Mit der wirtschaftlichen Liberalisierung Indiens Anfang der 90er Jahre begann der Siegeszug des Satellitenfernsehens. Die altehrwürdige Times verlor Werbekunden und Leser, und für die Herausgeber war klar, dass sich etwas ändern musste. Zumindest dann, wenn sie weiter Geld verdienen wollten. Also hörten sie auf die Wünsche der Werbekunden, sagt Dina Vakill, bis vor kurzem Chefin der Redaktion in Bombay:
O-Ton Vakill:
"Die Werbekunden wollten eine andere Art von Zeitung. Die wollen Leute, die viel Geld ausgeben, die jungen, urbanen Beruftätigen, die gebildet und weit gereist sind. Solche Leute wollen die Werbetreibenden. Und diese Zeitung musste sich diesen Wünschen anpassen."
Das erste Opfer des neuen Kurses war die Kulturberichterstattung. Theater-, Konzert- und Buchrezensionen fielen weg, übrig blieben nur bunte Artikel über die neuesten Hits aus Bollywood. Auch der Ton der politischen Berichterstattung änderte sich, wurde lockerer und, wie Kritiker einwenden, sensationsheischend. Chefredakteur Jojo Bose verteidigt den Wandel:
"Man kann heute keine Zeitung mehr machen wie vor 30 Jahren, nicht einmal wie vor fünf Jahren. Man kann nicht sagen: ‚Wir sind seriös, wir machen das nicht’. Das ist einfach lächerlich."
Schreiben was der Konsument vermeintlich will, und wie er es will – das wurde zum Credo der neuen Times. Die offensichtlichste Veränderung war der Wandel von einer überregionalen Zeitung für ganz Indien zu einem Blatt mit verschiedenen Lokalausgaben in den großen Städten. Die ersten Seiten der verschiedenen Times-Ausgaben sind reine Lokalteile. Auch dieser Wandel war dem Fernsehen geschuldet, sagt Dina Vakill:
"Das Fernsehen hat die nationale Berichterstattung übernommen. Man muss realistisch sein – übrig blieb das Lokale, die Gemeinde. In Bombay interessieren sich die Leute dafür, was hier vor Ort passiert. Und wir bringen, wenn das möglich ist, so viel wie möglich lokale Nachrichten auf der Titelseite."
Die Konzentration auf die gut verdienende, konsumfreudige urbane Leserschaft hat ihren Preis, auch journalistisch. So finden viele Themen in der Times gar nicht mehr statt. Drei Viertel der Indischen Bevölkerung lebt auf dem Land, doch die Probleme der Bauern scheinen die Leser der Times nicht zu interessieren. Ausnahmen bestätigen die Regel – wenn hunderte von verzweifelten Farmern Selbstmord verüben, wird dies auch in der Times erwähnt. Die Probleme vor der eigenen Haustür lassen sich nicht ganz so leicht ignorieren. Doch wenn, wie zu Jahresbeginn in Bombay, die Regierung 80.000 Slumhütten gewaltsam abreißen lässt und die Bewohner auf die Straße wirft, dann interessieren politische Implikationen weit mehr als die Lage der Slumbewohner. Die sind keine Leser der Times, und vor allem keine werberelevante Zielgruppe. Kritiker werfen der Zeitung vor, Realität nicht mehr abzubilden und zu kommentieren, sondern sich ihre eigene Realität zu schaffen.
Doch mit dem Selbstbewusstsein des Marktführers ging die Times of India noch einen Schritt weiter: Die tägliche Farbbeilage Bombay Times liefert Lifestyle und Produkte, Parties und Stars – und liest sich wie Gala oder Bunte. Sie brachte neue, jüngere Leser und noch mehr Werbeeinahmen. Und sie lockt mit etwas ganz besonderem: Auch der redaktionelle Teil ist käuflich. Über eine Promiparty zur Einführung eines neuen Parfüms wird ausführlich berichtet, vorausgesetzt, der Kunde zahlt. Abgewickelt werden solche Geschäfte über Medianet, ein eigens dafür gegründetes Unternehmen der Times Gruppe. Chefredakteur Bose sagt, im Hauptteil der Times komme das nicht vor. Auf die Frage, ob die Leser um die Käuflichkeit der Artikel in der Bombay Times wissen, antwortet er nur mit einem leisen "Ich hoffe es". Eine eitle Hoffnung, denn Artikel und Photos sind nicht als Werbung ausgewiesen. Ist das noch Journalismus? Die Chefredakteurin der Bombay Times, Gauri Singh, hat daran keinen Zweifel:
"Es ist auf jeden Fall Journalismus. Es ist vielleicht sogar die reinste Form des Journalismus, die es gibt."
