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Schleswig-Holstein
Was die SPD-Basis von Martin Schulz erwartet

Martin Schulz ist gerade erst SPD-Kanzlerkandidat geworden und muss direkt in den Wahlkampfmodus schalten. Im Frühjahr stehen drei Landtagswahlen an, unter anderem in Schleswig-Holstein. Bei der SPD-Basis im Norden erhofft man sich von Schulz neuen Schwung.

Von Johannes Kulms | 30.01.2017
    Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (l-r, alle SPD), Martin Schulz und der SPD-Landeschef und Bundes-Vize Ralf Stegner.
    Zu Gast im Norden: Martin Schulz zwischen Ministerpräsident Albig (l) und SPD-Landeschef Stegner. (picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt)
    Think small! An diese Devise dürften sich viele Sozialdemokraten angesichts einer langen Zeit als unschlagbar geltenden CDU-Kanzlerin gewöhnt haben.
    Entsprechend können schon kleine Erfolge schnell als Hoffnungsschimmer gelten. Das fängt bereits beim T-Shirt-Stand auf dem Landesparteitag der schleswig-holsteinischen SPD an.
    "Die Tage vorher war es etwas schleppend aber heute haben wir super engagierte Sozialdemokraten, die auch die T-Shirts tragen und die uns stolz machen damit."
    Sagt der 21-jährige Jannek Berger, der seit 1,5 Jahren SPD-Mitglied ist. Zehn T-Shirts hat er an diesem Sonntagmorgen bereits verkauft – das seien schon jetzt mehr als in den vergangenen zwei Tagen zusammenaddiert! Das knallrote Kleidungsstück ist sicherlich nicht die Schöpfung eines Modezars. Doch wichtiger ist die Botschaft, die das T-Shirt trägt.
    "SPD Schleswig-Holstein. Wir können das. Wir wollen das. Wir machen das. Unser Wahlkampf-T-Shirt!"
    "Herr Schulz ist einfach mega kompetent"
    Mindestens genauso zuversichtlich verkündet der neue Hoffnungsträger der SPD wenige Stunden später im Berliner Willy-Brandt-Haus:
    "Und ich trete mit dem Anspruch an, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden."
    Jannek Berger freut sich, dass Martin Schulz nun Sigmar Gabriel als Parteivorsitzenden ablöst – und das Rennen ums Kanzleramt annimmt. Vergangenen Herbst hat er Schulz auf einer Veranstaltung in Kiel erlebt:
    "Herr Schulz ist einfach mega kompetent. Und er strahlt auch so was Freundliches aus. Bei dem fühlt man sich richtig wohl, wenn der redet. Das ist ein guter Mann. Bei Gabriel bin ich fast eingeschlafen. Also, er ist natürlich auch auf seinem Themengebiet gut. Aber ihm fehlt dieses Charisma."
    Der frühere Präsident des EU-Parlaments bringe Schwung in die Partei glauben viele von der versammelten SPD-Basis in Lübeck.
    "Also erst mal ist er ja neu, er ist also nicht so vorbelastet, der hat eben Drähte nach draußen auch, er ist Europapolitiker."
    Findet Heike Treffan, seit 1981 SPD-Mitglied und im Herzogtum Lauenburg lange als Kommunalpolitikerin aktiv gewesen.
    Schulz muss zeigen, wofür er steht, finden viele
    "Und ich glaube schon, dass uns das zugutekommen kann. Vieles anderes können wir ja noch gar nicht sagen – weil wie er über Bildung denkt oder Soziales, das weiß ich jetzt eigentlich gar nicht so richtig muss ich ehrlich sagen."
    Auch andere Genossinnen und Genossen sind der Meinung, dass Schulz erst noch zeigen müsse, wofür er innenpolitisch stehe. Anders sieht es André Hense. Für ihn gilt:
    "Lasst doch Martin Schulz selber seine Inhalte bestimmen und nicht jetzt alle Wünsche und sonst was an ihn herantragen und in ihn hineintrichtern."
    Natürlich erhoffen viele sich auch Rückenwind für die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein am 7. Mai. Anders als im Bund führen die Sozialdemokraten hier mit Torsten Albig die Regierung an. Doch in Umfragen hat Albigs "Küstenkoaliton" aus SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband zuletzt ihre Mehrheit verloren. Mit Blick auf Martin Schulz ist sich Albig sicher:
    "Er ist ein anderer Typ von Politiker, wie ihn viele vermisst haben, vielleicht auch bei uns vermisst haben. Er spricht die Sprache der Menschen."
    Sigmar Gabriel scheint fast schon ins Hintertreffen zu geraten
    "Ein anderer Typ" freilich als Sigmar Gabriel. Der Name des Mannes, der sieben Jahr lang die SPD geführt hat, scheint an diesem Sonntag bei der nordischen SPD-Basis fast schon ins Hintertreffen zu geraten.
    Viele zeigen sich nicht nur erleichtert, dass "Siggi" nun "nur" noch Außenminister ist. Sie ärgert auch, dass Gabriel zunächst die Medien über seinen Rückzug informierte – und erst dann die Partei. Es gibt aber auch durchaus Respekt von den Sozis – die gleichzeitig ahnen lässt, was Schulz nun vor sich hat. Zum Beispiel von Stefan Borghorst, der für einen Abgeordneten im Bundestag arbeitet.
    "Na ja, ich glaube, das ist so mit das einsamste Amt der Welt, was man neben dem Papst haben kann. Man hat irgendwie 400.000 Leute unter sich, die alle wissen, wie es besser geht und die alle immer finden, dass man dieses und jenes so und so machen sollte. Wie ein Bundestrainer, der hat halt 80 Millionen gegen sich. Das ist halt ein Job, den muss man halt so richtigem mit kühlem Kopf und heißem Herzen wollen."
    Vor allem mit Juso-Chefin Johanna Uekermann hatte Gabriel sich zuletzt auch öffentlich mal gefetzt. Frage an das 21-jährige Juso-Mitglied Lisa Behnke aus Bad Segeberg: Wie viel Zeit wird Martin Schulz haben, bevor auch er Dresche beziehen wird?
    "Wir werden gucken, was er jetzt sagt. Und wenn wir nicht einverstanden sind, dann äußern wir natürlich auch unsere Kritik." (lacht)