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Schiffsbau exotisch

Die Werft BuK unweit von Schwerin ist Weltmarktführer im Drachenbootbau. Etwa 100 Drachenboote liefert BuK jährlich weltweit. Einige davon nehmen sogar an Weltmeisterschaften teil. Der Ursprung der rund 13 Meter langen Boote liegt in der chinesischen Mythologie.

Von Peter Marx |
    Endlauf bei der Drachenboot-Weltmeisterschaft im chinesischen Macao. Sechs Boote kämpfen um den Meistertitel, und alle haben an der Innenseite eine ovale Metallplatte mit Bootsnummer und dem Firmennamen "Boots- und Kunststoffbau", kurz BuK. Für den Bootsbauer Andreas Stankewitz eines der schönsten Momente seines Berufslebens. Alle Boote stammen von seiner Werft am Rande von Lübesse, einem Dorf unweit von Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern:

    "Im letzten Jahr ist es uns gelungen, 20 Drachenboote nach Macao zu liefern für die Weltmeisterschaft. Das war für uns natürlich ein Highlight sondergleichen, weil damit wir natürlich nie gerechnet haben, dass gerade Asiaten sich dafür entschließen, sich aus Deutschland Drachenboote zu holen, um im eigenen Land eine WM auszustatten. Das war für uns ein Achtungszeichen."

    Drachenboote sind rund 12,5 Meter lange und 1,16 Meter breite Paddelboote, deren Ursprung in der chinesischen Mythologie liegt. Mit dem bunten Drachenkopf an der Spitze des Bootes und dem langen Ruder, das einem Schwanz gleicht, stellen die Boote stilisierte Drachen dar.

    Das erzählt Andreas Stankewitz so nebenbei, während er durch die Hallen seiner Werft läuft. In einer Ecke der Halle liegen Dutzende von neuen Booten, gestapelt bis fast zur Decke:

    "Zum Teil sind es Kundenboote, die vorgeordert wurden und die jetzt hier im Stapel stehen, zum Teil ist es auch eine Vorfertigung, die es uns ermöglicht, schnell zu liefern. Das heißt, Kunden, die jetzt kommen und ein weißes Boot haben wollen, denen kann man sagen, gut, du kannst morgen kommen und das Boot abholen."

    8000 Euro kostet ein Boot ab Werft; rund 100 werden jährlich ausgeliefert – weltweit. Ein Drittel des Jahres-Umsatzes von rund 2,5 Millionen Euromacht BuK allein mit den Drachenbooten:

    "Wir haben natürlich angestrebt, auf allen Kontinenten unsere Boote zu placieren. Wir haben in USA zwei Händler, einen in Toronto, einen in Tampa, Florida, die vertreiben unsere Boote dort. Wir haben einen Händler in Singapur für den asiatischen Bereich, der Markt läuft nicht so gut logischerweise, die haben eine sehr starke Flotte vor der Tür."

    Der 51-jährige Bootsbaumeister gründete 1992 zusammen mit seinem Partner die Werft, die sich auf den Bau von Kunststoffbooten spezialisiert hat. Es war ein Abenteuer, sagt Andreas Stankewitz. Der frühere Arbeitgeber hatte Insolvenz angemeldet und um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, gründeten die Partner ihr eigenes Unternehmen.

    Ungeduldig läuft Stankewitz weiter in die angrenzende Werkshalle, in dem Mitarbeiter Glasfasermatten in Negativformen legen und verkleben. Drei Tage brauchen die Bootsbauer für eines der 250 Kilogramm schweren Drachenboote. Sorgfältig kontrolliert Meister Stankewitz die Arbeiten am Rumpf eines Motorschiffes. Das zweite Standbein der Werft sind Auftragsarbeiten für Autoindustrie und für Segel- und Motorjachtbauer:

    "Ja, wir bauen Motorboot-Kaskos von fünf bis zehn Meter, im Prinzip als Ausbauschale. Es fehlt letztendlich Polster, Maschine, Windschutzscheibe. Aber im Großen und Ganzen ein fahrfertiges Boot."

