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Schnoddrig, lakonisch, gut

Großes wurde erwartet von den drei Musikerinnen aus Hamburg, die unter dem Namen Die Heiterkeit die neuen deutschsprachigen Diskursbands um eine weibliche Position bereichern. Mit Absicht? "Herz aus Gold" heißt ihr Debüt, ein Titel, der sich als Neil-Young-Zitat oder auch ironisch-feministisch lesen lässt. Auf dem Album: Schnoddrige Anti-Liebeslieder mit Titeln wie "Alles ist so neu und aufregend" oder "Baby, wein mir keine Träne nach".

Von Christoph Reimann |
    "Irgendwie dachte ich mir, dass das geht: dass die Leute über einen reden, obwohl es nichts gibt. Es hat mich gewundert, dass das nach einen halben Jahr nicht aufgehört hat, denn irgendwann muss man ja [eigentlich] mit irgendwas ankommen. Ich glaube, wir haben dann genau den richtigen Zeitpunkt gewählt, um dann mal mit Musik rauszurücken."

    Stella Sommer ist Sängerin und Gitarristin bei Die Heiterkeit - am Bass ist Rabea Erradi, das Schlagzeug spielt Stefanie Hochmuth. Und am Anfang der Bandgeschichte vor zwei Jahren gibt es erstmal nicht viel: Nur ein Song macht irgendwann die Runde, und der klingt so schön schrabbelig:

    Dass sich die drei jungen Frauen solange in Schweigen hüllen und nur wenig von sich preisgeben, liegt nicht nur am richtigen Riecher für den wohlkalkulierten Mini-Hype, sondern ist auch einer gehörigen Portion Faulheit geschuldet:

    "Es lief halt immer so ab, dass wir Strophe und Refrain hatten und die Songs dann für fertig erklärt haben. Deshalb konnten wir auch nie auftreten, weil mit einer Strophe und einem Refrain - irgendwie ein langweiliges Konzert. Irgendwann haben wir uns dann soweit überwunden, dass wir uns hingesetzt und gesagt haben: Wir machen jetzt mal einen Song fertig."

    Irgendwann liegen dann aber zwölf fertige Songs vor. Und in denen singt Stella Sommer ganz nonchalant und immer auch ein bisschen schnoddrig von der Liebe und dem Leben, vom großen Gefühl, ohne jedoch gefühlig zu werden. Auf dem Label Nein, Gelassenheit der österreichischen Diskurspop-Band Ja, Panik, die mittlerweile in Berlin ansässig ist, finden die drei Frauen von Die Heiterkeit schließlich ihre Label-Heimat. Wie passend, denn die jungen Männer der Gruppe Ja, Panik sind doch selber solche Dandys, wie sie im Lied von der Heiterkeit besungen werden.

    Dass über Die Heiterkeit schon im Vorfeld so viel geredet wurde, liegt auch daran, dass die drei Frauen im Hamburger Nachtleben keine Unbekannten sind. Stefanie Hochmuth etwa arbeitet in einem der wichtigsten Clubs der Stadt, dem Uebel & Gefährlich, und im überschaubaren Nachtleben der Hansestadt läuft man sich zwangsläufig über den Weg. Man kennt sich. Darum auch die Spannung, als es hieß, die drei Frauen gründen eine Band. Der eben besungene Dandy wäre nichts ohne das Nachtleben und auch die Heiterkeit wäre nicht die Heiterkeit, könnten sie in ihren Songs nicht von den vielen Gefühlslagen erzählen, die die langen Nächte in Clubs und Bars so mit sich bringen. Sind die drei Damen von Die Heiterkeit also weibliche Dandys? Stella Sommer:

    "Ich glaube, das ist eher so eine Beobachter-Perspektive. Ich wüsste jetzt auch gar nicht ... so ein Dandy ... Vielleicht eher eine Grande Dame des Nachtlebens."

    Mit ihrer coolen Musik, mit ihrer stolzen Haltung drückt Die Heiterkeit jedenfalls ein Lebensgefühl aus, bei dem es nicht darum geht, möglichst schnell einen gut bezahlten Job zu ergattern. So gab es auch vor dem ersten Auftritt keine Facebook-Seite und kein YouTube-Videomitschnitt aus dem Proberaum, obwohl das doch heute bei jungen Bands, die sich selbst bewerben wollen, gang und gäbe ist. Die Heiterkeit schielt nicht auf den Markt, sie sieht das Leben als einen Freiraum, und den nutzt sie kreativ und lässt sich nicht hineinreden. Damit erinnern die drei Frauen, die sich am liebsten in vornehmes Schwarz hüllen, ein wenig an Hamburger-Schule-Bands wie Tocotronic oder die Lassie Singers, die ja auch gemerkt haben, dass bestimmte Vorstellungen eines bürgerlichen Lebens für sie ins Leere laufen. Stella Sommer:

    "Die haben halt ihr Ding gemacht, machen es vielleicht immer noch, aber wir, als junge Band, müssten uns vielleicht eher von jungen Bands abgrenzen, wenn es denn hier eine verstärkte Bewegung gäbe. Dass man irgendetwas aus einer Anti-Bewegung heraus macht, das wären ja dann eher junge Bands, und nicht die, die vor 20 Jahren schon in Hamburg Musik gemacht haben."

    Die Subkultur Hamburger Schule ist seit den ausgehenden Neunzigern Vergangenheit, Die Heiterkeit macht Musik aus dem Hier und Jetzt, nicht aus einer gesellschaftlichen Anti-Haltung heraus, wie es damaligen Bands oft wichtig war, aber eben auch nicht mit der Angepasstheit vieler anderer deutscher Bands, die aktuell Musik machen. Die Heiterkeit macht Musik aus purer Lust an der Selbstverwirklichung.

    Auf dem Album "Herz aus Gold" hört man, dass die Musikerinnen noch nicht ganz sicher sind an ihren Instrumenten, manchmal rasseln Gesang und die anderen Instrumente aneinander, es ruckelt hier und da der Rhythmus. Aber eben das Unangepasste macht den Charme der Heiterkeit aus. Das, und die Texte voll schöner Lakonie, bei denen Sängerin Stella Sommer oft nur ein Ich durch ein Du ersetzt, ohne dass die Zeilen dabei austauschbar werden.