu sein scheint. Zur Herrin schwingt sich die Schlange auf: Ein Double tritt zum "Tanz der sieben Schleier" an die Stelle der singenden Prinzessin und führt mit ruhigem Hals das Züngeln einer leibhaftigen Boa constrictor vor. Im Hintergrund allerdings geht es wüst und nackt und blutig zu (geht also einer der unseligen Regietheater-Orgien und -Metzeleien vonstatten).
Dann aber nimmt die Sopranistin Francesca Patané mit ihrer energischen, mitunter scharfen, aber nicht immer zielsicheren Stimme die Zügel wieder in die Hand. Fordert, während Mutter Herodias sie mit der Beretta in Schach hält, den ungeheuren Lohn; erhält ihn nach viel Widerstreben vom Tetrachen; erfüllt sich den lange gehegten Wunsch, den Mund des Propheten zu küssen – nähert sich also dem vom Rumpf getrennten Kopf mit Müh' und Not. Doch, schau an, die Arme war tot!
Herodes muss noch, auf dass das Stück erfüllet würde, sein finales Kommando loswerden: "Man töte dieses Weib". Er ruft es. Doch die Vollstreckung ist hinfällig. Also ersticht der Despot die "eigentliche" Übeltäterin, die Gattin und Mutter Herodias.
Zur ziemlich grobschlächtig gestalteten Tonspur passt in Essen die Bühnen-Architektur. Die Palast-Terrasse zeigt sich als Wirtschaftshof eines heutigen Hotel-Palastes: stumpfe Oberlichter, Wasserspuren an den Betonplatten. Alles verbaut zwischen der Bude des Propheten und dem goldgerahmten Fenster, das als Spolie den Baukörper schmückt und Salome als Bühne ihrer Selbstinszenierung dient. Vor dem goldenen Loch aber sitzt, lange unbeweglich, ein nackter Neger, das Schwert zwischen den Knien. Während der dann in Erfüllung der Herodias-Wünsche seines Amtes waltet, entrückt die verwinkelte Hinterhoff-Architektur und hinterlässt Salome auf einer intensiv gelben Bühne: eingeschlossen in jenem goldenen Gefängnis, in das man zuvor durch die antike Fensteröffnung Einblick nahm. Dieser Perspektivwechsel war wirklich klug gedacht.
Tilman Knabe führt ihn als höchst ambivalente Figur vor: durchaus im Sinne der Erfinder des Stücks nähert sich Salome dem Gefangenen in der Zisterne, lockt ihn dann – und die Wachen lassen es geschehen – in ihre Tür, wo der gutgebaute Prophet sie auf den kommenden Erlöser verweist; er tritt von hinten an die schöne junge Frau heran, hilft ihr Beten und – eben hatte er noch ihre Sexualgewohnheiten scharf angeprangert – nutzt in Sekundenschnelle ihren Gunsterweis, um sie gleich anschließend wieder lauthals als Hure zu schmähen und in professionelle Propheten-Litanei zu verfallen. So wurde die feine Ambivalenz im Gemüte des Propheten drastisch überpointiert.
Herodes Antipas hat in Wildes Salome die Schlüsselfunktion inne. Am Aalto-Theater gibt Rainer Maria Röhr den altersgeilen morgenländischen Monarchen, ziemlich vergesslich bereits, feinsinnig und brutal, genusssüchtig und doch mit hellwachen Instinkten. Selbstverständlich geht es in Knabes Inszenierung halbwegs zu wie bei westlichen Royals heute und nicht wie im alten Orient: Herodes agiert gebührend dekadent in Smoking-Hose und mit festlicher Fliege, hantiert dabei allzu theatralisch mit dem dicken Mantel, der eigentlich Herr der Szene zu sein scheint. Zur Herrin schwingt sich die Schlange auf: Ein Double tritt zum "Tanz der sieben Schleier" an die Stelle der singenden Prinzessin und führt mit ruhigem Hals das Züngeln einer leibhaftigen Boa constrictor vor. Im Hintergrund allerdings geht es wüst und nackt und blutig zu (geht also einer der unseligen Regietheater-Orgien und -Metzeleien vonstatten).
Dann aber nimmt die Sopranistin Francesca Patané mit ihrer energischen, mitunter scharfen, aber nicht immer zielsicheren Stimme die Zügel wieder in die Hand. Fordert, während Mutter Herodias sie mit der Beretta in Schach hält, den ungeheuren Lohn; erhält ihn nach viel Widerstreben vom Tetrachen; erfüllt sich den lange gehegten Wunsch, den Mund des Propheten zu küssen – nähert sich also dem vom Rumpf getrennten Kopf mit Müh' und Not. Doch, schau an, die Arme war tot!
Herodes muss noch, auf dass das Stück erfüllet würde, sein finales Kommando loswerden: "Man töte dieses Weib". Er ruft es. Doch die Vollstreckung ist hinfällig. Also ersticht der Despot die "eigentliche" Übeltäterin, die Gattin und Mutter Herodias.
Zur ziemlich grobschlächtig gestalteten Tonspur passt in Essen die Bühnen-Architektur. Die Palast-Terrasse zeigt sich als Wirtschaftshof eines heutigen Hotel-Palastes: stumpfe Oberlichter, Wasserspuren an den Betonplatten. Alles verbaut zwischen der Bude des Propheten und dem goldgerahmten Fenster, das als Spolie den Baukörper schmückt und Salome als Bühne ihrer Selbstinszenierung dient. Vor dem goldenen Loch aber sitzt, lange unbeweglich, ein nackter Neger, das Schwert zwischen den Knien. Während der dann in Erfüllung der Herodias-Wünsche seines Amtes waltet, entrückt die verwinkelte Hinterhoff-Architektur und hinterlässt Salome auf einer intensiv gelben Bühne: eingeschlossen in jenem goldenen Gefängnis, in das man zuvor durch die antike Fensteröffnung Einblick nahm. Dieser Perspektivwechsel war wirklich klug gedacht.