Auch Samuel P. Huntington, Professor in Harvard und Politikberater der Konservativen, hat die lesende Welt schon einmal mit einem politischen Bestseller irritiert, mit seinem Kampf der Kulturen. Huntingtons Thesen vom auf religiösen Gegensätzen beruhenden Kulturkampf, der in einen weiteren Weltkrieg münden könne, findet seither bevorzugt im Propagandafeldzug gegen die muslimische Bedrohung Verwendung. Nun hat Huntington nachgelegt: in 'Who are we?’(Wer sind wir) beschäftigt er sich auf über 500 Seiten mit dem, was er die 'Krise der amerikanischen Identität’ bezeichnet, und richtet seinen Blick auf die Einwanderung und ihre Folgen in den USA.
Ich bin überzeugt, ... dass sich die Amerikaner wieder für die angloprotestantische Kultur und die Traditionen und Werte engagieren sollten, an die amerikanische Bürger aller Rassen, Ethnien und Religionszugehörigkeiten sich über dreieinhalb Jahrhunderte gebunden fühlten. Denn sie waren die Quellen ihrer Freiheit, Einheit und Macht, ihres Wohlstands und ihrer moralischen Führungsposition als einer positiven Kraft in der Welt. Dies ist, wie ich mit aller Deutlichkeit sagen will, ein Argument für die Wichtigkeit der angloprotestantischen Kultur, nicht jedoch für die Wichtigkeit der angloprotestantischen Menschen.
Sein Buch, fast gleichzeitig auf Englisch und Spanisch erschienen, hat vor allem im südlichen Nachbarland bei mexikanischen Intellektuellen scharfe Kritik ausgelöst. Peter B. Schumann hat Huntingstons Buch, das nun auch auf Deutsch vorliegt, gelesen und mit auch bei uns bekannten mexikanischen Schriftstellern über dessen Thesen gesprochen:
Im Jahr 2000 waren 12 Prozent der amerikanischen Gesamtbevölkerung Hispanics. Bis 2040 werden schätzungsweise 40 Prozent Hispanics sein.
Samuel Huntington sieht angesichts dieser denkbaren Entwicklung "die amerikanische Identität" in höchster Gefahr. Er befürchtet die kulturelle Unterwanderung durch den unmittelbaren Nachbarn, denn zwei Drittel dieser Hispanics bzw. Latinos sind heute bereits Mexikaner. Ihre hohe Geburtenrate, ihre mangelnde Assimilierung, fehlende Bildung und geringe Arbeitsbereitschaft würden mit der Zeit "die weißen, angelsächsischen, protestantischen Werte", die Fundamente US-Amerikas, aushöhlen. Außerdem würde diese geballte Macht "die Einheit der Vereinigten Staaten bedrohen", weil sie "territoriale Ansprüche erheben" könnte. Dieser geradezu rassistische Angriff von einem der renommiertesten Politologen und Berater der Bush-Regierung hat zu heftigen Reaktionen im Nachbarland geführt.
Das wäre ja eine ärmliche Idee von der Einheit der Vereinigten Staaten. Sie sind nämlich nicht nur eine weiße, angelsächsische und protestantische Nation, sondern gleichermaßen indio-amerikanisch, afroamerikanisch und hispano-amerikanisch geprägt. Hinzu kommen die europäischen und asiatischen Einflüsse.
Carlos Fuentes, Mexikos berühmter Schriftsteller, ist in beiden Kulturen und Sprachen zu Hause. In seinem literarischen Werk wie in seinen politischen Schriften hat er das zwiespältige Verhältnis beider Länder oft thematisiert.
Wenn Huntington ernsthaft meint, dass die Mexikaner Ansprüche auf Gebiete stellen könnten, die ihnen früher einmal gehörten, dann ist das töricht. Außerdem sind heute die mexikanischen Einwanderer über viele Teile der USA verstreut, es gibt viele verschiedene Zentren: Chicago beispielsweise und Oregon und Boston, also nicht nur den Südwesten, Texas und Kalifornien.
Aber gerade dieses Ausbreitung macht die Mexikaner für Samuel Huntington so verdächtig. Er weist nach – und zumindest an den von ihm benützten Statistiken ist nicht zu rütteln –, dass nie zuvor so viele Menschen aus einem einzelnen Land in die USA gekommen seien und nie zuvor so viele illegal dort lebten.
