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Schöne Gefühle bei der Weisheitszahn-Operation

Einen Menschen mit Hilfe der Hypnose in einen Trance-Zustand zu versetzen - in dem er Zeit und Raum vergisst - das ist spektakulär. Aber vielen gilt die Hypnose immer noch als Hokuspokus. Dabei hat sie in der Psychotherapie seit Sigmund Freud ihren kleinen aber festen Platz. Und auch in die Medizin hat die Hypnose inzwischen Einzug gehalten. In Lübeck haben Mediziner jetzt wissenschaftlich untersucht, ob sich die Hypnose ein Alternative sein könnte zu herkömmlichen Beruhigungsmitteln, wie sie etwa vor einer Operation gegeben werden.

Barbara Weber |
    Lassen Sie sich anleiten, ihren Körper jetzt mehr und mehr immer ruhiger und entspannter werden zu lassen

    Man kriegt halt einen Kopfhörer auf, dann wird eine CD abgespielt mit beruhigender Musik im Hintergrund und einem Arzt, der beruhigend auf einen einspricht. Und das ist im Prinzip die Hypnose.

    Die 26jährige Nicole Pockemöller hatte große Angst vor der Entfernung ihrer Weisheitszähne. In der Universitätsklinik Kiel hörte sie zum ersten Mal von der Möglichkeit, das auch unter Hypnose machen zu lassen. Ihr behandelnder Arzt, Dr. Dirk Hermes, erläuterte ihr zu Beginn der Behandlung, dass die medizinische Hypnose mit einer Showhypnose nichts zu tun hat.

    Bei uns geht es lediglich darum, eine chirurgische Behandlung zu einer guten Erfahrung für den Patienten zu machen und unsere Behandlungsbedingungen deutlich zu verbessern.

    Die Patienten brauchen weniger Schmerzmittel; die Operation läuft entspannter; die Behandlungsdauer kann - bei langwierigen Eingriffen - manchmal sogar verkürzt werden. Das ist das Resümee einer Studie, die Dirk Hermes an 185 Patienten durchgeführt hat.

    Also es gibt für den rein klinischen Einsatz von medizinischer Hypnose bei chirurgischen Operationen keine größeren Untersuchungen. Insofern kann man schon sagen, dass wir in gewisser Hinsicht Pionierarbeit verrichten. Wir haben jetzt erst mal eine eher experimentelle Phase abgeschlossen. Wir wollten einfach feststellen, ob das für uns eine Option ist, ob sich das für unsere Zwecke einsetzen lässt und ob wir und die Patienten davon profitieren. Die Ergebnisse sind schon erstaunlich.

    Nur 11 Patienten profitierten nicht von der Behandlung. Die anderen berichteten von Angstminderung, von Entspannung und von schönen Gefühlen - bei chirurgischen Eingriffen eher ungewöhnlich. Ähnlich unangenehme Assoziationen wie vor einem kieferchirurgischen Eingriff haben Patienten, die sich einer Magenspiegelung unterziehen müssen. Zwar gibt es Kliniken, die diese Untersuchung schon unter Hypnose durchführen, aber bislang noch keine gesicherten Erkenntnisse, ob und wie dieses Verfahren funktioniert. Stefan Junker, Psychologiestudent an der Universität Heidelberg, hat jetzt eine Untersuchung abgeschlossen, die er in seiner Diplomarbeit veröffentlichen wird:

    Ich habe ein Verfahren entwickelt, indem man Patienten binnen 5-6 Minuten mittels einer Hypnosetechnik auf die Untersuchung vorbereiten kann, so dass sie eine angenehme Untersuchung haben, die mit möglichst wenig unangenehmen Nebenwirkungen zu tun hat.

    Von den ursprünglich 60 Patienten einer niedergelassenen Praxis waren 25 bereit, eine Magenspiegelung ohne Medikamente durchführen zu lassen, unter anderem auch deshalb, weil medizinische Gründe gegen den Einsatz von beruhigenden Arzneimitteln sprachen.

    Generell kann man sagen, dass Hypnose für alle Beteiligten, sowohl von den physiologischen Werten als auch von den psychologischen Werten, als das geeignetste Verfahren erscheint, bei den Patienten, bei denen das durchgeführt wurde, mehr noch als bei Dormicum.....

    ... dem sonst intravenös eingesetzten Entspannungsmittel.

    Das schlägt sich z.B. nieder in der Untersuchungszeit, die kürzer ist. Der Untersuchungsablauf ist aus Sicht der behandelnden Ärzte günstiger, das heißt man kommt mit seinem Untersuchungsgerät sozusagen besser und schneller um die Ecken. Die Patienten sind motorisch ruhiger, das heißt, es kommen nicht so viele Armbewegungen, Beinbewegungen vor, das heißt so gut wie gar keine. Die Patienten müssen vor allem nicht so viel würgen. Das zeigt sich sehr deutlich. Bei einer Hypnosebehandlung kommt es im Schnitt zu drei Würgereflexen, wenn das Gerät eingeführt wird gegenüber 10-11 Würgevorgängen bei einer normalen Atementspannung oder medikamentösen Vorgehen.

    Die Hypnose ist ein Verfahren, das inzwischen in der Psychotherapie zwar etabliert, in der Medizin aber neu entdeckt wird. Dirk Revenstorf, Professor für Klinische Psychologie an der Universität Tübingen, hat mit seinem Team in einer Metastudie alle bislang veröffentlichten Untersuchungen zur Hypnose, die Evidenz-basierten Ansprüchen genügen, analysiert:

    Es gibt einige Bereiche, wo der Erfolg sehr gut nachgewiesen ist. Beispielsweise in den Bereichen von verschiedenen Angststörungen, bei verschiedenen Formen der Schmerzbewältigung, seien es akute, operative Schmerzen, Geburtsschmerzen aber auch bei chronischen Schmerzen aber auch bei psychosomatischen Schmerzen, und bei einigen Suchterkrankungen, speziell eben beim Tabakabusus gibt es relativ viele Studien, die das deutlich machen.

    Prof. Walter Bongartz von der Universität Konstanz analysierte Studien, die sich mit dem Einfluss von Hypnose auf das Immunsystem beschäftigen. Sein Ergebnis: das Blutbild verbessert sich unter Hypnose, und auch das Immunsystem lässt sich positiv beeinflussen.

    Weitere Informationen:

    Milton Erickson Gesellschaft für Klinische Hypnose Waisenhausstr. 55 80637 München www.meg-hypnose.de

    Beitrag als Real-Audio

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