Doris Schäfer-Noske: Vor 70 Jahren, im Herbst 1941, wurden 3000 jüdische Frauen, Männer und Kinder aus Köln, Düsseldorf und Umgebung ins Ghetto Litzmannstadt deportiert, nach Lodz. Wie man heute weiß, hatten nicht einmal 40 von ihnen die Befreiung durch die Alliierten noch erlebt. Das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln zeigt anlässlich des Jahrestages nun eine Sonderausstellung mit Fotografien, Briefen und Dokumenten, die vom Schicksal der Deportierten erzählen. Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf und dem Staatlichen Archiv in Lodz entstanden. Frage an Karola Fings, die Kuratorin der Ausstellung: Frau Fings, die Ausstellung ist ja das Ergebnis von umfangreichen Recherchen. Was erfährt man denn dort über die Deportationen?
Karola Fings: Also die Ausstellung ist insofern was Besonderes, als wir hier das erste Mal ganz konkret am Beispiel von 3000 Personen jeden einzelnen Schritt nachvollziehen und immer anhand von authentischem Material dieser Personen selbst. Das heißt, man erfährt ein bisschen etwas über die Situation seit 1933 für diese Gruppe, wie sich die antisemitische Gewalt auswirkt, wie die Betroffenen versuchen, noch zu emigrieren, wie das in Teilen klappt und in anderen Teilen eben nicht, und wie dann ganz konkret die Deportationen vor Ort in Köln, in Düsseldorf, in Bonn, im Rhein-Sieg-Kreis vorbereitet werden und wie dann die Transporte beginnen ins Ghetto. Der Hauptteil der Ausstellung ist aber konzentriert auf die Situation dieser Gruppe im Ghetto selbst.
Schäfer-Noske: Das war ja das zweitgrößte Ghetto überhaupt im deutschen Reich.
Fings: Es war das nach Warschau zweitgrößte Ghetto und das Ghetto, das am längsten bestand. Es bestand bis Sommer 1944, und für mich war es ganz besonders berührend, bei den Recherchen festzustellen, wie lange, wir sagen immer, unsere Leute, also die aus Köln deportierten, oder aus Düsseldorf deportierten, da im Ghetto gelebt haben, wie sie versucht haben, noch sich ein bisschen Menschlichkeit und Würde und ihr Leben vor allem zu erhalten, und wie sehr sie auf die Befreiung gehofft haben.
Schäfer-Noske: Können Sie da mal ein Beispiel nennen einer Geschichte?
Fings: Also wir haben zum Beispiel recherchiert die Geschichte eines 13-jährigen Jungen, der – ein ganz signifikanter Name, deshalb kann man ihn auch kaum vergessen – Peter Paul Rubens hieß, der aus Köln stammte und der 1943 einen Bittbrief schrieb innerhalb des Ghettos und darum bat, dass er doch in eine bessere Arbeitsstelle kommt, also zum Beispiel eine Bäckerei, damit er die Chance hat zu überleben, weil seine Eltern schon verstorben waren und er selber sich sehr schwach fühlt. Das sind natürlich einzigartige Dokumente.
Schäfer-Noske: Wie waren denn die Zustände in diesem Ghetto?
Fings: Also das Besondere an dem Ghetto Litzmannstadt ist, dass die Überlieferung so dicht ist. Wir haben einerseits eine Chronik, wo Tag für Tag beschrieben wird, was im Ghetto passiert, die also die Ghetto-Insassen selbst geschrieben haben, wir haben eine Fülle von Post- und Briefmaterial, was verschickt oder auch nicht verschickt wurde, aber überliefert ist, und da kann man relativ minuziös die Zustände im Ghetto beschreiben.
Man muss sagen, natürlich: Die Versorgung war sehr schlecht, die war minimal. Ohne eine Arbeit innerhalb des Ghettos konnte man kaum überleben, weil das die einzige Chance war, mittags noch eine Suppe zu bekommen. Die Kölner und Rheinländer, Rheinländerinnen, die dahin deportiert wurden, 1941, die trafen also auf eine völlig trostlose Situation. Sie wurden in Räume, Gebäude eingewiesen, wo praktisch nichts war. Da war kein Bett, da war kein Tisch, da war kein Hausrat, keine Ausstattung, kein Ofen, es fing schon an zu schneien, sehr früh im Oktober, November 1941, es war furchtbar kalt, und es gab natürlich kaum medizinische Versorgung, und das erste halbe Jahr hat kaum die Hälfte überlebt.
Schäfer-Noske: Gibt es denn ein Ergebnis Ihrer Recherchen, das Sie erstaunt hat?
Fings: Das, was als Ergebnis meiner Meinung nach besonders wichtig ist, ist, dass wir den Opfern von damals ihre Namen, ihr Gesicht, eine Geschichte zurückgeben können, dass wir das rekonstruieren können, um ihnen auch ein Stück ihrer Würde zurückzugeben, und das ist, glaube ich, eine ganz große Bedeutung, die unsere Arbeit hat.