Die mexikanischen Einwanderer haben stets eine fantastische Fähigkeit der Assimilation bewiesen und ihren Beitrag zur Wirtschaftskraft der USA geleistet. Wenn sie nicht gewisse einfache Arbeiten verrichteten, würden diese überhaupt nicht getan werden. Ich habe immer wieder vorgerechnet: Wenn sie einen Tag lang ihre Hände in die Hosentaschen steckten, dann würde die Wirtschaft der USA zusammenbrechen. Sie geben mehr, als sie erhalten – das mag nur Huntington nicht einsehen. Sie konsumieren mehr und zahlen insgesamt mehr Steuern, als man ihnen an sozialen Leistungen gewährt.
Das lässt sich auch in Zahlen belegen: Mehr als 55 Prozent der Mexikaner, die bereits in der dritten Generation in den Vereinigten Staaten leben, wohnen in den eigenen vier Wänden. In den letzten 15 Jahren ist ihre Kaufkraft um 65 Prozent gestiegen. Aber solche Zahlen ignoriert Huntington. Wenn er sie zur Kenntnis nähme, müsste er nämlich anerkennen, dass die USA selbst das Problem verschärft haben.
Es ist absurd: Sämtliche Restaurants in Kalifornien verlangen nach mexikanischen Kellnern, auch das Küchenpersonal ist mexikanisch. Aber sie arbeiten alle illegal. Das heißt: der Arbeitsbedarf ist da, aber es gibt keine Erlaubnis.
Juan Villoro gehört zu den bemerkenswertesten Schriftstellern der jüngeren Generation. Er hat in den 80er Jahren einige Zeit als Kulturattaché der mexikanischen Botschaft in der DDR gelebt.
Sie müssen einen außerordentlich gefährlichen Weg einschlagen und dabei eine Schandmauer aus Metallplatten überwinden, die im ersten Golfkrieg verwendet wurden... Sie ist völlig ineffizient, soll die Mexikaner nur darauf hinweisen, dass sie hier im Gefängnis landen. Das zeugt von einer völlig gestörten, pervertierten Beziehung zwischen Mexiko und den USA, zwei Ländern, die sich brauchen.
Samuel Huntington sieht auch in der wachsenden Ausbreitung der spanischen Sprache einen "Angriff auf die amerikanische Identität", denn "fast die Hälfte aller Immigranten" – so schreibt er – "spricht eine einzige nicht-englische Sprache", nämlich Spanisch. Bezeichnenderweise hat es der Harvard-Professor unterlassen, ein Kapitel in seinem voluminösen Buch den sog. Chicanos zu widmen und damit der Assimilationsfähigkeit mexikanischer Einwanderer. Generationen von ihnen haben sich seit dem 19. Jahrhundert in den USA etabliert und zum Teil bis zur Unkenntlichkeit angepasst. Carlos Monsivais, Mexicos brillanter Chronist, verweist auf einen weiteren Aspekt.
Ihre Loyalität zu den Vereinigten Staaten von Amerika ist sehr bemerkenswert. Die Statistiken besagen, dass sie sich nicht nur auf Ihre Präsenz in der Armee bezieht – was für mich keinen besonderen Wert darstellt. Aber 30-40 Prozent der Offiziere im Irak sind lateinamerikanischen Ursprungs.
Darunter befand sich auch der inzwischen abgelöste Oberbefehlshaber Sánchez. Doch Huntington schreibt:
Detailliertere Daten lassen bei mexikanischen Immigranten und Amerikanern mexikanischer Abstammung eine schwache Identifikation mit Amerika vermuten.
Der greift weit in die Geschichte der Kolonisierung des Landes zurück, bemüht die "Freiheitswerte" der Verfassung, das sog. amerikanische Credo, und versenkt sich schließlich sogar in die Religion, um die amerikanische Identität zu verteidigen. Denn um nichts anderes geht es der Neuen Rechten in den USA. Huntington ist sich durchaus bewusst, dass die multikulturelle Invasion nicht zu stoppen ist. Deshalb beschwört er die alte Siedler-Mentalität und tritt indirekt für eine 'Festung Amerika' ein, für eine Verfestigung, d.h. "Erneuerung der anglo-protestantischen Kultur". Die Mexikaner sind da wesentlich toleranter. Carlos Monsivais kann dem Streit um Huntingtons Thesen sogar positive Seiten abgewinnen.
