Bernd Schlegel ist Präsident der Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheitswesen in Sachsen. Sie prüfte in einem Schwerpunktmessprogramm, wie stark Lebensmittel belastet sind, und zwar mit dem bei uns häufigsten Fusarien-Gift. Es heißt "Deoxynivalenol", oder kurz "DON". Ähnliche Analysen führt eine Arbeitsgruppe der Universität München durch, unter Leitung des Veterinärmediziners Ewald Usleber. Sie besorgt sich regelmäßig Weizenmehle und Backmischungen aus dem Lebensmittelhandel und testet, wie viel DON drin ist. Das Pilzgift beschäftigt auch den Wissenschaftlichen Lebensmittel-Ausschuss der EU-Kommission:
Bernd Schlegel: "Es gibt vom Dezember '99 ein Papier, wo eine vorläufige täglich tolerierbare Aufnahmemenge für den Menschen artikuliert wurde, die bei einem sehr niedrigen Wert liegt: bei einem Mikrogramm Deoxynivalenol pro Kilogramm Körpergewicht."
Ein Millionstel Gramm pro Kilo Körpergewicht - da genügen schon Spuren im Lebensmittel, um die Höchstmenge zu überschreiten." Das Kritische an DON: Im Tierversuch führte es zu Blutbild-Veränderungen und beeinträchtigte die Herz- und Nierenfunktion; außerdem kann der Stoff das Immunsystem schädigen. Und das schon in geringen Konzentrationen. Der Münchener Tierarzt Usleber vergleicht seine Analyse-Ergebnisse mit dem EU-Richtwert:
Ewald Usleber "Wenn wir uns anschauen, was wir im Getreide finden, dann liegt man bereits mit 'ner üblichen Verzehrsmenge - wenn Sie 150, 200 Gramm Weizen, und über alle Produkte hinweg kriegen Sie das hin, zu sich nehmen -, dann haben Sie diesen Grenzwert sehr schnell überschritten, wenn man bedenkt, dass allein in Mehl 200 bis 300 Mikrogramm pro Kilogramm drin sind. Das heißt, wir bewegen uns bei DON mit ziemlicher Sicherheit im Bereich dessen, was wirklich gesundheitlich schon relevant werden könnte."
Besorgt ist inzwischen auch das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, BgVV. Die Berliner Fachbehörde ist aus dem früheren Bundesgesundheitsamt hervorgegangen. Wenn sich das BgVV öffentlich äußert, dann meist, um klarzustellen, wie sicher unsere Lebensmittel heute sind. Im Fall der Schimmelpilz-Gifte aber betont die Bundesbehörde:
Sprecherin des BgVV: "Der gesamten Mykotoxin-Problematik muss künftig verstärkt Beachtung geschenkt werden." Insbesondere kommt das BgVV zu dem Schluss: "Die Belastung von Kleinkindernahrung mit Fusarien-Toxinen ist zu hoch."
Der Berliner Gesundheitsbehörde liegt mittlerweile eine Reihe von beunruhigenden Messergebnissen vor. Mal erwies sich bei der Lebensmittekontrolle ein "7-Kornbrei" als "hoch" mit DON "belastet". Dann wiederum fiel maismehlhaltige Kleinkindnahrung unangenehm auf: Sie enthielt beträchtliche Spuren von "Fumonisinen" - eine weitere Gruppe von Schimmelpilz-Giften. Auch sie werden von Fusarien produziert. Die bisherigen Höchstwerte meldet Sachsen. Dort analysierte die Landesuntersuchungsanstalt "Getreidebeikost" für Säuglinge, insgesamt 27 Proben. In fast allen steckte DON, so Amtschef Bernd Schlegel.
Bernd Schlegel: "Es sind bei einzelnen Produkten relativ hohe Werte, die bis an die 1000 Mikrogramm pro Kilogramm Getreidebeikost gehen, gefunden worden. Und wenn man davon ausgeht, dass davon 'n Gläschen à 250 Gramm dem Kleinkind verabreicht wird - na, dann müsste das Kleinkind letztendlich 200 Kilo wiegen, wenn dieser Wert unbedenklich sein sollte."
Das BgVV hat die Hersteller von Babykost kürzlich aufgefordert, sich dem Problem zu stellen und ihre Rohstoffe genauer zu kontrollieren. Das Bundesgesundheitsministerium geht noch weiter. Es erwägt, nationale Grenzwerte für Fusarien-Toxine in Lebensmitteln festzusetzen. Und hat bereits einen Vorschlag des BgVV dazu auf dem Tisch. Die amtliche Lebensmittelüberwachung dringt schon länger auf verbindliche Schadstoff-Limits. Hauke Hey, Leiter des Untersuchungsamtes Neumünster in Schleswig-Holstein:
Hauke Hey: "In der Zwischenzeit, in der wir diese gesetzlichen Höchstmengen nicht haben, sind wir mit unserem Lebensmittelrecht in einer Problemsituation, dass wir vor Gericht nicht durchdringen, um diese Lebensmittel aus dem Verkehr herausnehmen zu können."
