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Sanierungsfall Schule
"Schulen sind eher Baracken der Bildung"

Der Zustand vieler Schulen in Deutschland sei dramatisch, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Städte- und Gemeindebund, im Dlf. Verantwortlich dafür seien vor allem die Länder. Bei Sanierungen sei nun entscheidend, dass sie langfristig geplant und umgesetzt würden.

07.08.2018
    Blick in der Treppenhaus der Grundschule am «Weißen See» am 23.04.2013 in Berlin
    "Enormer Investitionsrückstand": Der bauliche Zustand vieler Schulen ist miserabel (picture alliance / dpa)
    Stephanie Gebert: Undichte Dächer, bröckelnder Putz, kaputte Heizungen - was Bildung in Deutschland wert ist, lässt sich ganz schön an den Schulgebäuden ablesen. In einigen Schulen gab oder gibt es in den Sommerferien hier und da zwar Sanierungsarbeiten, aber ein Blick auf die Zahlen zeigt, der Sanierungsstau ist massiv. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW beziffert den Rückstand der deutschen Kommunen bei Bildungseinrichtungen auf rund 48 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um 50 Prozent. Gerd Landsberg ist Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Städte- und Gemeindebund, ich grüße Sie!
    Gerd Landsberg: Ja, ich grüß Sie auch!
    Gebert: Was hören Sie von den Bürgermeistern und aus den Stadtverwaltungen, wie dramatisch ist die Situation, in die die Schüler*innen und Lehrkräfte nach den Sommerferien geschickt werden, tatsächlich?
    Landsberg: Das ist schon eine dramatische Situation. Wir haben nach wie vor einen enormen Investitionsrückstand bei den Schulen. Das heißt, viele Schulen sind nach wie vor eher Baracken der Bildung als Kathedralen.
    Auch qualifiziertes Personal fehlt
    Gebert: Sie fordern ja seit Langem mehr Unterstützung von Bund und Ländern. Schauen wir mal nach Nordrhein-Westfalen. Da hatte die Regierung das Programm "Gute Schule 2020" aufgelegt, aber erst die Hälfte des Geldes ist auch abgerufen worden. Wollen die Kommunen nicht, oder woran liegt's?
    Landsberg: Na ja, das ist nicht so ganz einfach. Es beginnt damit, dass sie natürlich das planen müssen. Sie können nicht einfach sagen, ich renoviere jetzt die Schule. Und sie haben, wenn es um Sanierung oder Renovierung geht, natürlich einen ganz engen Zeitkorridor. Eigentlich können sie es nur in den Sommerferien machen. Dann kommt hinzu, dass die Baukonjunktur ja blendend läuft. Es gibt also viele Fälle, gerade bei kleineren Projekten, wo wir das ausschreiben - das müssen wir - und überhaupt keine Angebote bekommen. Weil dann natürlich der Handwerker lieber mit einem Privaten zusammenarbeitet, dem er sagt, komm, das kostet soundso viel, und der sagt, okay, mach das.
    Also wir haben eine schwierige Situation. Und allein der Umstand, dass bei dem Programm "Gute Schule" - erst die Hälfte ist es ja wohl etwa - abgerufen ist, sagt nichts darüber, wie viel schon läuft. Denn das Geld bekommen sie natürlich erst, wenn Sie die Maßnahmen auch durchführen.
    Gebert: Man hört auch immer wieder, dass die Kommunen selbst Probleme haben, weil in den Bauämtern nicht genug Personal sitzt und noch nicht genug Personal da ist. Können Sie das bestätigen?
    Landsberg: Das kann ich bestätigen. Wir haben einen hohen Bedarf an Ingenieuren, Bauingenieuren und Planern. Da konkurrieren wir mit der Privatwirtschaft, und da muss man auch ehrlich sagen: Die Privatwirtschaft zahlt in weiten Bereichen deutlich besser. Das heißt, wir können nur mit den sogenannten weichen Faktoren punkten und sagen, du kannst hier wohnen bleiben, und wir sorgen auch dafür, dass deine Kinder in den Kindergarten kommen und Ähnliches. Über Jahre ist natürlich auch dafür gesorgt worden, dass aufgrund der dramatischen Finanzlage der Kommunen immer mehr Personal abgebaut wurde, auch in diesem Bereich. Und das rächt sich jetzt.