Diese rassistische Provokation ist sehr fruchtbar, denn sie erlaubt unseren Gemeinschaften, darüber nachzudenken, wie wichtig es ist, sich zu vereinigen, ein gemeinsames Konzept von sich selbst zu entwickeln, einige der in dem Buch aufgeworfenen Probleme kritisch zu behandeln und nicht so zu tun, als existierten sie nicht.
Die Krise der amerikanischen Identität – so der Untertitel des Buches – beschreibt auch krisenhafte Erscheinungen der in den USA lebenden und oft integrierten Mexikaner.
Huntington verweist auf ein reales Problem: die geringe Präsenz an den Hochschulen. In Los Angeles leben beispielsweise 40 Prozent Mexikaner. Aber von den Studenten an den Universitäten sind bloß 3 bis höchstens 5 Prozent Mexikaner... Die Asiaten haben zumindest in Kalifornien einen viel höheren Anteil. ... Man hat dem Fortschritt im Bildungsbereich viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Deshalb wird bei den Antworten auf Huntington immer öfter die Notwendigkeit der Bildung als familiäre und gesellschaftliche Aufgabe betont.
Das Werk des Harvard-Professors ist ein unglaubliches Produkt: Die nützliche Datenfülle, mit der er hantiert, dient zu nichts anderem als der Verteidigung einer erzkonservativen, religiös verbrämten Ideologie, die in den USA während der Bush-Regierung immer größeren Einfluss gewonnen hat. Im letzten Satz bekennt Huntington, dass diese Streitschrift eigentlich eine Kampfschrift ist.
Die Rolle der Nation und ihre Zukunft in der Welt hängen davon ab, welche Wahl die Amerikaner treffen.
Zu ihnen gehören seit Jahrzehnten Millionen von Hispano-Amerikanern. Carlos Fuentes hat sie gerade in seinem neuesten Werk mit dem Titel Gegen Bush aufgerufen.
Die Phantasien Huntingtons sind Schwarzmalerei, die gewissen Bedürfnissen gewisser Nordamerikaner nach einem zuverlässigen Feind entgegenkommen... Sie sind auch charakteristisch für einen Teil der neuen Rechten in den USA, die chauvinistische Instinkte besitzt, wie sie überall existieren... Wenn die USA eine Demokratie sein wollen, dann brauchen sie "den Anderen". Stellt man ihn infrage, dann wird auch diese Demokratie fragwürdig. Ich hoffe, mit einem Präsidenten Kerry ändert sich das.
Peter B. Schumann war das über Who are we. Die Krise der amerikanischen Identität von Samuel P. Huntington, übersetzt von Helmut Dierlamm und Ursel Schäfer. Es ist im Europaverlag erschienen, hat 507 Seiten und kostet 29.90 Euro.
Ich bin überzeugt, ... dass sich die Amerikaner wieder für die angloprotestantische Kultur und die Traditionen und Werte engagieren sollten, an die amerikanische Bürger aller Rassen, Ethnien und Religionszugehörigkeiten sich über dreieinhalb Jahrhunderte gebunden fühlten. Denn sie waren die Quellen ihrer Freiheit, Einheit und Macht, ihres Wohlstands und ihrer moralischen Führungsposition als einer positiven Kraft in der Welt. Dies ist, wie ich mit aller Deutlichkeit sagen will, ein Argument für die Wichtigkeit der angloprotestantischen Kultur, nicht jedoch für die Wichtigkeit der angloprotestantischen Menschen.
Sein Buch, fast gleichzeitig auf Englisch und Spanisch erschienen, hat vor allem im südlichen Nachbarland bei mexikanischen Intellektuellen scharfe Kritik ausgelöst. Peter B. Schumann hat Huntingstons Buch, das nun auch auf Deutsch vorliegt, gelesen und mit auch bei uns bekannten mexikanischen Schriftstellern über dessen Thesen gesprochen:
Im Jahr 2000 waren 12 Prozent der amerikanischen Gesamtbevölkerung Hispanics. Bis 2040 werden schätzungsweise 40 Prozent Hispanics sein.
Samuel Huntington sieht angesichts dieser denkbaren Entwicklung "die amerikanische Identität" in höchster Gefahr. Er befürchtet die kulturelle Unterwanderung durch den unmittelbaren Nachbarn, denn zwei Drittel dieser Hispanics bzw. Latinos sind heute bereits Mexikaner. Ihre hohe Geburtenrate, ihre mangelnde Assimilierung, fehlende Bildung und geringe Arbeitsbereitschaft würden mit der Zeit "die weißen, angelsächsischen, protestantischen Werte", die Fundamente US-Amerikas, aushöhlen. Außerdem würde diese geballte Macht "die Einheit der Vereinigten Staaten bedrohen", weil sie "territoriale Ansprüche erheben" könnte. Dieser geradezu rassistische Angriff von einem der renommiertesten Politologen und Berater der Bush-Regierung hat zu heftigen Reaktionen im Nachbarland geführt.
