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Schauspieler Kenneth Branagh
Handschlag zwischen Hoch- und Populärkultur

Der Schauspieler und Filmregisseur Kenneth Branagh ist dem Fernsehpublikum als Darsteller von Henning Mankells Kommissar Wallander bekannt. Dabei hat er ganz woanders angefangen: als Shakespeare-Darsteller bei der Royal Shakespeare Company in Stratford-upon-Avon.

Von Karin Fischer | 01.05.2014
    Kenneth Branagh auf einer Bühne stehend, in die Hände klatschend.
    Kenneth Branagh im Deutschen Nationaltheater Weimar während seiner Ernennung zum Ehrenpräsidenten der Deutschen Shakespeare Gesellschaft. (dpa/picture alliance/Michael Reichel)
    Mitte der Neunzigerjahre des vorigen Jahrhunderts avancierte William Shakespeare, der berühmteste Dramatiker der Welt, plötzlich zum heimlichen, angemessener vielleicht: geisthaften Drehbruch-Schreiber in Hollywood: Kenneth Branagh hatte schon drei Shakespeare-Filme gedreht und projektierte gerade "Hamlet" mit sich selbst als blond gefärbtem Grübler. Der Australier Baz Luhrmann überwältigte mit seiner furiosen Verfilmung von "Romeo und Julia" das Kinopublikum: Leonardo DiCaprio und Claire Danes, druckvoller Soundtrack, Action-Szenen mit Helikopter-Einsatz machten den 400 Jahre alten Text nun auch für die MTV-Generation verstehbar.
    Selbst Quentin Tarantino interessierte sich für den englischen Klassiker, und plante die Verfilmung von "Macbeth" mit seinen Lieblingsdarstellern John Travolta und Uma Thurman. Startschuss für die Shakespeare-Mode in Hollywood aber war Kenneth Branaghs Film nach Shakespeares "Heinrich V.", eine unglaublich präzise Adaption des Königsdramas, aber mit blutigen Schlachtszenen in Cinemascope und einem brillanten Hauptdarsteller, Branagh selbst. Der Geldgeber für sein erstes Filmprojekt hatte schon Branaghs eigene Schauspieltruppe vor dem Ruin gerettet. Der Schauspieler erinnert sich:
    "Er fragte: Was willst du als Nächstes machen? Und ich: Ich würde gern einen Film über Shakespeares "Heinrich V." drehen. Er: Hast du schon mal einen Film gedreht? Ich: nein. Er: Hast du überhaupt schon mal Regie geführt? Ich: Nein. Er: Warum glaubst du, dass das gut gehen würde, und ich sagte: Ich weiß es nicht, ich habe einfach das starke Gefühl, dass es klappen könnte. - Dann besorgte er das Geld. - Und dann kam David Putnam, ein bekannter englischer Produzent, drei Wochen vor dem ersten Shooting, und sagte: Dieser Film wird platzen. Er wird platzen, entweder zwei Wochen vor oder zwei Wochen nach Drehbeginn; und deine internationale Filmkarriere wird tot sein."
    "High" und "low culture" nie getrennt
    Das war bekanntlich ein Irrtum, aber natürlich war Kenneth Branagh Schauspielern und Regie führen nicht in die Wiege gelegt. Geboren in Belfast als Kind in einer Arbeiterfamilie, zog er als Schüler ins englische Reading und wuchs eher mit Fernsehen als mit Literatur auf. Das, erklärt er in Weimar, war wohl die Ursache dafür, dass Hoch- und Populär-Kultur, "high" und "low culture" für ihn nie getrennt waren. Kenneth Branagh über seine erste Begegnung mit William Shakespeare:
    "Zum ersten Mal habe ich Shakespeare im Fernsehen gesehen, mit Richard Chamberlain als "Hamlet". Den kannte ich aus der Serie "Dr. Kildare", nur jetzt sprach er so komisch! Es war ein Sonntagabend, und es war hauptsächlich die Geister-Geschichte, von der ich gefangen war. Und dann: Wenn man Ire ist, schämt man sich nicht, Worte zu lieben. Bei Familienzusammenkünften kommt immer jemand mit einem Gedicht, einer Geschichte, alle singen. Die Möglichkeit eines Handschlags zwischen Hoch- und Populär-Kultur gab es also schon in meiner DNA. Ich kombinierte einfach die zwei Dinge, die ich liebte."
    Für exakt diesen Brückenschlag wurde Sir Kenneth Branagh in Weimar nun zum ersten Ehrenpräsidenten der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft gemacht. Entspannt erzählt er von den vielen unvergesslichen Shakespeare-Darstellern, die Branagh nach der Schauspielausbildung an der Royal Academy of Dramatic Art kennenlernte - auf der Bühne oder im Radio- oder Fernsehstudio. Und wie alle begeisterte er sich für die musikalische Sprache des Nationalheiligen Shakespeare und dessen berühmte "Sänger":
    "Alle Schauspieler verschwanden im Hintergrund des Studios, als Paul Scofield langsam zum Mikrofon ging, und mit seiner unnachahmlichen Stimme zu sprechen begann... Oder John Gielgud: Er fing auf der tiefsten Note an, die wir überhaupt hören können, und ging dann alle acht Oktaven durch - also: Shakespeares "Musik" hat mich zur Radio- und Audio-Welt gebracht."
    Royal Shakespeare Company: "Ein kaltes Glas Champagner, jeden Tag"
    Noch weiter zurück: Vor dem Kenneth Branagh der berühmten Shakespeare-Verfilmungen, vor "Hamlet", "Othello", "Viel Lärm um Nichts" oder "Heinrich V." und lange vor dem schwermütigen Wallander aus den Mankell-Krimis, den er 2009 verkörperte, spielte Kenneth Branagh bei der weltberühmten Royal Shakespeare-Company in Stratford-upon-Avon. Im Rückblick - und darauf heben wir ein Glas! - ist diese Zeit vor dem Ruhm eine sehr glückliche Zeit gewesen.
    "Es war pure Leidenschaft, ich war immer auf der Bühne schon Stunden bevor es losging. Für mich war es die reine, vollkommene und äußerste Freude. Nichts von dem, was ich tat, glich so etwas wie "Arbeit". Wir waren extrem aufgeregt: Ich, ein Junge aus Belfast, 23 Jahre alt, spielte "Heinrich V." in Stratford! Das war wie ein kaltes Glas Champagner, jeden Tag."