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Schleswig-Holstein
Ärger um Windkraft-Ausbaupläne

Der Ausbau der Windenergie ist in Schleswig-Holstein ein Reizthema. Die Jamaika-Regierung hat nun die Pläne für den Bau neuer Windräder vorgestellt. Der Abstand der mächtigen Anlagen zu Wohnsiedlungen soll künftig größer werden, doch es gibt weiter Kritik von Bürgern.

Von Johannes Kulms | 22.08.2018
    Felder mit zahlreichen Windkraftanlagen bei Husum in Schleswig-Holstein
    Wichtiger Wirtschaftszweig im Norden, aber auch umstritten: Windkraftanlagen bei Husum (dpa picture-alliance/ Daniel Reinhardt)
    Der Sound von Windkraftanlagen gehört längst zum Schleswig-Holsteinischen Grundrauschen. Kein Wunder: Die Windbedingungen zwischen Ost- und Nordsee sind günstig. Die Branche ist ein wichtiger Wirtschaftszweig im industriearmen Norden.
    Doch auch in Schleswig-Holstein wird die Kritik stärker: Zu laut und zu hässlich seien die Anlagen. Und mit rund 3.100 Windrädern gebe es inzwischen einfach zu viele.
    Im Landtagswahlkampf im vergangenen Jahr war die Windenergie ein wichtiges Thema. Genauer die Frage: Wo und unter welchen Bedingungen neue Anlagen errichtet werden dürfen. CDU-Kandidat Daniel Günther versprach, die Regionalpläne der damaligen SPD-geführten Landesregierung noch einmal zu überarbeiten und höhere Abstände zu Häusern und Siedlungen durchzusetzen. Günther gewann die Wahl.
    Doch für die seit einem knappen Jahr regierende Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP ist die Windenergie ein dicker Brocken. Nun verkündet Schleswig-Holsteins scheidender Umweltminister Robert Habeck von den Grünen, er sei sicher, …
    "... dass mit diesem Tag heute sowohl der politische Konflikt, wie aber auch der stockende Ausbau der Windkraft in Schleswig-Holstein zu einem Ende kommt bzw. aufgelöst wird. Und ich freue mich, dass wir das hier noch so gemeinsam verkünden können."
    Regierungspläne: Mehr Windanlagen, mehr Abstand
    Der zweite Entwurf der neuen Regionalplanung sieht vor, knapp 98 Prozent der schleswig-holsteinischen Landesfläche auch in Zukunft frei von Windkraftanlagen zu halten. Auf den restlichen 1,95 Prozent der Landesfläche soll bis 2025 die Zahl der Anlagen von 3.100 auf 3.600 gesteigert werden. Damit soll am Ende eine Gesamt-Leistung von 10 Gigawatt erreicht werden.
    Die neuen Pläne wollen die Abstände zu Siedlungen auf 1.000 Meter anheben. Die Distanz soll mindestens die fünffache Höhe der Räder betragen. In dünn-besiedelten Gebieten ist wiederum eine "3H-Regelung" geplant. Das bedeutet: Der Abstand zu Wohnhäusern soll die dreifache Anlagenhöhe haben, mindestens aber 400 Meter.
    Rund 6.500 Einwendungen seien für den neuen Entwurf geprüft worden, so Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote. Nicht jeder Forderung könne man nachgeben, sagt der CDU-Politiker:
    "Ziel ist, eine Konzentrationsplanung aufzubauen, und dadurch schaffen wir an vielen Stellen auch eine echte Entlastung der Landschaft und der Bevölkerung. Und der beklagte Wildwuchs der Jahre vor 1997 soll sukzessive auch zurückgebaut werden."
    Bürgerinitiativen kritisieren Ausbaupläne
    Die Neuplanung ist Konsequenz eines Gerichtsurteils aus dem Januar 2015: Die Politik müsse klare Bedingungen formulieren, wo und wie Windkraftanlagen errichtet werden, entschied das Oberverwaltungsgericht in Schleswig. In einer Gemeinde einen Windpark nicht zu bauen, nur weil die Bevölkerung vor Ort dagegen sei, reiche nicht als Begründung.
    Doch mit den neuen Plänen habe Jamaika keineswegs den großen Wurf geschafft, sagt Susanne Kirchhof von der Bürgerinitiative Gegenwind im NDR Fernsehen:
    "Ein ganz winziger Teil der betroffenen Menschen profitiert von dieser minimalen Abstandsvergrößerung - die im übrigen ja weit hinter der Forderung unserer Volksinitiative zurückbleibt. 1.000 Meter Abstand sind aus unserer Sicht immer noch nicht ausreichend - das müssen mehr Abstände sein."
    Die Bürgerinitiative behält sich ein Volksbegehren gegen die Ausbaupläne vor.
    Bundesverband Windenergie zufrieden, Opposition wettert
    Jamaika habe ein Jahr des Stillstands in der Windbranche zu verantworten, so der energiepolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Thomas Hölck. Tausende Jobs seien inzwischen in Gefahr. Zudem kritisiert Hölck, dass der neue Planungsentwurf bestimmte Prüfungskriterien lockert. Denn Bereiche des Denkmal-, Natur- und Gewässerschutzes sollen künftig stärker für die Windenergienutzung geöffnet werden. Diese Änderungen seien der Gipfel der Heuchelei grüner Umweltpolitik, ätzt Thomas Hölck.
    Der auch für den Naturschutz verantwortliche Minister Robert Habeck verteidigt die gesunkenen Abstände zu Greifvögeln. Denn der Wildvogelbestand in Schleswig-Holstein erhole sich. Insgesamt seien die Kriterien so minimal verändert worden, "dass man keinen Schmerz spürt."
    Der Bundesverband Windenergie zeigt sich zufrieden mit den neuen Plänen. Die sind allerdings noch nicht endgültig. Bis Anfang des kommenden Jahres haben die Schleswig-Holsteiner Gelegenheit, zu den im Internet veröffentlichen Unterlagen Stellung zu nehmen. Der Bundesverband Windenergie rechnet mit einer dritten Anhörung der Pläne.