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"Schleyer wird aus dem Fond gerissen, entführt"

6.September 1977: Deutschlandfunk-Reporter Klaus Peters über die Entführung des Arbeitgeber-Präsidenten Hans Martin Schleyer in Köln.

    Peters: Zwei zerschossene Autos sind erschütternde Zeugen des bisher wohl erbarmungslosesten Terroristenanschlages in der Bundesrepublik. Sie standen bis kurz vor vier Uhr Früh am rechten Straßenrand in der kleinen sonst so friedlichen Vincenz-Statz-Straße im vornehmen Wohnviertel Köln-Braunsfeld. Eine gespenstische Szene, taghell ist der Tatort, bis in den frühen Morgen hinein von Kranscheinwerfern in gleißendes Licht getaucht, die Bäume werfen tiefe schwarze Schatten auf die schmalen Straßen und den Gehsteig, Glasscherben, Blut, Patronenhülsen, mit nummerierten Tafeln markiert, ein blauer Kinderwagen an der Gartenecke. Hier stoppte Schleyers Wagen um 17 Uhr 28 am Montag. Drei Beamte und der Fahrer sind tot, Schleyer wird aus dem Fond gerissen, entführt. Die Polizei löst eine Ringfahndung aus, findet den VW-Bulli in einer Tiefgarage im nahe gelegenen Müngersdorf. Zweieinhalb Stunden nach dem Überfall spielen sich erschütternde Szenen am Tatort ab. Die Frau des getöteten Fahrers kommt mit ihrer Schwester, sie fragt etwa 50 Meter vom Tatort entfernt einen Kollegen des "Kölner Stadtanzeigers", was die Menschentraube dort oben zu bedeuten habe. Der Kollege sagt es ihr, ich stehe unmittelbar dabei: "Das ist vermutlich der Arbeitgeberpräsident Schleyer, der dort entführt worden ist." Die Frau schreit auf: "Mein Mann, mein Mann! Ich bin die Frau des Fahrers!" Der Kollege schreibt in seiner Zeitung heute Früh: "Das waren meine schwersten Minuten an diesem Abend." Ich stand, wie gesagt, unmittelbar dabei, daneben, auch mich hat es sehr getroffen.

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