    Einem Zufall verdankt Andreas Stankewitz seine Geschäftsidee. 1989 besuchte er den Hamburger Hafengeburtstag, wo er zum ersten Mal ein Drachenbootrennen sah und dort Leute kennenlernte, die gerne ein Drachenboot kaufen wollten:

    "Wir wurden angesprochen. Es war eine Situation, die für uns sehr eigenartig war, weil wir diesen Hintergrund nicht wahrgenommen hatten, konnte uns auch nicht vorstellen, dass das etwas Ernsthaftes ist. Wenn man sich mal vorstellt. 12,5 Meter langes Drachenboot, vorne ein bunter Kopf daran, hinten einen Schwanz, sah das Ganze doch mehr aus wie ein Rummelboot und nicht wie ein ernst zu nehmendes Sportgerät."

    Eine Aufgabe für den Bootsbaumeister, der erst mal im Internet und in Archiven über die Geschichte der Boote recherchierte und nach Bauplänen suchte:

    "Ich habe mich dann informiert, rumgehört, wo kriege ich solche Unterlagen her. Es gab nichts - weltweit. Es gab keine Zeichnungen. Und ich war dann in der Situation, das Boot neu zu konstruieren. Allerdings auf der Grundlage historischer Daten. Ich habe diese Daten abgenommen von einem historischen Boot, habe das Ganze zu Papier gebracht und war, ohne es damals zu wissen, der Erste weltweit, der ein Drachenboot konstruktiv bearbeitet hat und zu einem vermessbaren Einheitsboot konstruiert hat."

    Stankewitz wechselt in die Nachbarhalle, beobachtet hier sechs seiner insgesamt 35 Mitarbeiter, die neue Kaskos für Segelboote erstellen. Doch diesmal werden keine Matten gelegt, sondern die Glasfasern mit großen Pistolen auf die Negativformen gespritzt. Lächelnd erzählt er vom schnellen Erfolg seines Bootes:

    "Wir haben 1992 die Firma neu gegründet, suchten damals Aufträge. Das kam damals alles zusammen, und so war es ein ganz großes Risiko diese Konstruktion zu nehmen, ein Modellbau zu erstellen und vor Ort den ersten Prototypen zu bauen. Der deutsche Drachenbootverband hat das Boot sofort angenommen als Klassenboot, danach kamen der europäische Verband und kurz danach der Weltverband. Es war ein schneller Prozess, wir sind durchgereicht worden, mehr oder weniger."

    Der Rundgang führt wieder zurück in den Verwaltungstrakt. Vor acht Jahren bezog die Firma den Neubau mitten auf der grünen Wiese, der heute schon zu klein ist. Doch Stankewitz und Partner wollen nicht investieren, jedenfalls nicht in neue Hallen. Was zum einen an der aktuellen Wirtschaftssituation liegt und zum anderen am neuesten Projekt der Bootsbauer: der Schweriner Einheitsjolle von 1921:

    "Die Schweriner Einheitsjolle ist ein besonderes Produkt, muss ich sagen. Erst mal hat es einen sehr regionalen Bezug zu Schwerin. Das ist auch der Grund, warum wir uns überhaupt für das Boot interessiert haben. Andererseits ist es natürlich so, dass es von der Struktur her ähnlich ist wie mit dem Drachenboot. Wir sehen keinen Markt im Moment, außer ein paar Liebhabern, die sich später in dieses Boot verlieben werden. Aber es ist ein eigenes Produkt der BuK, und wir wollen im Grunde genommen einfach so mit diesem Produkt wahrgenommen werden in der Segelszene. Das ist ein Bereich, den wir später stärker bearbeiten wollen."

    Drei Originalboote gibt es noch. Zwei schwimmen auf dem Schweriner See und eine Jolle steht im Eingangsfoyer der Firma. Andreas Stankewitz bleibt stehen, schaut versonnen, streichelt das dunkle Holz der Sitzbänke. Ist sie nicht schön, sagt er und verabschiedet sich schnell in sein Büro. Eines ist danach klar: Der Mann liebt Boote – über alles.