Donnerstag, 28. März 2024

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„Schland is the place for me“ von Fehler Kuti
Krank von Schland

Auf seinem Debütalbum „Schland is the place for me“ beschäftigt sich der Münchner Dramaturg Julian Warner alias Fehler Kuti mit der Ausgrenzung von Minderheiten. Musik bietet ihm dabei die Möglichkeit, identitätspolitische Dissonanzen zu thematisieren und Grenzen zu überschreiten.

Von Andi Hörmann | 30.11.2019
Auf dem Bild ist der afrodeutsche Musiker Fehler Kuti zu sehen. Er steht vor einer Grünfläche und trägt eine rote Wollmütze
Dekonstruktion durch Trachten-Weste: Musiker Julian Warner alias Fehler Kuti (Andi Hörmann)
Zunächst ist da das Lachen. Julian Warner lacht gerne, lacht viel, lacht von Herzen und meint es doch ernst.
"'Schland is the place for me' ist eine München-Platte."
Im Titel-Track gibt ein analoges Synthesizer-Stakkato die Richtung vor. Dann beginnt der Sound, sich langsam zu zersetzen. Plötzlich bleibt der Beat hängen. Dann analoge 8-Bit-Game-Musik.
"Schland is the place for me" - Humor ist gesund. Auch wenn einem manchmal das Lachen im Halse stecken bleibt.
"Wir sind alle krank, krank von Schland."
Und trotzdem ist es das Zuhause von Julian Warner. Deutschland, dem die Boulevardpresse seit dem Fußball-Sommermärchen die ersten vier Buchstaben wegrationalisierte. Schland. Mehr bleibt nicht von der "Deutschland"-skandierenden Masse im Stadion. "Schland is the place for me", da schwingt auch AfD und Pegida, Fremdenfeindlichkeit und Entfremdung mit. Julian Warner, alias Fehler Kuti, formuliert es auf seinem Solo-Debüt als internationalen Funk-Notruf.
"Ich finde, sie haben ein Rassismus-Problem"
Julian Warner hat da prägende Erlebnisse hinter sich. "People of Colour" haben es nach seinen Erfahrungen in der bayerischen Landeshauptstadt nicht einfach mit den Ausläufern der Migrationspolitik. Die Hautfarbe als rotes Tuch für die Gesetzeshüter. Stichwort: Racial Profiling.
"Also es gab eine Zeit, da bin ich jedes Mal, wenn ich zum Hauptbahnhof gegangen bin, um irgendwo hinzufahren, kontrolliert worden: Der ICE geht auf, und ich bin der einzige, der rausgezogen wird. Dann habe ich gesagt: 'Ich finde, sie haben ein Rassismus-Problem.' Dann haben die mich mit aufs Revier genommen, und dann wurde ich da auseinandergenommen."
Julian Warner trägt gerne rote Wollmütze — mit Signalwirkung: Rotkäppchen und der böse Wolf, oder: Alarm! 1985 ist er geboren, wächst am Niederrhein auf, studiert in München Theaterwissenschaft, Amerikanische Literaturgeschichte und Ethnologie. Seit Oktober 2015 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturanthropologie der Universität Göttingen. Seine Schwerpunkte sind Black Diaspora Studies, Rassismus- und Popkulturforschung. Als Fehler Kuti macht er nun Musik, in der er wissenschaftliche Theorie auf politische Praxis treffen lässt.
"Also es gab eine Zeit, da fühlte ich mich einfach allein. Und wenn ich das aber übersetze in Musik, dann wird es etwas anderes. Es wird Kommunikation. Und in dieser Kommunikation gibt es ja dann auch andere Rezipienten im Studio: Tobias hört das, Markus hört das."
Mit den beiden hat er das Album aufgenommen. Tobias Siebert, Musikproduzent und Studiobetreiber in München. Und: Markus Acher, der Sänger von The Notwist. Er sitzt am rumpelnden Schlagzeug und spielt auch schon mal ein entzückend purzelndes Solo.
"Stranger Thunderbird" heißt dieses Stück. Es geht darin um den Hungerstreik von rund 80 Geflüchteten am Sendlinger-Tor-Platz in München im Herbst 2016. Um sich vor der Räumung zu schützen, sind sie auf Bäume geklettert. Drei Jahre zuvor gab es 2013 am Münchner Rindermarkt schon ein Geflüchteten-Camp, das von der Polizei gewaltsam geräumt wurde. Kurze Zeit später beobachtete Julian Warner dort den Christopher Street Day und stellte sich die Frage nach der Legitimierung um den Kampf von Minderheiten.
Dekonstruktion durch Trachten-Weste
"Während die einen um ihre Anerkennung, um ihre Freiheit demonstrieren, werden die anderen sozusagen aus der Politik rausgedrängt."
Auch diesem Ort hat Fehler Kuti ein Stück gewidmet. "Rindermarkt" kommt wie bunter Seifenblasen-Pop daher.
"Schland is the place for me" ist ein starkes, politisches Pop-Album. Julian Warner alias Fehler Kuti plädiert dabei nicht nur für bedingungslose Solidarität mit Migranten, er intoniert damit auch eine Ablehnung des Scheuklappen-Denkens volkstümelnder Fremdenfeindlichkeit. Es ist "Music of Colour" mit kritischer Couleur. Dazu passt sogar seine gestrickte, bayerische Trachten-Weste.
"Sie ist unglaublich warm, sie ist unglaublich chic, modisch, zeitlos vielleicht sogar. Und für mich ist das große Dekonstruktion, wenn ich das trage."
Sozusagen: Dekonstruktion durch Trachten-Weste!
"Wenn das deine Hook wird, dann sind wir keine Freunde mehr."
Und da ist es wieder, das entwaffnend sympathische Lachen von Fehler Kuti. Protest und Popmusik mit Zähne fletschendem Humor.