Archiv


Schön gerechnet

Die landeseigene Beteiligungsgesellschaft HannBG, die für Niedersachsen Anteile an großen Unternehmen verwaltet, hat seit Jahren ihren Sitz in Hannover und zahlt dort auch Gewerbesteuer. Um bei diesen Steuern zu sparen, will das Land die HannBG umsiedeln: von Hannover in die 665-Seelen-Steueroase Groß Berßen.

Von Susanne Schrammar |
    Ärger und Aufregung in Hannover. Noch vor wenigen Monaten war die niedersächsische Metropole die Vorzeigestadt schlechthin: Eine Grand-Prix-Gewinnerin und einen Bundespräsidenten hat Hannover hervorgebracht, 520.000 Einwohner sind stolz auf die Expo-Stadt an der Leine, und selbst die international erfolgreiche Rockgruppe Scorpions will hier nicht weg. Doch ausgerechnet die schwarz-gelbe niedersächsische Landesregierung sorgt jetzt für Verstimmung: Wenn es um den Sitz einer landeseigenen Gesellschaft geht, gibt sie einer kleinen Gemeinde im niedersächsischen Emsland den Vorzug und Hannover einen Korb. Der Grund: Die Steuern in Hannover sind zu hoch! Steuerflucht in Niedersachsen? Oberbürgermeister Stefan Weil, SPD, ist not amused.

    "Mir ist diese Entscheidung unverständlich. Ich denke, wenn ein Staat sich unternehmerisch betätigt, dann sollte er sich Mühe geben, in Sachen Steuermoral durchaus vorbildlich zu handeln. Dass ausgerechnet ein Finanzminister zu solchen Mitteln greift, um Steuern zu sparen, das finde ich nicht sehr überzeugend und das erinnert tatsächlich an Briefkastenfirmen und da beschleichen einen leise Zweifel, ob das der richtige Weg ist."

    Und darum geht es: Die Beteiligungsgesellschaft HannBG, die für das Land Niedersachsen die Anteile an zahlreichen großen Unternehmen wie VW oder der Salzgitter AG verwaltet, hat seit Jahren ihren Sitz in Hannover und zahlt dort auch Gewerbesteuer. Oder besser gesagt, "hatte" und "zahlte". Denn vor wenigen Tagen ist sie auf Geheiß der Landesregierung in den kleinen Ort Groß Berßen im Nordwesten Niedersachsens umgezogen und Hannover guckt in die Röhre.

    Wie eine Steueroase sieht das 665-Seelen-Dorf Groß Berßen nicht gerade aus: Statt Jachthafen gibt es hier einen Dorfteich, statt Luxusgeschäfte einen einzigen Bäckerladen und ein Kasino findet man hier auch nicht, nur die Gaststätte "Zur singenden Wirtin". Schön ist es hier trotzdem, findet Bürgermeister Reinhard Kurlemann, CDU:

    "Wir haben ein ganz aktives Dorfleben hier, hier wird doch schon einiges geboten, auch vieles auf die Beine gestellt, vielleicht auch grade weil's so ein kleines Dorf ist, die Leute halten zusammen - auf dem Lande lebt man doch auch ganz gut."

    Gegenüber Hannover hat Groß Berßen einen entscheidenden Vorteil: Der Gewerbesteuerhebesatz liegt hier nur bei 270 Prozent, in der niedersächsischen Landeshauptstadt sind 460 Prozent zu zahlen. Und so wird das Stammkapital der HannBG - satte 316 Millionen Euro - künftig in angemieteten Räumen im rot geklinkerten Dorfgemeinschaftshaus in Groß Berßen verwaltet. Steuertricks, Briefkastenfirma? Der niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring kann die ganze Aufregung nicht verstehen.

    "Wir sparen etwa eine Million Euro an Steuern und diese eine Million haben wir zur Verfügung, mit der HannBG Gutes zu tun, zum Beispiel die Messe stärken, den Flughafen stärken, die Norddeutsche Landesbank stärken und deshalb habe ich das gemacht."

    Während Hannover mehrere Millionen Euro verliert, kann sich Groß Berßen künftig über knapp eine Million Euro mehr im Steuersäckel freuen- fast eine Verdoppelung des Dorfetats. Ein Wunder, von dem fast jeder Kämmerer träumt. Doch in Groß Berßen bleibt man bescheiden. Vielleicht werde er ein paar Feld- und Zufahrtswege ausbauen lassen, sagt Bürgermeister Kurlemann. Mehr Anfragen von sparwilligen Großunternehmen hat er derzeit übrigens nicht und wahrscheinlich sind sie auch nicht zu erwarten: Die nächste Autobahn ist 25 Kilometer entfernt und Gewerbeflächen sind auch keine mehr frei. Hannover kann also aufatmen, noch mehr Steuerflüchtlinge wird die Stadt an Groß Berßen vermutlich nicht verlieren.