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Schlaue Affen

Psychologie. - Schimpansen überraschen die Forscher immer wieder mit neuen geistigen Höchstleistungen. Diese Woche geisterte gar eine Meldung durch die Agenturen, Schimpansenkinder seien schlauer als menschliche Kinder. Die Wissenschaftsjournalistin Kristin Raabe berichtet im Gespräch mit Gerd Pasch.

    Pasch: Frau Raabe, was steckt eigentlich hinter dieser Meldung?

    Raabe: Urheber ist die Universität von Portsmouth in Großbritannien, die eine Pressemitteilung mit der Headline "Elternlose Schimpansenkinder sind schlauer als menschliche Kinder" herausgebracht hat. Letztlich bezieht sich diese Meldung auf eine Veröffentlichung in der Fachzeitschrift "Developmental Psychobiology", an der Forscher der Universität Portsmouth und Leiden in den Niederlanden beteiligt waren. Und wenn man sich die Originalveröffentlichung mal genau anschaut, dann merkt man sehr schnell, das an der ganzen Sache eigentlich nicht viel dran ist.

    Pasch: Über welche Experimente berichten die Forscher denn in ihrer Veröffentlichung?

    Raabe: Da fängt es eigentlich schon an. Die Forscher beziehen sich auf Experimente, die in den Jahren 1980 bis 1990 am Yerkes Primate Center an der Emory University gemacht worden sind. Weil es dort immer wieder vorkommt, dass Schimpansenmütter ihre Kinder vernachlässigen oder auch bei der Geburt versterben, werden dort einige junge Schimpansen von Pflegern aufgezogen. Jetzt bekam eine Gruppe dieser Schimpansenwaisen besonders viel Zuwendung von ihren Pflegern, und zwar in der Form, dass die Jungen besonders viele Verhaltensweisen lernen sollten, die für das Sozialverhalten von Schimpansen wichtig waren. Eine andere Gruppe von Schimpansenwaisen, erhielt dagegen im Wesentlichen nur eine Versorgung ihrer physischen Bedürfnisse, aber kaum emotionale Ansprache oder Aufmerksamkeit. Die Forscher aus Leiden und Portsmouth haben also nur diese fast 20 Jahre alten Daten, die in der Fachwelt auch längst bekannt waren, neu ausgewertet. Das Ergebnis wird niemanden überraschen: Die Schimpansenkinder, die ein "Extra" an Aufmerksamkeit erhalten hatten, waren schlauer, emotional reifer und bindungsfähiger als die Gruppe der eher vernachlässigten Jungtiere. Letztere zeigte viele Verhaltensweisen, wie sie auch vernachlässigten Kindern in rumänischen Waisenheimen beobachtet worden waren.

    Pasch: Wie kommen die Forscher jetzt zu dieser Behauptung, Schimpansenkinder seien schlauer als Menschenkinder?

    Raabe: Letztlich geht das zurück auf die Tests, mit denen beide Gruppen von Schimpansenkindern auf ihre geistige Reife überprüft wurden. Diese Tests werden auch mit menschlichen Kindern gemacht. Und dabei konnte man sehen, dass Schimpansenkinder bis zu einem Alter von etwa neun Monaten besser abschneiden als der Durchschnitt der menschlichen Kinder in diesem Alter.

    Pasch: Dann sind Schimpansenkinder schlauer als Menschenkinder und die Überschrift stimmt?

    Raabe: Das kann man schon so sagen, richtig falsch ist es nicht. Es ist aber auch kein überraschendes Ergebnis, denn Schimpansenkinder kommen viel reifer auf die Welt als menschliche Säuglinge. Die starten praktisch nicht an derselben Linie wie wir. Das fängt schon damit an, dass Schimpansen als Jungtiere viel beweglicher sind und auch sein müssen. Kleinkinder lernen dagegen erst mit einem Jahr laufen.

    Pasch: Wie schaffen es solche Studien eigentlich immer wieder in Fachzeitschriften?

    Raabe: Ich kann da auch nur spekulieren. Manchmal ist es einfach so, dass eine altbekannte Tatsache einfach noch mal von Wissenschaftlern systematisch überprüft wird. Es ist auch wichtig, dass so etwas gemacht wird, weil durch solche Studien manchmal Beobachtungen quantifiziert werden können. Hier beispielsweise der Zeitpunkt, dass ab einem Alter von neun Monaten Menschen die Affen überholt haben. Meistens sind es die Journalisten oder Presseabteilungen der Forschungseinrichtungen, die dann einfach bestimmte Informationen weglassen und aus den verbliebenen Sachverhalten eine reißerische Überschrift schmieden.