Selbst Thomas Mann rühmte dieses Buch als ein "Meisterwerk verinnerlichter Prosa", sein Kollege Hermann Broch schwärmte von ihm als einem "Hexen- und Engelskessel", in dessen Tiefe es unaufhörlich gäre und koche. Wie in fast allen Büchern Langgässers ist der Roman auf ein katholisch-spirituelles Weltbild fundiert, auf eine Melange aus Mythologie, Naturmagie und christlicher Heilslehre, die die Weltgeschichte als ein ewig währendes Ringen zwischen Gott und Teufel zu deuten sucht.
"Das Heilige Feuer", so nannte sich sinnigerweise jene katholische Monatsschrift, in der 1920 die ersten Gedichte Elisabeth Langgässers erschienen. Daß auch in ihren Gedichten ein "heiliges Feuer" lodert, hat die Autorin in einem aufschlußreichen Brief an Karl Krolow zu erläutern versucht - ein Bekenntnis, das für ihr gesamtes Oeuvre gilt: "Ich bin eigentlich kein Lyriker im strengen Sinne", heißt es da, "sondern meine Verse sind Teile einer Liturgie...Sie sind reine Mysteriengedichte." Diese katholische Mysteriendichtung geriet nach dem Tod der Dichterin im Juli 1950 bald unter Ideologieverdacht. Schon bald nach dem Aufflackern des schnellen Ruhms hatte die sich politisierende Literaturwelt ihr Werk wieder vergessen.
Erst 1986 geriet ihr Name wieder in die Schlagzeilen, als der erschütternde Lebensbericht ihrer Tochter Cordelia Edvardson ("Gebrannntes Kind sucht das Feuer") veröffentlicht wurde. Die fromme Legende von der politisch untadeligen Schriftstellerin Langgässer schien nach Veröffentlichung dieses Buches ein für alle Mal zerstört. Cordelia Edvardson, die älteste Tochter Elisabeth Langgässers, die einer unehelichen Verbindung mit dem jüdischen Sozialisten Hermann Heller entstammt, wurde nach Vollzug der Nürnberger Rassengesetze als sogenannte "Volljüdin" eingestuft, mußte 1941 ihr Elternhaus verlassen und wurde 1944 nach Theresienstadt und später nach Auschwitz deportiert. Die unrühmliche Rolle, die Elisabeth Langgässer bei den Verhören durch die Gestapo spielte, wurde ihr von vorschnellen Exegeten (auch von der ansonsten verläßlichen Biographin Ursula El-Akramy) als Verrat und als Opferung der Tochter ausgelegt.
In der soeben erschienenen Neubearbeitung seiner Langgässer-Biographie versucht nun Frederik Hetmann diesen Verdacht zu zerstreuen und das passive Verhalten Langgässers als Folge einer heillosen Zwangslage zu rechtfertigen. Schwerer als die biographischen Korrekturen am überlieferten Langgässer-Bild wiegen allerdings die Einsichten Hetmanns in die untergründige antisemitische Motivik der Langgässer-Romane. Unter Rückgriff auf amerikanische Studien kann Hetmann nachweisen, dass Langgässers Texte stellenweise infiziert sind von Denkfiguren der faschistischen Rassenlehre. Der Fall Elisabeth Langgässer, so zeigen die Erkenntnisse des Biographen, ist noch nicht abgeschlossen; dennoch bleibt zweifelhaft, ob ihre Bücher aus dem Staub der Bibliotheken befreit werden können.
Literatur über Elisabeth Langgässer:
Frederik Hetmann: Schlafe, meine Rose Die Lebensgeschichte der Elisabeth Langgässer Beltz & Gelberg, Weinheim 1999; 214 Seiten, ca. Fr. 29.80
Ursula El-Akramy: Wotans Rabe Elisabeth Langgässer, ihre Tochter Cordelia und die Feuer von Auschwitz Verlag Neue Kritik, Frankfurt 1997; 134 Seiten, Fr. 32
Die Werke Elisabeth Langgässers erscheinen im Claassen Verlag.