"Die wichtigsten sind Lebensmittel pflanzlicher Herkunft. Das ist hauptsächlich Brot, Backwaren und entsprechende Produkte, gefolgt von Kaffee, dann gefolgt von Bier. Des weiteren sind 'ne ganze Reihe weiterer Lebensmittel kontaminiert mit dem Toxin, aber von den Verzehrsdaten besitzen sie nicht die gleiche Relevanz wie die genannten ersten drei."
Getreideprodukte, Kaffee und Bier also. Das sind die wichtigsten Giftquellen. Manfred Gareis weiß das sehr genau. Der Veterinärmediziner ist nicht nur Vorsitzender der Gesellschaft für Mykotoxinforschung in Deutschland. Er war auch beteiligt an der bisher detailliertesten Studie über das Schimmelpilz-Gift. Drei Jahre dauerte die Erhebung. Das Bundesgesundheitsministerium hatte sie in Auftrag gegeben - um zu erfahren, wie viel Ochratoxin A der Durchschnittsbürger Tag für Tag schluckt.
Der Naturstoff muss als gesundheitlich bedenklich gelten. Er kann Niere und Leber schädigen, die Immunabwehr und möglicherweise auch das Nervensystem. Am heikelsten aber ist: Das Pilzgift löste im Tierversuch Krebs aus.
Die Bundesregierung macht sich deshalb in Brüssel dafür stark, Ochratoxin-Höchstmengen einzuführen - und zwar für den ganzen Warenkorb. Zumal sich bei der deutschen Studie gezeigt hat: Kinder kommen der täglichen Aufnahmemenge, die noch als ungefährlich gilt, doch ziemlich nahe. Weil sie nicht viel weniger essen als Erwachsene, aber viel weniger wiegen: Sie nehmen also eine höhere Gift-Dosis pro Kilogramm Körpergewicht zu sich.
Doch die EU-Kommission macht einen Rückzieher. Sie will mittlerweile nur noch einen Höchstwert für Getreideerzeugnisse festlegen. Von Kaffee zum Beispiel ist keine Rede mehr. Hier sei die Datenlage noch unzureichend, heißt es zur Begründung in einem Memorandum von Verbraucherschutz-Kommissar David Byrne.
Manfred Gareis kann das nicht nachvollziehen:
"Das halte ich für eine nicht-seriöse Behauptung. Die ursprüngliche Liste / der Lebensmittel, die eigentlich unter eine geplante Höchstmengen-Regelung fallen sollten, beinhaltete ja nicht nur Getreide und Getreideprodukte, sondern auch Wein, Kaffee, Bier, Traubensäfte - vor allem wenn es um die Ernährung der Kinder geht - und auch Gewürze, die zum Teil sehr hoch kontaminiert sein können."
Dass ein Höchstlimit zum Beispiel beim Kaffee erst einmal vom Tisch ist - daran hat die Wirtschaft ihren Anteil. Sie stemmt sich vehement gegen eine gesetzliche Regelung - und verweist dabei auf ein laufendes "Schimmel-Präventionsprojekt", in Zusammenarbeit mit der UN-Ernährungsorganisation FAO. Es zielt ab auf Verbesserungen in den Erzeugerländern, wo sich die giftabsondernden Pilze einstellen, wenn die Kaffeekirschen nach der Ernte zu feucht gelagert werden. Dabei will es die Wirtschaft bewenden lassen. Im übrigen meint sie, dass die Belastung außerordentlich niedrig sei und keinen Grenzwert für Kaffee rechtfertige. Ein Grenzwert im Sinne des Verbraucherschutzes sei weder notwendig noch praktikabel.
So die Auffassung des Deutschen Kaffee-Verbandes. Wohlgemerkt: Ochratoxin A besitzt - so steht es selbst im Memorandum von EU-Kommissar Byrne - krebserregende Eigenschaften, unter Umständen auch beim Menschen. Bis heute ist das nicht zweifelsfrei geklärt.
Mykotoxin-Experten wie Herbert Otteneder wünschen sich wenigstens so etwas wie freiwillige Richtwerte für Ochratoxin A. Otteneder kommt aus der Lebensmittel-Überwachung; er leitet das Chemische Untersuchungsamt Trier:
"Man könnte natürlich sogenannte Richtwerte vereinbaren, d.h. das sind Werte, nach denen sich die Hersteller richten beziehungsweise auch die Überwachung richtet, bei deren Überschreitung dann davon ausgegangen werden kann, dass das Rohmaterial nicht den hygienischen Standards entspricht. Solche Richtwerte hätten dann den Sinn und Zweck - das, was wir jetzt primär eigentlich bräuchten -, Spitzenbelastungen zu vermeiden."
Zwar sind nur in jeder zweiten Packung Kaffee Giftspuren nachweisbar, und das meist in moderater Höhe. Doch immer wieder fallen einzelne Proben durch besonders hohe Ochratoxin-Konzentrationen auf. Wer einen solchen Röstkaffee erwischt, gerät schon mit zwei Frühstücks-Tassen in die Nähe der Aufnahmemenge, die noch als vertretbar gilt.