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Sanierung bei Praktiker gescheitert

Rund 20.000 Mitarbeiter von Praktiker müssen nach der Pleite der Baumarktkette um ihren Arbeitsplatz bangen. Der Vorstand stellte Insolvenzanträge für die Ketten "Praktiker" und "Extra Bau&Hobby". Der Antrag für die Muttergesellschaft Praktiker AG soll spätestens am Freitag folgen.

Von Michael Braun | 11.07.2013
    Mitleid gibt es an der Börse nicht. Als die Aktie von Praktiker heute weiter verkümmerte, um rund 70 Prozent und auf beinahe finale Kurse von etwas mehr als 10 Cent rauschte, da atmeten die Anleger beim Konkurrenten Hornbach auf. Sie hatten in den letzten zwölf Monaten auch bis zu 20 Prozent Kursverlust wegstecken müssen. Aber heute, da ging es aufwärts, und das in der Spitze um acht Prozent. Ein Wettbewerber insolvent, da rochen die Investoren das Fell, das es zu verteilen gab. Die, die mit analytischen Blick auf die Branche geschaut haben, zeigten sich auch emotionslos. Ascan Iredi etwa, ein selbständiger Kapitalmarktexperte, hatte schon länger nicht viel von der Praktiker-Aktie gehalten:

    "Ehrlich gesagt, seit Jahren: Ja. Es ist auch an der Börse das zweite Mal, dass wir im Prinzip beobachten können, dass aus Praktiker leider nicht so richtig etwas wurde."

    Praktiker wurde 1978 im Dunstkreis von Vorgängergesellschaften der Metro gegründet. Die Metro hatte 2002 alle Aktien gekauft und das Unternehmen von der Börse genommen. Dorthin kam es 2005 zurück, als die Metro sich wieder von großen Teilen trennte. Das war zu der Zeit, als die Bundesregierung für das Jahr 2007 eine saftige Mehrwertsteuerhöhung angekündigt hatte. Doch das sei kein Problem. Nichts sei ein Problem, sagte der damalige Vorstandsvorsitzende Wolfgang Werner, der schon damals auf die Preiskarte setzte:

    "Also, wir sind da total optimistisch. Wir haben es geschafft in den Jahren, wenn ich jetzt mal kurz mal reflektiere, in den Jahren 2003, wo wir in Deutschland kein Wachstum hatten, haben wir 10,8 Prozent Plus gemacht. Flächenbereinigt. Im Jahr 2004 noch mal 3,4 Prozent flächenbereinigt. Und wir sehen kein Problem für die Zukunft, weil: Wir sind als preisaggressiver Baufachmarkt der, wo der Kunde weiß, dass er für wenig Geld gute Qualität und viel Ware bekommt."

    Praktiker, das aus dem Saarland nach Hamburg gezogene Unternehmen, hatte zwei große Konkurrenten. Marktführer ist Obi mit Hauptsitz im beschaulichen Wermelskirchen bei Köln. Obi gehört zum Tengelmann-Konzern, schaffte voriges Jahr 6,9 Milliarden Euro Umsatz mit gut 43.000 Mitarbeitern in 590 Märkten. Dem Umsatz nach Zweiter auf dem Markt ist Hornbach mit 3,2 Milliarden Euro Umsatz. Dafür genügen 138 Märkte und gut 13.000 Mitarbeiter. Praktiker war die Nummer drei: drei Milliarden Euro Umsatz, also nur geringfügig weniger als Hornbach. Aber der Personalbestand war mit 17.820 Vollzeitstellen etwa ein Drittel höher als bei Hornbach. Praktiker betrieb auch 430 Filialen, das Dreifache von Hornbach. Doppelt so viele Mitarbeiter, dreimal so viele Märkte - und das bei nahezu gleichem Umsatz, das konnte kaum gut gehen. Ascan Iredi:

    "Mit Billig alleine geht es einfach nicht weiter. Und genau das war das Problem. Das Sortiment war ja auch nicht wirklich gut. Und dann immer mit "billiger" und "noch billiger" zu werben – irgendwie die Kunden trauen der Sache am Ende auch nicht mehr. Und sie wissen, sie bekommen anderswo vielleicht eine bessere Beratung. Da gehen sie lieber dahin. Und wahrscheinlich war man zu groß für genau dieses Segment, was man besetzt hat."

    Nun steht bestenfalls eine Sanierung in der Insolvenz an, vermutlich mit den Standorten, an denen die Wettbewerber auch Interesse hätten. Für den ganzen Konzern gibt es kein erkennbares Interesse.