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Schriller Spaß zum Jahreswechsel

In Wien, am Burgtheater, ist das Schiller´sche Lustspiel zu sehen. Intendant Matthias Hartmann führt Regie und hat der wenig bekannten Komödie noch mit einem besonderen Bonus ausgestattet: Eine Premiere an Silvester am Burgtheater.

Von Sebastian Fleischer |
    Dass die Türen des Burgtheaters zu Silvester offen stehen, ist durchaus nichts Neues. Eine Premiere zum Jahreswechsel - das hat es allerdings noch nicht gegeben. Mit dem Stück "Der Parasit" steht nun eine der wenigen und äußerst selten gespielten Lustspiele Friedrich Schillers am Programm.

    Es ist die zweite Komödie, die Matthias Hartmann innerhalb kurzer Zeit am Burgtheater inszeniert hat. Nachdem er Shakespeares "Was ihr wollt" durchaus überzeugend zu einer Slapstick-Parade gewandelt hat - Premiere war zwei Tage vor Weihnachten - , wendet er sich nun einem Werk zu, das von vornherein wie ein Slapstick aufgebaut ist: "Der Parasit" erzählt vom Hochstapler Selicour, einem Ministerialbeamten, der sich durch Intrigen, Verleumdung und Schmeichelei nach oben arbeitet, und den nur eines zu Fall bringen kann: Eine noch gemeinere, ausgefeiltere Intrige seiner Opfer.

    Matthias Hartmann verzichtet fast gänzlich auf visuelle oder akustische Eindrücke: Die Schauspieler agieren vor einer weißen Faltwand mit Türen verschiedener Größe: Bei der kleinsten müssen sie sich bücken, um sie zu öffnen, bei der größten wie ein Kind strecken. Mehr Ideen hat das Bühnenbild von Johannes Schütz nicht zu bieten, und auch auf Musik, die bei Hartmann-Inszenierungen oft eine tragende Rolle spielt, wurde diesmal fast gänzlich verzichtet.

    Das Stück funktioniert aber auch ohne große Interventionen des Regisseurs: Hartmann baut in seiner Inszenierung zu Recht ausschließlich auf sein hervorragendes Ensemble - zuallererst auf Michael Maertens. Mit ihm als Selicour hat der Burgtheater-Direktor das Stück bereits 2005 in Bochum und dann in Zürich auf die Bühne gebracht. "Die kriechende Mittelmäßigkeit kommt weiter als das geflügelte Talent", so lautet eine der Bilanzen Schillers am Ende des Stücks. Es ist diese kriechende Mittelmäßigkeit, die Maertens verinnerlicht zu haben scheint und so virtuos verkörpert: Selicour, ein dauergrinsender Schleimer mit Dreitagesbart und Seitenscheitel. Einer, der nach oben buckelt und nach unten tritt.

    Friedrich Schiller hat sein Stück "Der Parasit" stark an eine Komödie des französischen Dramatikers Louis-Benoît Picard angelehnt. Ursprünglich hätte er das Werk bloß übersetzen sollen, doch änderte er es so stark um, dass ich eher von einer Bearbeitung sprechen lässt. An Picards Stück habe ihn der große Verstand des Plans gereizt, schrieb Schiller einst, doch dessen Ausführung sei viel zu trocken. Schiller schaffte nach Picards Vorlage eine raffinierte Komödie mit einer ausgefeilten Figurenkonstellation.

    Dem Anspruch des Stücks wird die Produktion am Burgtheater dank der spielerischen Leistungen gerecht. Denn so präzise wie Michael Maertens agiert auch der Rest des Ensembles: Udo Samel verkörpert einen schrulligen wie ahnungslosen Minister Narbonne, Oliver Stokowski spielt den heißblütigen La Roche, der wegen Selicour seinen Posten verloren hat und sich rächen will, dabei über weite Strecken aber an seiner eigenen Stümperhaftigkeit scheitert. Johann Adam Oest als treuer, aber gutmütiger Beamter Firmin und Gerrit Jansen als dessen versedichtender Sohn Karl kommen gegen die Bösartigkeit Selicour nicht an und werden so unfreiwillig zu dessen Handlangern. Kirsten Dene schließlich glänzt als Madame Belmont, die Mutter des Ministers, die Selicour gerne zum Schwiegersohn hätte und sich nur allzu gerne dessen schleimigen Anbiederungen hingibt. In dieser Konstellation fällt es Selicour nicht schwer, sich in der Kunst der Lüge und Intrige zu üben.

    Die letzte Szene lässt Matthias Hartmann drei Mal durchspielen, das Stück endet damit dreimal auf unterschiedliche Weise: Zunächst siegt die Gerechtigkeit, am Ende schafft es aber doch der Intrigant, wie bei Schiller vorgesehen. "Der Schein regiert die Welt, und die Gerechtigkeit ist nur auf der Bühne", lässt Schiller den Minister Narbonne am Ende bilanzieren. Zynismus pur also zum Jahreswechsel am Burgtheater, mit einer Produktion, in der sich der Regisseur zurückhält und sein Ensemble glänzen lässt.