Schäfer-Noske: In Köln ist eine Ausstellung über die Deportation von Juden ins Ghetto nach Lodz zu sehen. Das Gespräch mit der Kuratorin Carola Fings haben wir vor dieser Sendung aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Karola Fings: Also die Ausstellung ist insofern was Besonderes, als wir hier das erste Mal ganz konkret am Beispiel von 3000 Personen jeden einzelnen Schritt nachvollziehen und immer anhand von authentischem Material dieser Personen selbst. Das heißt, man erfährt ein bisschen etwas über die Situation seit 1933 für diese Gruppe, wie sich die antisemitische Gewalt auswirkt, wie die Betroffenen versuchen, noch zu emigrieren, wie das in Teilen klappt und in anderen Teilen eben nicht, und wie dann ganz konkret die Deportationen vor Ort in Köln, in Düsseldorf, in Bonn, im Rhein-Sieg-Kreis vorbereitet werden und wie dann die Transporte beginnen ins Ghetto. Der Hauptteil der Ausstellung ist aber konzentriert auf die Situation dieser Gruppe im Ghetto selbst.
Schäfer-Noske: Das war ja das zweitgrößte Ghetto überhaupt im deutschen Reich.
Fings: Es war das nach Warschau zweitgrößte Ghetto und das Ghetto, das am längsten bestand. Es bestand bis Sommer 1944, und für mich war es ganz besonders berührend, bei den Recherchen festzustellen, wie lange, wir sagen immer, unsere Leute, also die aus Köln deportierten, oder aus Düsseldorf deportierten, da im Ghetto gelebt haben, wie sie versucht haben, noch sich ein bisschen Menschlichkeit und Würde und ihr Leben vor allem zu erhalten, und wie sehr sie auf die Befreiung gehofft haben.
Schäfer-Noske: Können Sie da mal ein Beispiel nennen einer Geschichte?
Fings: Also wir haben zum Beispiel recherchiert die Geschichte eines 13-jährigen Jungen, der – ein ganz signifikanter Name, deshalb kann man ihn auch kaum vergessen – Peter Paul Rubens hieß, der aus Köln stammte und der 1943 einen Bittbrief schrieb innerhalb des Ghettos und darum bat, dass er doch in eine bessere Arbeitsstelle kommt, also zum Beispiel eine Bäckerei, damit er die Chance hat zu überleben, weil seine Eltern schon verstorben waren und er selber sich sehr schwach fühlt. Das sind natürlich einzigartige Dokumente.
Schäfer-Noske: Wie waren denn die Zustände in diesem Ghetto?
Fings: Also das Besondere an dem Ghetto Litzmannstadt ist, dass die Überlieferung so dicht ist. Wir haben einerseits eine Chronik, wo Tag für Tag beschrieben wird, was im Ghetto passiert, die also die Ghetto-Insassen selbst geschrieben haben, wir haben eine Fülle von Post- und Briefmaterial, was verschickt oder auch nicht verschickt wurde, aber überliefert ist, und da kann man relativ minuziös die Zustände im Ghetto beschreiben.
Man muss sagen, natürlich: Die Versorgung war sehr schlecht, die war minimal. Ohne eine Arbeit innerhalb des Ghettos konnte man kaum überleben, weil das die einzige Chance war, mittags noch eine Suppe zu bekommen. Die Kölner und Rheinländer, Rheinländerinnen, die dahin deportiert wurden, 1941, die trafen also auf eine völlig trostlose Situation. Sie wurden in Räume, Gebäude eingewiesen, wo praktisch nichts war. Da war kein Bett, da war kein Tisch, da war kein Hausrat, keine Ausstattung, kein Ofen, es fing schon an zu schneien, sehr früh im Oktober, November 1941, es war furchtbar kalt, und es gab natürlich kaum medizinische Versorgung, und das erste halbe Jahr hat kaum die Hälfte überlebt.
Schäfer-Noske: Gibt es denn ein Ergebnis Ihrer Recherchen, das Sie erstaunt hat?
Fings: Das, was als Ergebnis meiner Meinung nach besonders wichtig ist, ist, dass wir den Opfern von damals ihre Namen, ihr Gesicht, eine Geschichte zurückgeben können, dass wir das rekonstruieren können, um ihnen auch ein Stück ihrer Würde zurückzugeben, und das ist, glaube ich, eine ganz große Bedeutung, die unsere Arbeit hat.
Schäfer-Noske: In Köln ist eine Ausstellung über die Deportation von Juden ins Ghetto nach Lodz zu sehen. Das Gespräch mit der Kuratorin Carola Fings haben wir vor dieser Sendung aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.