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Schimmelpilz auf Versuchsleichen

Mittlerweile blitzt und blinkt es im Präparations-Saal der Universität Ulm, als ob dort eine Hundertschaft an Reinigungskräften Tage lang geschrubbt und gewienert hätte. In der Ecke stehen die Plastik-Skelette, die fast jeder vom Biologie-Unterricht kennt. Auf den silbernen Stahltragen liegen, in schwarze Folien verhüllt, Leichname, an denen wenig später Medizinstudenten mit dem Skalpell üben. Doch der Anblick, der sich ihnen hier noch vor kurzem bot, setzte auch so manchem geübten Mediziner zu:

Thomas Wagner |
    "Es hat sich gezeigt, dass ein Schimmelpilzbefall aufgetreten ist. Man kann sich das so ähnlich wie im Kühlschrank vorstellen, wo sich auf Milchprodukten auch mal bläuliche Pilze bilden.

    so Professor Tobias Böckers, Leiter der Abteilung "Anatomie und Zellbiologie" an der Uni Ulm. Leichen setzen im Präp-Saal Schimmel an - so etwas hat es in Ulm noch nicht gegeben; so etwas kommt ganz generell äußerst selten vor. Deshalb: Rätselraten über die Ursache.

    Wir führen das zurück auf den milden Winter.

    Und deshalb sind im Ulmer Präp-Saal nun frostige Zeiten angebrochen: Die Kühlung läuft auf Hochtouren, um einen weiteren Schimmelbefall der Leichen zu vermeiden. Derweil kommt Unruhe unter den Studenten auf, die in dem Präp-Saal zu tun haben.

    Wir haben es also gemerkt. Allgemeines Husten, Niesen, Halsschmerzen. Ich möchte so etwas also nicht haben, wenn das so schimmelt. Schimmelsporen sind nicht so gesund.

    Dass vom Schimmel auf den Leichen tatsächlich eine Gefahr ausgeht, kann sich Professor Tobias Böckers allerdings nicht vorstellen:

    Wir können das völlig ausschließen. Es bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Studierenden. Es war insbesondere ein ästhetisches Problem. Wir befinden uns hier auf einem sensiblen Terrain.

    Ganz grundsätzlich lässt sich gleichwohl die Schimmelbildung auf den Leichen im Präp-Saal nicht ausschließen: Die Versuchskörper werden zwar stets mit einer Fixier-Lösung vorbehandelt, die sämtliche Keime abtötet. Aber: Sowohl Studenten als auch Dozenten tragen immer Keime und Pilze am Körper, die sich unter ungünstigen Bedingungen rasant vermehren können. Da hilft auch noch so eifriges Wienern und Bohnern nichts. Denn Sterilität wie in einem OP lässt sich im Präp-Saal einer Uni nicht herstellen.

    Das ist nicht möglich, das steril zu machen, weil 360 Studenten in einen sterilen OP-Bereich zu bekommen, das ist völlig unmöglich.

    Doch obwohl die Ausbildung am Leichnam für die medizinische Ausbildung derart wichtig ist, befällt nun viele Ulmer Medizinstudenten eine zusätzliche Scheu vor dem Gang in den Präp-Saal. Prädikat "garantiert schimmelfrei" - daran mögen sie allen Beteuerungen zum Trotz nicht so recht glauben.

    Nicht wirklich. Zumal es ja jetzt schon wieder Leichen gibt, die schimmeln. Das Problem ist noch nicht behoben, vielleicht eingedämmt.