Archiv


Schlachten und ihre Folgen

An der Universität Osnabrück und im Museumspark Kalkriese fand jetzt die Konferenz "Fields of conflicts" statt - ein Treffen von Schlachtfeldarchäologen. Derzeit interessieren sich die Forscher Erkenntnisprobleme für Kalkriese, Harzhorn, Tollensetal und die Indianerkriege im 19. Jahrhundert.

Von Michael Niehaus |
    Ob hier bei Osnabrück der Arminius tatsächlich im Jahre neun den Varus und seine Soldaten besiegt hat, das ist immer noch umstritten. Für Wissenschaftler, wie den Osnabrücker Professor für Archäologie, Dr. Günther Moosbauer, steht heute weniger der Ablauf der Schlacht im Vordergrund, also wer wen wie besiegte, als vielmehr die Frage nach der Auswirkung der Schlacht auf die Region:

    "Sozialgeschichtlich, wirtschaftsgeschichtlich sind Schlachten von Bedeutung. Was hier interessant ist, ist den Blick auf die germanischen Siedlungen im Umland zu werfen und zu überlegen, wie haben die Germanen, die hier gesiedelt haben, sich mit der Schlacht beschäftigt, wie hat die Schlacht auf sie gewirkt? Wir finden zum Beispiel Plünderungsgut vom Schlachtfeld in solchen germanischen Siedlungen. Die Gesellschaft wird sozusagen verändert durch die Schlacht . Und diese Wechselwirkungen zu erforschen, darum geht es."

    Dr. Achim Rost von der Universität Osnabrück hat jahrelang die Ausgrabungen in Kalkriese begleitet und erforscht hat. Für ihn ist ein Perspektivenwechsel in der Schlachtfeldarchäologie, erforderlich. Denn es gehe nicht nur um das Schlachtgeschehen, sondern mehr noch um das was hinterher geschah.

    "Es stellt sich immer mehr heraus, dass die Kampfhandlungen von den Funden widergespiegelt werden, aber gefiltert durch das, was hinterher die Germanen gemacht haben, nämlich die Plünderungen, das heißt, das meiste des Materials ist mitgenommen worden. Wir müssen lernen, die Reste, die zurückgeblieben sind, angemessen zu interpretieren."

    Was ließen die Germanen zurück, was haben sie mitgenommen, was konnten sie also verwerten?
    Ein Blick auf ein anderes Schlachtfeld kann da nützlich sein. Die letzte große Schlacht der Indianer 1876 gegen General Custer bietet interessante Einblicke und Vergleichsmöglichkeiten.

    "Die Indianer haben nach dem Gefecht mit Custer im späten 19. Jahrhundert auch nicht einfach alles so mitgenommen, sondern sie haben ausgewählt. Da lernen wir hier für Kalkriese, wo die schriftliche Überlieferung sehr viel schlechter ist, da lernen wir Interpretationsmodelle kennen. Es ist faszinierend, obwohl natürlich Krieg immer ein Phänomen ist, das nicht die schönsten Verhaltensmuster des Menschen deutlich macht, wie beispielsweise die Indianer die Uniformen mitgenommen haben, auch getragen haben, selbst wenn die nicht gepasst haben, aber sie haben die Stiefel so nicht mitgenommen, sie haben die eigenen Mokassins getragen, die Stiefel waren für sie nur Rohmaterial, sie haben die Schäfte abgeschnitten - das ist durch Augenzeugenberichte überliefert - haben daraus Taschen gemacht und die Fußteile liegen gelassen. Und das erinnert doch sehr an unsere Beobachtung mit den Schilden. Als Waffe waren die Schilde für die Germanen so nicht brauchbar, sie insgesamt mitzunehmen wäre vergebliche Arbeit gewesen, Holz und Leder waren uninteressant - bei uns zumindest - und deswegen, weil sie nur an dem Metall interessiert waren, haben sie selektiert."

    So wird verständlich, warum in Kalkreise mehrere Haufen mit römischen metallenen Schildrandbeschlägen gefunden wurden.

    Ein anderes germanisch-römisches Schlachtfeld. Es wurde vor etwa zwei Jahren wurde am Harzhorn in der Nähe von Northeim im südlichen Niedersachsen entdeckt, Auch hier gab es eine große Anzahl von Funden, weit mehr 2000 Einzelstücke, wie Dr. Michael Gschwinde vom niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege erläutert.
    "Das fängt an bei sehr großen Objekten wie Teilen von Wagen, großen Waffenteilen. Es sind aber auch sehr kleine Funde wie römische Schuhnägel, die aber sehr wichtig sind, weil sie die Marschbewegung der römischen Soldaten wiedergeben."

    Nach Auswertung der Funde kommen die Archäologen zu dem Ergebnis, dass diese antike Schlacht zwischen 230 und 240 unserer Zeitrechnung stattgefunden haben muss. Und anders als in Kalkriese waren diesmal die Römer die Sieger. Für die noch junge Wissenschaft der Schlachtfeldarchäologe, so Günther Moosbauer, ist der Fundort Harzhorn ein Glücksfall.

    "Am Harzhorn gibt es ein ganz anderes Fundspektrum als in Kalkriese. Das heißt am Harzhorn haben wir mehr Fernwaffen der Römer, aber fast nichts von der persönlichen Ausrüstung. Daraus lässt sich schließen, dass anders als in Kalkriese die Römer ihre Verwundeten versorgt, die Toten geborgen und bestattet haben. Wir haben es also mit einem römischen Erfolg, mit einem römischen Sieg zu tun. Und es ist wunderschön, aus der Arbeit in Kalkriese diese Interpretation jetzt am Harzhorn machen zu können."

    Ganz andere methodische Probleme hat Dr. Thomas Terberger, Professor für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Greifswald. Er untersucht ein Gebiet in der Nähe von Neubrandenburg. Es liegt in einem Flusstal, dem Tollensetal.

    "Dort haben wir Funde, die wir im Gelände entdecken, von denen wir vermuten, dass sie etwas mit einem Schlachtfeld zu tun haben können, aber im Gegensatz zu den Kollegen, die wir hier treffen, verfügen wir über keine Schriftquellen zu diesem Fundplatz, denn dieser Fundplatz ist über 3000 Jahre alt und gehört in die Bronzezeit."

    In diesem Flusstal und im Fluss selber wurden schon seit längerem immer mal wieder menschliche Knochen entdeckt. Als sich dies häufte, begann die systematische Erforschung dieses Gebiets. Dabei wurden Knochen mit Verletzungen und sogar ein Knochen mit einer Pfeilspitze gefunden. Auch zwei Holzschwerter wurden von den Archäologen entdeckt. Die Bronzezeit gilt als Zeitalter, in dem Schwerter, Dolche und Helme aus Bronze entstanden. Doch hier war der neue Werkstoff noch nicht angekommen.

    "Wir finden an unserem Fundplatz nicht Hinweise darauf , dass man mit Schwertern aufeinander losgegangen ist, unsere Spuren sprechen ehe dafür, dass Pfeil und Bogen die Waffen der Wahl waren, so dass man das Bild, das wir aus unseren Bodenfunden, der Gräber, in der Regel rekonstruieren, Schwertkämpfer, dass das vermutlich nach unseren Befunden nicht das richtige Bild in Anführungsstrichelchen ist. Vielmehr sind die Leute wahrscheinlich mit Pfeil und Bogen und mit Holzknüppeln aufeinander losgegangen. Denn bevor manch einer umständlich sein Schwert gezückt hat, hat die Holzwaffe vielleicht schon den Schädel eingeschlagen."