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Schallscheiben der Brust

Medizin. - Jede elfte europäische Frau, so belegen Statistiken, erkrankt an Brustkrebs. Überdies stellt das Leiden in der Altersgruppe der 45 bis 55jährigen Frauen die häufigste Todesursache. Die für eine gute Prognose unerlässliche Vorsorge basiert bislang hauptsächlich auf der röntgenologischen Mammographie, deren Strahlenbelastung für alle untersuchten Frauen inzwischen aber auch Anlass zu heftiger Kritik liefert. Wissenschaftler aus Karlsruhe und Jena entwickelten daher eine weniger riskante Alternative, die auf Schall statt Strahlung setzt.

    Schon heute kommt Ultraschall in der Brustkrebsvorsorge zum Einsatz: Kleine tragbare Geräte, so genannte Handscanner tragen mehrere Sensoren, die in das Brustgewebe hochfrequenten Schall abgeben, das reflektierte Echo wieder auffangen und als Schwarzweißbilder auf einem Monitor abbilden. Bei der Diagnostik bestimmter Strukturen, etwa von zystischen Hohlräumen, ist dieses Verfahren sogar dem Röntgen überlegen. Weil aber bislang Detailschärfe von Röntgenaufnahmen, die für die frühe Erkennung von kleinen Krebsherden wesentlich ist, von Ultraschallapparaten nicht erreicht werden konnte, schien die radiologische Mammographie als unersetzlich. Ein Team aus Wissenschaftlern der Universitäten Karlsruhe und Jena versucht derzeit allerdings, dem hinterher hinkenden Schallbild auf die Sprünge zu helfen: "Wir wollen eine Methode entwickeln, die erstens präziser als bisherige Ultraschallgeräte arbeitet und zweitens auf eine Gefährdung der Patientinnen verzichtet", konstatiert Hartmut Gemmeke vom Forschungszentrum Karlsruhe.

    Um eine größere Schärfe der Abbildungen zu erzielen, verwendet das neue System eine höhere Zahl an akustischen Sensoren: "Während herkömmliche Ultraschallgeräte maximal hundert Sensoren besitzen, sieht unser Ansatz bis zu 4000 solcher Detektoren vor, die präzise, dreidimensionale Bilder liefern werden", so der Experte. Um eine optimale Schallübertragung in das Gewebe zu erzielen, werde überdies die gesamte Brust während der Untersuchung in ein Wasserbad getaucht. Weiterer Vorteil: Weil der Arzt den Sensor nicht mehr manuell auf die Brust drückt, wird auch das Gewebe bei der neuen, so genannten Ultraschall-Computertomographie nicht verformt. Dies sowie die dreidimensionale Wiedergabe der hochdetaillierten Daten ließen etwaige Veränderungen im Drüsengewebe besser hervortreten als bislang, so Gemmeke.

    Der hohe messtechnische Aufwand bringt jedoch auch ein Problem mit sich: Tausende von Sensoren erzeugen eine wahre Datenflut, die erst mit den hochgezüchteten Chips der aktuellen Computergeneration überhaupt in den Griff zu bekommen sind: "Pro Sensor entstehen rund 40 Millionen Datenbytes, aus denen sich wiederum Tera-Rechenoperationen ergeben. Früher wäre ein ganzes Rechenzentrum damit überfordert gewesen." Die speziellen Prozessoren, die Gemmeke und seine Kollegen für den Ultraschall-Tomographen einsetzen, sind bereits zehn mal schneller als handelsübliche Computer. Doch selbst davon sind noch einige Hundert nötig, um die komplexen Berechnungen durchzuführen. "Ein Grund dafür liegt in den Filmsequenzen, die zeigen, wie sich ein Kontrastmittel in der Brust verteilt. Weil Krebsgeschwüre von vielen Gefäßen durchzogen werden, erhalten wir bei einer lokalen Konzentration des Kontrastmittels gute Hinweise auf mögliche Gefahrenherde", schildert der Forscher. Zwar ist die Fertigstellung des Gerätes noch in weiter Ferne, doch erste Tests an simulierten Geweben seien bereits vielversprechend verlaufen.

    [Quelle: Frank Grotelüschen]