Das wäre ja eine ärmliche Idee von der Einheit der Vereinigten Staaten. Sie sind nämlich nicht nur eine weiße, angelsächsische und protestantische Nation, sondern gleichermaßen indio-amerikanisch, afroamerikanisch und hispano-amerikanisch geprägt. Hinzu kommen die europäischen und asiatischen Einflüsse.
Carlos Fuentes, Mexikos berühmter Schriftsteller, ist in beiden Kulturen und Sprachen zu Hause. In seinem literarischen Werk wie in seinen politischen Schriften hat er das zwiespältige Verhältnis beider Länder oft thematisiert.
Wenn Huntington ernsthaft meint, dass die Mexikaner Ansprüche auf Gebiete stellen könnten, die ihnen früher einmal gehörten, dann ist das töricht. Außerdem sind heute die mexikanischen Einwanderer über viele Teile der USA verstreut, es gibt viele verschiedene Zentren: Chicago beispielsweise und Oregon und Boston, also nicht nur den Südwesten, Texas und Kalifornien.
Aber gerade dieses Ausbreitung macht die Mexikaner für Samuel Huntington so verdächtig. Er weist nach – und zumindest an den von ihm benützten Statistiken ist nicht zu rütteln –, dass nie zuvor so viele Menschen aus einem einzelnen Land in die USA gekommen seien und nie zuvor so viele illegal dort lebten.
Die mexikanischen Einwanderer haben stets eine fantastische Fähigkeit der Assimilation bewiesen und ihren Beitrag zur Wirtschaftskraft der USA geleistet. Wenn sie nicht gewisse einfache Arbeiten verrichteten, würden diese überhaupt nicht getan werden. Ich habe immer wieder vorgerechnet: Wenn sie einen Tag lang ihre Hände in die Hosentaschen steckten, dann würde die Wirtschaft der USA zusammenbrechen. Sie geben mehr, als sie erhalten – das mag nur Huntington nicht einsehen. Sie konsumieren mehr und zahlen insgesamt mehr Steuern, als man ihnen an sozialen Leistungen gewährt.
Das lässt sich auch in Zahlen belegen: Mehr als 55 Prozent der Mexikaner, die bereits in der dritten Generation in den Vereinigten Staaten leben, wohnen in den eigenen vier Wänden. In den letzten 15 Jahren ist ihre Kaufkraft um 65 Prozent gestiegen. Aber solche Zahlen ignoriert Huntington. Wenn er sie zur Kenntnis nähme, müsste er nämlich anerkennen, dass die USA selbst das Problem verschärft haben.
Es ist absurd: Sämtliche Restaurants in Kalifornien verlangen nach mexikanischen Kellnern, auch das Küchenpersonal ist mexikanisch. Aber sie arbeiten alle illegal. Das heißt: der Arbeitsbedarf ist da, aber es gibt keine Erlaubnis.
Juan Villoro gehört zu den bemerkenswertesten Schriftstellern der jüngeren Generation. Er hat in den 80er Jahren einige Zeit als Kulturattaché der mexikanischen Botschaft in der DDR gelebt.
Sie müssen einen außerordentlich gefährlichen Weg einschlagen und dabei eine Schandmauer aus Metallplatten überwinden, die im ersten Golfkrieg verwendet wurden... Sie ist völlig ineffizient, soll die Mexikaner nur darauf hinweisen, dass sie hier im Gefängnis landen. Das zeugt von einer völlig gestörten, pervertierten Beziehung zwischen Mexiko und den USA, zwei Ländern, die sich brauchen.
Samuel Huntington sieht auch in der wachsenden Ausbreitung der spanischen Sprache einen "Angriff auf die amerikanische Identität", denn "fast die Hälfte aller Immigranten" – so schreibt er – "spricht eine einzige nicht-englische Sprache", nämlich Spanisch. Bezeichnenderweise hat es der Harvard-Professor unterlassen, ein Kapitel in seinem voluminösen Buch den sog. Chicanos zu widmen und damit der Assimilationsfähigkeit mexikanischer Einwanderer. Generationen von ihnen haben sich seit dem 19. Jahrhundert in den USA etabliert und zum Teil bis zur Unkenntlichkeit angepasst. Carlos Monsivais, Mexicos brillanter Chronist, verweist auf einen weiteren Aspekt.