    Gebert: Tatsächlich ist es ja so, dass die Schulsanierung nicht erst seit gestern ein Problem ist. Hätte man da eher umsteuern müssen? Hat man das verschlafen in den Kommunen?
    Landsberg: Eine Kommune kann das eigentlich nicht verschlafen. Es ist ja eine Aufgabe eigentlich der Länder, das zu finanzieren. Wir haben das ja als kommunaler Spitzenverband immer angemahnt, und es hat sehr, sehr lange gedauert, bis das in den Hinterköpfen der Politiker angekommen ist. Das ist es jetzt. Es gibt ja auf der Bundesebene auch die Initiative, das sogenannte Kooperationsverbot aufzuheben. Das heißt, nach der jetzigen Verfassungslage darf der Bund unmittelbar für eine Schule in einer Kommune gar kein Geld geben. Das soll aufgehoben oder gelockert werden. Also das Problem ist erkannt, aber wie bei all diesen Dingen, wenn sie langfristig zu wenig gemacht haben, dann dauert es eben auch sehr lange, bis es besser wird.
    Sanierung und Planung soll bei Kommunen bleiben
    Gebert: Ich würde ganz gerne noch mal auf die Sanierung kommen und die Frage, ob man nicht Kompetenzen abgeben sollte in den Kommunen. Berlin macht das ja teilweise schon, dass die Verantwortung für die Sanierung von Schulbauten an das Land abgegeben wird, in besonders krassen Fällen. Wäre das eine Lösung, dass man sagt, das Land kann da besser investieren, direkt investieren und nimmt den Kommunen einen Teil der Verantwortung erst mal ab?
    Landsberg: Also das hört sich gut an, wird aber in der Praxis nicht funktionieren. Denn die Länder haben genau die gleichen Probleme, denen fehlen auch die Kapazitäten. Es ist sicherlich hilfreich, wenn man in bestimmten Bereichen Musterplanungen macht, wie man eben eine Schule saniert oder eine neue Schule baut. Das ist ja im Prinzip überall das mehr oder weniger gleiche Verfahren. Aber dass die Länder jetzt das besser könnten als die Kommunen vor Ort, das glaube ich nicht. Ich würde eher umgekehrt sagen, man muss natürlich auch die Schulleiter da miteinbinden. Nicht dass sie das selber können, dafür sind die auch nicht ausgebildet. Aber für die Sanierung vor Ort und die Planung, das muss in der kommunalen Hand bleiben. Das macht das Land, die größere Einheit, nicht besser.
    Gebert: Sie haben gerade schon das Kooperationsverbot angesprochen. Das soll etwas aufgeweicht werden bei der Schulsanierung, sodass der Bund finanzieren darf. Das klingt jetzt wie das große Heilsversprechen. Wird dann tatsächlich alles besser?
    Landsberg: Ich hoffe, dass es besser wird. Das Entscheidende ist vor allem das Langfristige. Auch dieses Programm "Gute Schule", das läuft eigentlich nur bis 2020. Wir müssen eben wissen, es gibt auch in fünf, in sechs, in sieben und acht Jahren noch Geld, um die Schule zu sanieren, also diesen Lebenszyklus einer Schule. Das ist ja bei allen öffentlichen Gebäuden, das nicht nur nach dem Motto gehandelt wird: "Jetzt gibt's Geld, jetzt wird schnell was gemacht." Sondern dass man dafür langfristig planen und dann auch umsetzen kann, das ist ganz wichtig.
    Gebert: Und die Bedenken des Landkreistages, dass der Bund damit mehr Kompetenzen in Sachen Bildung an sich reißt, teilen Sie nicht?
    Landsberg: Nein, das teile ich nicht. Es geht ja letztlich um den Fluss von Geldmitteln. Also die Befürchtung des Landkreistages, die sehe ich da nicht.
    Gebert: Mehr finanzielle Hilfe vom Bund, um die maroden Schulen zu sanieren, das wünscht sich Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Vielen Dank fürs Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.