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Schrittmacher gegen dunkle Stimmung

Medizin. - Die Depression gehört zu den großen Volkskrankheiten - auf bis zu zehn Prozent der Gesamtbevölkerung schätzen Fachleute die Zahl der Betroffenen. Fünfzehn Prozent der Erkrankten sehen schließlich keinen anderen Ausweg mehr und nehmen sich das Leben. Fortschritte bei der Ursachenerforschung sowie der Behandlung versprechen heute in immer mehr Fällen zumindest Linderung der Depression, so das Fazit des derzeit in Berlin stattfindenden 7. Weltkongresses "Biological Psychiatry".

    Die gewachsene Detailkenntnis des Gehirnstoffwechsels trägt inzwischen Früchte: Immer mehr Medikamente greifen direkt und gezielt in das Geschehen ein, gleichen etwa Missverhältnisse bei wichtigen Botenstoffen aus und lindern so psychiatrische Symptome. Ein populäres Beispiel für wirksame Arzneien mit beherrschbaren Nebenwirkungen ist beispielsweise das stimmungsaufhellende "Prozac", das in den USA für Furore sorgte. Doch trotz aller Fortschritte auf dem Sektor bleibt bei bis zu 20 Prozent der Depressionen die Therapie wirkungslos, obwohl die Patienten eine Vielzahl an Wirkstoffen ausprobieren.

    Ein neuer Ansatz in der medikamentösen Therapie weicht von der bisherigen Linie der direkten Manipulation am Gehirnstoffwechsel ab und wendet sich an einen Teufelskreis, der mit dem Leiden einhergeht: Depressionen verursachen bei den Betroffenen erheblichen Stress, der die Krankheit noch verstärkt. Forscher des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München nehmen sogar an, dass ein gestörtes Stresssystem auch Depressionen auslösen kann. Jetzt stellten die Wissenschaftler neue Medikamente vor, die die Folgen des Stress mindern und so die Depressionen von einer anderen Seite angehen. Weil diese Substanzen allerdings noch in einigen Fällen starke Nebenwirkungen besitzen, sucht das Herstellerunternehmen derzeit nach verträglicheren Verbindungen, die in einigen Jahren auf den Markt kommen sollen.

    Auch technische Lösungen können bei schweren Depressionen helfen: So zeigte sich, dass ein Schrittmachersystem zur Dämpfung von epileptischen Anfällen auch die Stimmung der Patienten besserte. Der so genannte Vagusnerv-Stimulator setzt elektrische Impulse in die Fasern des vegetativen Nerven und reizt so das limbische System des Gehirns, das für die emotionale Verarbeitung zuständig ist. Bei der Anwendung der Methode an therapieresistenten depressiven Patienten zeigte ein Drittel der Probanden eine deutliche Verbesserung ihres Zustandes.

    Während sich die Palette an solchen Werkzeugen gegen Depression ständig verbreitert, beklagen Experten, dass noch immer nur rund die Hälfte der Personen, die in Deutschland unter starken Stimmungseintrübungen leiden, überhaupt den Arzt aufsuchen und damit ihre Chance auf Linderung wahrnehmen. Die Fachleute appellieren daher dringend an depressive Patienten, den schweren, ersten Schritt zum Arzt zu unternehmen.

    [Quelle: Volkart Wildermuth]