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Schluss mit dem Kabelwirrwarr

Dass es für jedes Handymodell ein eigenes Aufladegerät gibt, brachte wohl schon so manchen Verbraucher zur Weißglut. Auf Druck der EU hat sich die Branche vor einiger Zeit auf einen gemeinsamen Standard von Aufladegeräten geeinigt. Der Prototyp wurde heute vorgestellt.

Von Martin Bohne |
    Auch EU-Kommissare haben zuweilen ganz menschliche Probleme. So ärgert sich Antonio Tajani, zuständig für die Industriepolitik, über die vielen nutzlosen Handyladegeräte, die in irgendeinem Schubfach verstauben. Nutzlos geworden, weil ein neues Handy angeschafft wurde. Und wer musste nicht schon mal erleben, dass seinem Handy auf Reisen der Saft ausging – Ladegerät vergessen. Und andere konnten auch nicht aushelfen, weil jedes Handy halt ein anderes Ladegerät verlangt – immerhin gibt es derzeit etwa 30 verschiedene Sorten in Europa.
    Mit diesem Wirrwarr soll nun Schluss sein. Und Kommissar Tajani hat so eine gute Gelegenheit, sich als Anwalt der Verbraucher in Szene zu setzen:

    "Wir haben eine Menge Beschwerden von Verbrauchern bekommen. Und so hat die EU-Kommission beschlossen, das Problem mit den vielen Ladegeräten zu lösen."

    Und tatsächlich haben sich 14 führende Hersteller von Nokia über Samsung bis zu Sony Ericsson auf Brüsseler Druck auf eine einheitliche Schnittstelle für Mobiltelefone und Ladegeräte geeinigt. Antonio Tajani kann heute schon mal einen Prototypen begutachten.

    "Unser Leben wird einfach besser werden durch das harmonisierte Ladesystem. Und wenn sich das bewährt, dann wird sich diese friedliche Revolution, denke ich, auch andere Gerätearten ausbreiten."

    Aber erst einmal müssen alle die enttäuscht werden, die nur ein ganz normales Handy haben, mit dem man eben nur telefonieren kann und nichts weiter. Denn Voraussetzung für das neue Universalladegerät ist ein Mikro-USB-Anschluss. Den haben Smartphones, aber auch viele klassische Handys, um zum Beispiel Fotos auf den Computer herunterladen zu können. Die EU-Kommission schätzt, dass derzeit etwa die Hälfte aller Handys für den Universalstecker in Frage kommen. Tendenz stark steigend. Lutz Labs vom Computermagazin c´t findet die Wahl sehr plausibel:

    "Mikro-USB ist relativ klein, kann auch in relativ kompakten Geräten verwendet werden und ist vollkommen okay. Es funktioniert ganz wunderbar das Laden über diese Geräte."

    Vom neuen Standard sollen Kunden und Umwelt gleichermaßen profitieren. Zurzeit fallen etwa 50.000 Tonnen Elektroabfälle allein durch nutzlos gewordene Landegeräte an. Künftig soll es aber möglich sein, das alte Ladegerät zu behalten, wenn man ein neues Handy kauft. Die Industrie will das zumindest nicht ausschließen:

    "Im Prinzip könnten wir Mobiltelefone ohne Ladegerät verkaufen, meint Peter Harrison von Nokia. Aber das hängt von der Marktentwicklung und den Verbraucherwünschen ab."

    Der Verbraucher wird wohl dafür sein, denn ein Handy ohne Ladegerät müsste ja eigentlich billiger sein. Und ab wann kann man einen solchen Universalstecker kaufen? Beim deutschen Branchenverband BITKOM hofft man, dass das schon in den nächsten Wochen der Fall sein wird.