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Schadstoff unter der Haut

Umwelt. - Tattoos haben sich in jüngster Zeit weit verbreitet. Die Tinten, die dabei unter die Haut gespritzt werden, haben den Argwohn von Lebensmittelchemikern erregt. Die Prüfung auf Gesundheitsrisiken hat erstaunliche Ergebnisse erbracht, die jetzt der Jahrestagung der bayerischen Lebensmittelchemiker in Oberschleißheim bei München vorgestellt wurden.

Von Volker Mrasek |
    In den USA trägt inzwischen jeder Vierte eine Tätowierung am Körper. In Deutschland ist es in der Altersgruppe bis 30 ganz ähnlich. Diese Zahlen nannte Michael Vocke jetzt in seinem Vortrag auf der Regionaltagung bayerischer Lebensmittelchemiker in Oberschleißheim bei München. Er selbst gehört nicht zum immer größer werdenden Kreis der Tattoo-Träger ...

    "Meine persönliche Empfehlung für den Verbraucher ist die, daß man sich gut überlegen sollte, ob man sich überhaupt tätowieren läßt. Kommt man aber zu dem Schluss, daß man sich tätowieren läßt, sollte man nach Möglichkeit sich die Tattoo-Farbe zeigen lassen und beim Tätowierer nachfragen, ob diese Tattoo-Farbe der deutschen Rechtsprechung entspricht."

    Vocke arbeitet am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Oberschleißheim. Dort wurden schwarze Tattoo-Farben jetzt genauer analysiert. Die Ergebnisse sind zum Teil erschreckend. Etwa die Hälfte der untersuchten Proben lag über dem zulässigen Höchstwert für Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe. Der Einfachheit spricht man meist von PAK. Viele Vertreter dieser Stoffgruppe gelten als krebserregend. Drei Farben – alle von demselben Hersteller in den USA – erwiesen sich als besonders stark belastet. Sie übertrafen den Grenzwert bis zu 180-fach. Ingrid Neudorfer-Schwarz, auch sie Lebensmittelchemikerin in dem bayerischen Untersuchungsamt:

    "Das geht dann an die zuständige Behörde weiter. Und es wurde für alle drei Produkte für die jeweiligen Chargen natürlich ein europaweiter Rückruf veranlasst."

    Im vergangenen Jahr gab es insgesamt sechs solcher Rückruf-Aktionen über das europäische Schnellwarnsystem RAPEX, wie Michael Vocke auf der Tagung berichtete.

    "Und im Jahr 2013, jetzt eine ganz aktuelle Zahl: vier im RAPEX-System, die überhöhte PAK-, also derart überhöhte PAK-Summengehalte haben, dass sie geeignet sind, die Gesundheit zu schädigen."

    Die Tattoo-Farbpigmente wandern zum Teil in andere Körpergewebe. Das belegen Untersuchungen der Arbeitsgruppe des Medizinphysikers Wolfgang Bäumler von der Universität Regensburg. Vocke:

    "Hier gibt es Veröffentlichungen, wo man auch sehr schön zum Beispiel einen Lymphknoten sieht, in dem man die Tattoo-Farbe durchaus auch wiedererkennen kann, deutlich. Es wurden da auch von dieser selben Arbeitsgruppe Studien gemacht an Mäusen, die am Rücken tätowiert worden sind. Und nach vier Wochen konnte man 30 Prozent weniger Pigmentfarbe auf dem Rücken dieser Mäuse feststellen. Das heißt also, es findet auch ein Transport innerhalb des Organismus statt."

    PAK sind nicht die einzigen gesundheitsschädlichen Problemstoffe in Tattoo-Farben. Immer häufiger erwiesen sich auch bunte Pigmente als belastet, sagt Ingrid Neudorfer-Schwarz. Und zwar mit sogenannten aromatischen Aminen:

    "Wir hatten jetzt auch, gerade in den vergangenen Monaten, sehr viele an der Zahl: Beanstandungen aufgrund aromatischer Amine. Die gleiche Situation, wie wir sie bei den PAK haben: Es handelt sich hier bei der überwiegenden Mehrheit der Stoffe um krebserregende aromatische Amine."

    Offenbar verwenden die Hersteller oft Farben mit keinem hohen Reinheitsgrad, die eigentlich für technische Anwendungen gedacht sind. So enthalten schwarze Tattoo-Farben als Pigment Carbon Black. Das ist partikulärer Kohlenstoff, im Prinzip also Ruß. Den injiziert der Tätowierer seinen Kunden dann direkt in die Haut. Das gleiche Bild bei bunten Tattoo-Farben. Neudorfer-Schwarz:

    "Diese ganzen brillanten Farben haben auch sehr häufig technische Qualität, weil nämlich diese Farben eigentlich für die Automobilindustrie als Autolack gedacht sind. Das Auto darf ja den Lack nicht verändern. Und genau so ist es mit dem Tattoo: Das soll auch die Farbe nicht verändern."

    Deutsche Untersuchungsämter wollen nun eine einheitliche Messmethode für die Krebsgifte in Tattoo-Tinten entwickeln. Und noch in diesem Jahr mit Schwerpunkt-Programmen beginnen. Weil das Gesundheitsrisiko durch die PAK und Amine als unvertretbar hoch gilt.