Wie es scheint, wird Getreide immer stärker vom Gift-Schimmel heimgesucht. Dadurch kommt es im übrigen auch zu Ernteverlusten. Zudem steht die Tiergesundheit auf dem Spiel: Vor allem Schweine können Schaden nehmen, wenn sie mit Toxin-verseuchtem Getreide gefüttert werden. Ewald Usleber beobachtet eine, wie er sagt, "zunehmende Ausbreitungstendenz" der Fusarien "in Deutschland und anderen Ländern":
Ewald Usleber "Es hat landwirtschaftliche Gründe. Der Ackerbau hat sich geändert. Das Kritische ist die sogenannte Minimalbodenbearbeitung, das heißt die Felder werden nicht mehr umgepflügt. Und als Konsequenz bleiben diese Schimmelpilze an der Oberfläche im Pflanzenmaterial, sterben nicht ab, und gehen gestärkt in das nächste Erntejahr 'rein. Und schaukeln sich sozusagen im Laufe der Jahre auf und verbreiten sich dann auch schneller, als wenn man das Feld einfach pflügen würde, wie man es früher gemacht hat."
Das ist aber nicht die einzige nützliche Empfehlung für den Landwirt. Es gibt weitere. Zum Beispiel:
Ewald Usleber "... dass man halt Sorten nimmt, die nicht so anfällig sind für Pilzbefall. Das zweite ist eben Landbaumaßnahmen, Felder umpflügen. Und das dritte: Mais als Vorfrucht sollte man nicht für Weizen verwenden, weil Mais sozusagen ein ganz beliebter Nährboden für Fusarien ist, und die sich dort ganz gut halten können."
Ökologisch wirtschaftende Betriebe verzichten auf Mais als Zwischenfrucht. Sie nehmen stattdessen Kleegras. Das könnte erklären, wieso Bio-Getreide in der Regel weniger Schimmelpilz-Gifte enthält. Fusarien sind leider nicht die einzige Plage für Landwirte und Verbraucher. Es gibt weitere Schimmelpilz-Gifte, die wir täglich zu uns nehmen. Und die nicht schon vor der Ernte produziert werden, sondern dann, wenn Getreide zu feucht lagert. Dazu zählt ein Stoff namens "Ochratoxin A". Spuren davon stecken in diversen Nahrungsmitteln. Manfred Gareis, Vorsitzender der Gesellschaft für Mykotoxinforschung in Deutschland:
Manfred Gareis "Das ist hauptsächlich Brot, Backwaren und entsprechende Produkte, gefolgt von Kaffee, dann gefolgt von Bier. Des weiteren sind 'ne ganze Reihe weiterer Lebensmittel kontaminiert."
Ochratoxin A muss ebenso wie die Fusarien-Gifte als gesundheitlich bedenklich gelten. Im Tierversuch löste es sogar Krebs aus. Dennoch gibt es schlechte Nachrichten aus Brüssel. Die EU-Kommission will zwar Höchstwerte für Ochratoxin A einführen. Aber nur noch in Getreideprodukten. Die Bundesregierung hält dies für unzureichend. Sie ringt auf Regelungen für einen größeren Warenkorb. Mit Unverständnis reagiert auch Manfred Gareis:
Manfred Gareis "Die ursprüngliche Liste der Lebensmittel, die eigentlich unter eine geplante Höchstmengen-Regelung fallen sollten, beinhaltete auch Wein, Kaffee, Bier, Traubensäfte - vor allem wenn es um die Ernährung der Kinder geht - und auch Gewürze, die zum Teil sehr hoch kontaminiert sein können."
Fragwürdig ist vor allem, wieso Kaffee außen vor bleiben soll. Einzelne Proben fallen bei Analysen immer wieder durch hohe Ochratoxin-Gehalte auf. Wer einen solchen Röstkaffee erwischt, gerät schon mit zwei Frühstücks-Tassen in die Nähe der Aufnahmemenge, die Experten noch für vertretbar halten. Gesetzliche Höchstwerte kennt die EU bisher nur für eine Sorte Schimmel-Gift - für Aflatoxine. Sie sind nachweislich krebserregend und können in Pistazien, Feigen und Erdnüssen vorkommen. Solche Importartikel werden deshalb streng kontrolliert.
Doch die hochgiftigen Naturstoffe schleichen sich auf anderen Wegen in unsere Nahrung. So wiesen württembergische Lebensmittelprüfer erhebliche Aflatoxin-Mengen in Grundmassen für Pistazien-Eis nach. Und in der Schweiz zogen die Überwachungsbehörden jüngst italienischen Hartkäse aus dem Verkehr. Auch er enthielt zu viel Aflatoxin. Vielleicht deshalb, weil die betreffenden Milchkühe mit verseuchtem Erdnussschrot gemästet wurden. Das war zwar einst untersagt, gerade wegen der Aflatoxin-Problematik. Doch die EU hat das Fütterungsverbot für Erdnuss zwischenzeitlich wieder aufgehoben. So werden auch längst Totogeglaubte unter den Pilzgiften wieder zu einem Problem für den Verbraucherschutz .