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Schneller zum Doktortitel

Schon lange wird in Deutschland darüber gestritten, wie Doktoranden schneller zu ihrem Titel kommen. Die Universität Bremen versucht jetzt einen neuen Weg: Sozialwissenschaftler können in drei Jahren promovieren und nebenbei noch in einem internationalen und interdisziplinären Qualifizierungsprogramm studieren. Möglich macht das ein Stipendium. Die ersten 14 Fellows an der Graduate School of Social Sciences wurden gestern zum Semesterbeginn in Bremen offiziell begrüßt.

    Von Folkert Lenz

    Allein ein paar Jahre im stillen Kämmerlein hocken - nur wegen der Doktor-Arbeit? Das wollte Elisabeth Reichert auf keinen Fall. Deswegen hat sich die Erziehungswissenschaftlerin aus Würzburg an der neuen Graduate School of Social Sciences an der Bremer Uni eingeschrieben:

    Ich habe mich im Wesentlichen dafür entschieden, weil es hier einen Diskussionszusammenhang gibt. Es gibt ungefähr fünf, sechs Leute, die am selben Themenbereich arbeiten. Und mir ist das ziemlich wichtig, Ideen auszutauschen und darüber zu diskutieren.

    Moderner Wohlfahrtsstaat, transnationale Beziehungen oder Lebenslauf-Forschung. Doktoranden, die zu einem dieser Themen ihre Dissertation schreiben wollten, konnten sich in Bremen bewerben. Auch Nina Wiechmann ließ sich davon locken, dass mehrere Doktoranden an einer Uni zu ähnlichen Fragen arbeiten.

    Das ist definitiv ein Vorteil, weil es eine kleine Gruppe ist, die gut betreut wird. Drei Jahre lang. Dass man eben nicht alleine promoviert. Und auch, weil es sehr international ist. Das bedeutet, dass also nicht nur internationale Studierende hier promovieren, sondern dass wir auch die Möglichkeit haben, ins Ausland zu gehen. Und das war für mich auch ein ganz wichtiger Punkt.

    Jetzt sind die ersten 14 Fellows - wie die angehenden Doktoren hier heißen - ins Semester gestartet. Gerade die Hälfte von ihnen kommt aus Deutschland, der Rest stammt aus der ganzen Welt. In drei Jahren soll aber nicht nur die Doktor-Arbeit fertig sein. Zum Promotionsstudium in Bremen gehört auch eine vertiefte Ausbildung in quantitativer und qualitativer Sozialforschung. Walter Heinz, künftiger Direktor der Graduate School:

    Ganz praktisch ist das so, dass wir Studierende hier mit Stipendien versehen, die aus verschiedenen europäischen und außereuropäischen Ländern kommen. Und die Grundidee ist, nicht zu promovieren in Einsamkeit und Freiheit, wie das mal bei Humboldt hieß. Sondern die Doktoranden werden sehr gut betreut, auch durch drei neue Juniorprofessoren, die wir in diesem Programm haben.

    Der "Doktorvater" oder die "Doktormutter" ist hier abgeschafft - und damit auch die persönliche Abhängigkeit vom Wohlwollen eines Professors. Wie bei angloamerikanischen Graduate Schools werden die Promovierenden von einem Team begleitet, sagt die Politologin Nina Wiechmann:

    Hier hat man ein Komitee aus drei Professoren, die die Arbeit betreuen. Es gibt noch immer eine zentrale Ansprechfigur, aber die Betreuung ist eben sehr eng und es gibt drei Leute, die im Endeffekt die Arbeit begutachten.

    Und noch etwas ist anders. Weil die Doktoranden ein Stipendium bekommen, brauchen sie nicht zu arbeiten, während sie an ihrer Dissertation schreiben. Kein "Nebenbei-Job" als wissenschaftlicher Mitarbeiter also. Elisabeth Reichert:

    Ich denke, das spielt eine große Rolle. Weil man als WiMi ja auch in andere Strukturen wie Lehrstuhl und so eingebunden ist und die ganzen Verpflichtungen hat, die man erfüllen muss. Und ich denke, hier können wir uns mehr auf die Doktorarbeit konzentrieren.

    Wo zügiges Arbeiten gewünscht ist, da müssen natürlich auch die Rahmenbedingungen stimmen. Uni-Rektor Wilfried Müller gibt zu, dass die Graduate School eine bevorzugte Stellung einnimmt:

    Die Graduierten-Fakultät kann im Moment drei Junior-Professoren einstellen. Die Universität muss eine bessere Verwaltungsausstattung zur Verfügung stellen, eine bessere Infrastruktur. Also es ist einfach eine insgesamt bessere Ausstattung als üblich.

    Das hat auch Nina Wiechmann schon bemerkt. Die Graduierten-Schule hat ein eigenes Gebäude. Der erste Eindrücke der Promotionsstudentin:

    Wir teilen uns Büros zu zweit. Wir haben aber jeder ein Büro auf dem Campus. Wir haben in dem Büro einen Computer - jeder! Und wir haben Seminarräume, die sich im gleichen Gebäude wie unsere Büros befinden - was die Distanzen kürzer macht.

    Das Wort "Elite-Schule" scheuen die Bremer Gründer aber im Zusammenhang mit der Bremer Graduate School for Social Sciences. Trotzdem freut sich Direktor Walter Heinz, dass er es mit den Besten des Faches zu tun hat:

    Das sind also sehr gute Studenten, die also schon durch ihre Vorstudien und guten Examen gezeigt haben, sie können in drei Jahren auch wirklich promovieren. Und unser Ziel ist es, das auch einzubetten in internationale Beziehungen, denn unsere Partneruniversitäten, die auch mit uns Professorenstellen austauschen sind die führenden in den USA, zum Beispiel Harvard, Cornell oder Northwestern.