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Schützt Männlichkeit vor Alzheimer?

Medizin. - Alzheimer ist eine Alterserkrankung, die nur selten jüngere Menschen betrifft. Doch noch immer ist das Leiden, bei dem das Gedächtnis immer stärker schwindet, nicht zu behandeln. Auf der Suche nach Risikofaktoren für die Krankheit untersuchten jetzt US-amerikanische Wissenschaftler die Daten Hunderter Studienteilnehmer, die Ärzte teilweise über 40 Jahre begleiteten. Das überraschende Ergebnis: Männlichkeit könnte vielleicht vor Alzheimer schützen.

Von Kristin Raabe |
    Anhand seiner Untersuchungen an der Patientin Auguste D. hat Alois Alzheimer jene Krankheit beschrieben, der er später seinen Namen gab. Die berühmteste Alzheimer-Patientin war also eine Frau. Mit 51 Jahren war Auguste D. noch relativ jung, als die Krankheit bei ihr schon weit fortgeschritten war. Im hohen Alter sind Frauen deutlich häufiger von Alzheimer betroffen als Männer. Warum das so ist, wollte Susan Resnick vom amerikanischen National Institute on Aging herausfinden:

    In dieser Studie haben wir uns ausschließlich auf Männer konzentriert. Einige von Ihnen werden bereits seit 1958 regelmäßig untersucht. Ärzte haben dabei auch ihre Hormonwerte gemessen. Wir haben diese Daten im Hinblick auf das Risiko für Alzheimer untersucht.

    Einige der Studienteilnehmer haben Ärzte über einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren regelmäßig untersucht. Das war für die amerikanische Wissenschaftlerin ein absoluter Glücksfall.

    Insgesamt haben wir 574 Männer in unsere Untersuchung einbezogen. Davon haben 54 Alzheimer bekommen. Männer, die höhere Testosteronwerte aufwiesen, hatten ein deutlich geringeres Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Das Besondere an unserer Studie ist, dass die Testosteronwerte nicht erst gemessen wurden, als die Erkrankung bereits ausgebrochen war, sondern bereits Jahre vorher. Wir gingen einmal fünf und einmal zehn Jahre zurück und fanden immer dieselbe Beziehung zwischen Alzheimer und Testosteron.

    Testosteron liegt im menschlichen Organismus in zwei Formen vor: einmal frei und einmal gebunden an ein Protein. Nur das freie Testosteron kann seine Wirkung als männliches Sexualhormon auch entfalten. Susan Resnick fand heraus, dass Männer mit niedrigen freien Testosteronwerten ein höheres Risiko für Alzheimer hatten.

    Wir würden niemandem empfehlen, Testosteronpräparate zur Vorbeugung von Alzheimer einzunehmen. Es gibt einfach noch viel zu wenig Informationen. Im Gegenteil: Ich habe große Bedenken, was das Risiko solcher Testosteronpillen angeht. Sie könnten zu Prostatakrebs oder Schlaganfall führen.

    Künstliches Testosteron in großen Mengen einzunehmen, ist also riskant. Und dabei ist noch nicht einmal sicher, ob es tatsächlich das Testosteron ist, das Alzheimer verhindern kann.

    Wir können nicht mit Sicherheit sagen, dass es wirklich vor Alzheimer schützt. Unsere Ergebnisse zeigen nur, dass es irgendeine Verbindung zwischen Alzheimer und Testosteron gibt. Ob diese Verbindung in Ursache und Wirkung besteht, können wir jetzt noch nicht sagen. Es gibt zumindest einige biologische Mechanismen, die wichtig sein könnten. In Tiermodellen kann Testosteron die für Alzheimer typischen Eiweißablagerungen im Gehirn verhindern. Das ist aber nur ein möglicher Mechanismus. Testosteron kann im Gehirn auch in das weibliche Geschlechtshormon Östrogen umgewandelt werden. Der Effekt von Testosteron auf Alzheimer kann also durch das männliche oder das weibliche Geschlechtshormon hervorgerufen werden.

    Männlich oder weiblich - die beiden Hormone, die unser Geschlecht steuern, sind sich jedenfalls viel ähnlicher, als die meisten glauben. Und das macht es den Wissenschaftlern eben nicht gerade leicht herauszufinden, wie diese Hormone die Alzheimersche Erkrankung beeinflussen.