O-Ton Vakill:
"Die Werbekunden wollten eine andere Art von Zeitung. Die wollen Leute, die viel Geld ausgeben, die jungen, urbanen Beruftätigen, die gebildet und weit gereist sind. Solche Leute wollen die Werbetreibenden. Und diese Zeitung musste sich diesen Wünschen anpassen."
Das erste Opfer des neuen Kurses war die Kulturberichterstattung. Theater-, Konzert- und Buchrezensionen fielen weg, übrig blieben nur bunte Artikel über die neuesten Hits aus Bollywood. Auch der Ton der politischen Berichterstattung änderte sich, wurde lockerer und, wie Kritiker einwenden, sensationsheischend. Chefredakteur Jojo Bose verteidigt den Wandel:
"Man kann heute keine Zeitung mehr machen wie vor 30 Jahren, nicht einmal wie vor fünf Jahren. Man kann nicht sagen: ‚Wir sind seriös, wir machen das nicht’. Das ist einfach lächerlich."
Schreiben was der Konsument vermeintlich will, und wie er es will – das wurde zum Credo der neuen Times. Die offensichtlichste Veränderung war der Wandel von einer überregionalen Zeitung für ganz Indien zu einem Blatt mit verschiedenen Lokalausgaben in den großen Städten. Die ersten Seiten der verschiedenen Times-Ausgaben sind reine Lokalteile. Auch dieser Wandel war dem Fernsehen geschuldet, sagt Dina Vakill:
"Das Fernsehen hat die nationale Berichterstattung übernommen. Man muss realistisch sein – übrig blieb das Lokale, die Gemeinde. In Bombay interessieren sich die Leute dafür, was hier vor Ort passiert. Und wir bringen, wenn das möglich ist, so viel wie möglich lokale Nachrichten auf der Titelseite."
Die Konzentration auf die gut verdienende, konsumfreudige urbane Leserschaft hat ihren Preis, auch journalistisch. So finden viele Themen in der Times gar nicht mehr statt. Drei Viertel der Indischen Bevölkerung lebt auf dem Land, doch die Probleme der Bauern scheinen die Leser der Times nicht zu interessieren. Ausnahmen bestätigen die Regel – wenn hunderte von verzweifelten Farmern Selbstmord verüben, wird dies auch in der Times erwähnt. Die Probleme vor der eigenen Haustür lassen sich nicht ganz so leicht ignorieren. Doch wenn, wie zu Jahresbeginn in Bombay, die Regierung 80.000 Slumhütten gewaltsam abreißen lässt und die Bewohner auf die Straße wirft, dann interessieren politische Implikationen weit mehr als die Lage der Slumbewohner. Die sind keine Leser der Times, und vor allem keine werberelevante Zielgruppe. Kritiker werfen der Zeitung vor, Realität nicht mehr abzubilden und zu kommentieren, sondern sich ihre eigene Realität zu schaffen.
Doch mit dem Selbstbewusstsein des Marktführers ging die Times of India noch einen Schritt weiter: Die tägliche Farbbeilage Bombay Times liefert Lifestyle und Produkte, Parties und Stars – und liest sich wie Gala oder Bunte. Sie brachte neue, jüngere Leser und noch mehr Werbeeinahmen. Und sie lockt mit etwas ganz besonderem: Auch der redaktionelle Teil ist käuflich. Über eine Promiparty zur Einführung eines neuen Parfüms wird ausführlich berichtet, vorausgesetzt, der Kunde zahlt. Abgewickelt werden solche Geschäfte über Medianet, ein eigens dafür gegründetes Unternehmen der Times Gruppe. Chefredakteur Bose sagt, im Hauptteil der Times komme das nicht vor. Auf die Frage, ob die Leser um die Käuflichkeit der Artikel in der Bombay Times wissen, antwortet er nur mit einem leisen "Ich hoffe es". Eine eitle Hoffnung, denn Artikel und Photos sind nicht als Werbung ausgewiesen. Ist das noch Journalismus? Die Chefredakteurin der Bombay Times, Gauri Singh, hat daran keinen Zweifel:
"Es ist auf jeden Fall Journalismus. Es ist vielleicht sogar die reinste Form des Journalismus, die es gibt."