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Schlaue Methoden

Nobelpreis 2003. - Walther Stühmer vom Max Planck Institut für Experimentelle Medizin in Göttingen arbeitet auf demselben Forschungsfeld wie der Chemie-Nobelpreisträger Roderik MacKinnon. Er kennt den Preisträger seit seiner Doktorandenzeit - und er kennt auch dessen wichtigstes Hobby: ''Arbeiten. Er ist wirklich ein Workaholic.''

Jan Lublinski |
    Der 47-jährige MacKinnon hatte zunächst Biochemie studiert, um auf Medizin umzusatteln und dann eine Weile als Arzt zu arbeiten. Im Alter von 30 Jahren begeisterte er sich so sehr für so genannte Ionenkanäle, dass er wieder in die Wissenschaft ging. Er wollte genau aufklären, wie Zellen untereinander Information austauschen können. Genauer, wie sie dies mit Hilfe von chemischen Signale tun, die sie über winzige Poren in ihrer Oberfläche verströmen.

    Seit über 30 Jahren ist bekannt, dass chemische Signale bestehend aus Natrium-, Calcium- oder Kalium-Ionen, durch Kanäle in der Zellwand gelangen und so elektrische Spannungen weiterleiten. Spannungen, die dafür sorgen, dass zum Beispiel Muskeln sich zusammenziehen und Nerven ihre Signale weiterleiten. Warum aber bestimmte Kanäle in der Zellwand nur Kalium, aber kein Calcium und kein Natrium hindurch lassen, war den Wissenschaftlern lange ein Rätsel - und für MacKinnon genau die richtige Herausforderung, erinnert sich Stühmer:

    Er hat sich einfach in den Kopf gesetzt, die Struktur der Kalium-Kanäle aufzuklären. Das hat er zu einer Zeit gemacht, als wir alle dachten, das wird noch ein langer Weg sei. Ich hätte nicht gedacht, dass er das in so kurzer Zeit schafft. Er hat sich dem völlig verschrieben und es einfach durchgezogen. Das ist schon erstaunlich.

    MacKinnon hatte zunächst mit so genannten elektrophysiologischen Methoden gearbeitet, mit denen man die Ströme messen kann, die durch einzelne Moleküle in der Zellmembran fließen. Dann aber kam er zu der Ansicht, dass er eine genauere Methode brauchte, um hier weiter zu kommen: Er begann, sich in die Technik der Röntgenkristallographie einzuarbeiten: Mit Hilfe von Röntgenstrahlen ist es möglich, die dreidimensionale Struktur einzelner Moleküle genau aufzuklären. Dazu musste man jedoch die Moleküle aus den Ionenkanälen in großen Mengen vermehren und zu Kristallen züchten. Ein Kunststück, das MacKinnon mit Hilfe eines Bakteriums gelang, das bereits sehr früh in der Evolution entstand, und dessen Kalium-Kanäle eine sehr einfache Struktur besitzen. Mit Hilfe gentechnischer Methoden, stellte er die Kanal-Moleküle in großen Mengen her, züchtete aus ihnen Kristalle und konnte so die Ionenkanäle genau lokalisieren. Stühmer:

    Das war der erste wichtige Schritt. Er hat das dann sehr schlau zum Beispiel mit Antikörpern zusammengebunden, die eine wässrigere Phase haben und leichter zu kristallisieren sind. Er konnte damit Sachen sehen, die man sonst nicht sehen kann. Er hat ganz besonders schlaue Methoden verwendet.

    Im Jahr 1998 setzte MacKinnon dann die letzten Steinchen seines Puzzles zusammen: Seinen staunenden Kollegen präsentierte er eine genaue Abbildung der räumliche Struktur des Kanals, durch den die Kalium-Ionen wandern - samt einem detaillierten Bild, wie die Kalium-Ionen hindurchwandern - und warum nur sie durch dieses Nadelöhr gelangen - während Natrium- und Calcium-Ionen dagegen in einer Art Filter hängen bleiben.
    Außerdem fand MacKinnon eine Art molekularen Schalter, der den Ionenkanal öffnet oder schließt. Er hat damit als erster die Signalprozesse der Zelle auf atomarer Ebene aufklären können.