Ihre Loyalität zu den Vereinigten Staaten von Amerika ist sehr bemerkenswert. Die Statistiken besagen, dass sie sich nicht nur auf Ihre Präsenz in der Armee bezieht – was für mich keinen besonderen Wert darstellt. Aber 30-40 Prozent der Offiziere im Irak sind lateinamerikanischen Ursprungs.
Darunter befand sich auch der inzwischen abgelöste Oberbefehlshaber Sánchez. Doch Huntington schreibt:
Detailliertere Daten lassen bei mexikanischen Immigranten und Amerikanern mexikanischer Abstammung eine schwache Identifikation mit Amerika vermuten.
Der greift weit in die Geschichte der Kolonisierung des Landes zurück, bemüht die "Freiheitswerte" der Verfassung, das sog. amerikanische Credo, und versenkt sich schließlich sogar in die Religion, um die amerikanische Identität zu verteidigen. Denn um nichts anderes geht es der Neuen Rechten in den USA. Huntington ist sich durchaus bewusst, dass die multikulturelle Invasion nicht zu stoppen ist. Deshalb beschwört er die alte Siedler-Mentalität und tritt indirekt für eine 'Festung Amerika' ein, für eine Verfestigung, d.h. "Erneuerung der anglo-protestantischen Kultur". Die Mexikaner sind da wesentlich toleranter. Carlos Monsivais kann dem Streit um Huntingtons Thesen sogar positive Seiten abgewinnen.
Diese rassistische Provokation ist sehr fruchtbar, denn sie erlaubt unseren Gemeinschaften, darüber nachzudenken, wie wichtig es ist, sich zu vereinigen, ein gemeinsames Konzept von sich selbst zu entwickeln, einige der in dem Buch aufgeworfenen Probleme kritisch zu behandeln und nicht so zu tun, als existierten sie nicht.
Die Krise der amerikanischen Identität – so der Untertitel des Buches – beschreibt auch krisenhafte Erscheinungen der in den USA lebenden und oft integrierten Mexikaner.
Huntington verweist auf ein reales Problem: die geringe Präsenz an den Hochschulen. In Los Angeles leben beispielsweise 40 Prozent Mexikaner. Aber von den Studenten an den Universitäten sind bloß 3 bis höchstens 5 Prozent Mexikaner... Die Asiaten haben zumindest in Kalifornien einen viel höheren Anteil. ... Man hat dem Fortschritt im Bildungsbereich viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Deshalb wird bei den Antworten auf Huntington immer öfter die Notwendigkeit der Bildung als familiäre und gesellschaftliche Aufgabe betont.
Das Werk des Harvard-Professors ist ein unglaubliches Produkt: Die nützliche Datenfülle, mit der er hantiert, dient zu nichts anderem als der Verteidigung einer erzkonservativen, religiös verbrämten Ideologie, die in den USA während der Bush-Regierung immer größeren Einfluss gewonnen hat. Im letzten Satz bekennt Huntington, dass diese Streitschrift eigentlich eine Kampfschrift ist.
Die Rolle der Nation und ihre Zukunft in der Welt hängen davon ab, welche Wahl die Amerikaner treffen.
Zu ihnen gehören seit Jahrzehnten Millionen von Hispano-Amerikanern. Carlos Fuentes hat sie gerade in seinem neuesten Werk mit dem Titel Gegen Bush aufgerufen.
Die Phantasien Huntingtons sind Schwarzmalerei, die gewissen Bedürfnissen gewisser Nordamerikaner nach einem zuverlässigen Feind entgegenkommen... Sie sind auch charakteristisch für einen Teil der neuen Rechten in den USA, die chauvinistische Instinkte besitzt, wie sie überall existieren... Wenn die USA eine Demokratie sein wollen, dann brauchen sie "den Anderen". Stellt man ihn infrage, dann wird auch diese Demokratie fragwürdig. Ich hoffe, mit einem Präsidenten Kerry ändert sich das.
Peter B. Schumann war das über Who are we. Die Krise der amerikanischen Identität von Samuel P. Huntington, übersetzt von Helmut Dierlamm und Ursel Schäfer. Es ist im Europaverlag erschienen, hat 507 Seiten und kostet 29.90 Euro.