Ein Knirps mit Krawatte war das Bild zum Fest - mit viel zu großer Intellektuellenbrille schaute er von den Plakaten herab und vom Programmheft herauf; schon viel zu alt fürs eigene Ich - richtig falsch besetzt. So angenehm ironisch haben Hannovers Schauspielpädagogen jeder eventuell aufkeimenden Debatte über das doch recht fortgeschrittene Alter des Schülertheatertreffens die Spitze genommen - und gleichzeitig dezent daran erinnert, dass der alljährlich ans Spielzeitende gesetzte Schüler-Gipfel gerade in Hannover am Beginn einer - ja:- Bewegung stand, die derzeit gerade wieder neues Tempo aufnimmt. Kaum ein Theater in Deutschland kommt inzwischen ohne Jugendclub aus; einige Profi-Jugendbühnen, wie das ähnlich traditionsreiche Bremer MOKS-Theater (der Name steht für den "Modellversuch Kunst & Schule"), waren und sind wegweisend für die ganze Szene, das noch recht neue Stuttgarter Jungdtheater heißt "JES", und in Hamburg ist das neu gegründete "Junge Schauspielhaus" erfolgreicher als das der "erwachsenen" Kollegen. Und auch Hannover hat von der beginnenden Saison an wieder ein "Junges Schauspiel". 1978 aber war all das ganz neu; und der "Theaterpädagoge" an sich war noch gar nicht richtig erfunden.
Schülertheater hat vor allem und immer wieder (und damals wie heute) einen entscheidenden Vorteil - es geht los; auch wenn es vielleicht auch nicht recht weiß wohin.
Es weiß auch noch nicht viel von der Ökonomie des Spiels - lässt sich dadurch aber überhaupt nicht daran hindern, mit Volldampf auf das gesetzte Ziel zuzusteuern - etwa auf George F. Walkers ziemlich holzschnittartiges Junge-Leute-Stück mit dem schönen Titel "Dumm gelaufen". Drei 19-Jährige, zwei Mädchen, ein Junge, liegen einander qualvoll lange in den Ohren - er hat die eine geschwängert und will sie nun, so scheint es, verlassen; die zweite steht der Freundin als Oberschlaumeierin zur Seite.
Oder "Fuck the Future" - da tragen Realschüler im türkisch-afro-deutschen Kulturen-Mix alle Klischees zusammen, die sich die Gesellschaft derzeit so macht von der Problemschule voll von wohlstandsverwahrlosten, hochnäsigen, medienverseuchten Kids; nach der Generation "Tu-nix" die Generation "Kann-nix" und "Weiß-nix". Stundenlang müsste gestritten werden über den akut politischen Horizont solcher Aufführungen - aber natürlich ist hier, wo die jungen Leute und die näheren Verwandten quasi unter sich sind, der brausende Jubel viel zu leicht zu haben. Es zählt danach zu den vornehmeren Aufgaben der Theaterpädagogen (und der Lehrkräfte), den Novizen klar zu machen, dass sie (oder ihre Rollen) nicht schon deshalb "Recht haben", weil sie auf der Bühne stehen.
Wenn übrigens die Groß-Kritik über "Schüler-Niveau" Häme ausschüttet, dann meint sie vielleicht so etwas wie "Camp hoch 2", einen eher etwas länglichen Schüler-Scherz, der sich einiger Motive aus Shakespeares "Viel Lärm um Nichts" bedient, um die ulkigen Zustände im Ferienlager nach zu bilden. Naja. Daneben stehen zum Glück aber auch die Aufführungen, die schon ahnen lassen, was es mit Ton und Timing und Dynamik für die Bühne auf sich hat; und die darum mehr sind als bloß ein bisschen Jux und Dollerei für die Abi-Feier.
Für diese frühe Form von Talent sind inzwischen allüberall im Theaterland die Jugendclubs da; in Hannover heißt der seit geraumer Zeit (wieder so ein angestrengt-ambitiöser Name!) "freestyle". Er bringt schon eine Sammlung starker Monologe hervor.
Hildegard, die verlorene Heldin aus Horvaths kleinem Totentanz um "Glaube, Liebe, Hoffnung”; außerdem treten auf Hedwig, das verzweifelte Mädchen aus Ibsens "Wildente”, und Lady Macbeth, Strindbergs "Fräulein Julie”, "Das kunstseidene Mädchen von Irmgard Keun und Gräfin Geschwitz, die sich vergeblich nach Wedekinds "Lulu” verzehrt.
Und kurz vor Toresschluss des Festivals, in einem szenischen Rundum-Spektakel auf allen Bühnen und in alle Ecken des hannoverschen Ballhofs, ist Thomas Bernhards "Königin der Nacht" (aus "Der Ignorant und der Wahnsinnige") gar auf dem Damen-Klo zu entdecken.
Viel Mut ist immer im Spiel, und immer schult die Bühne das Alter und das Ego, und das Nachdenken über beides - im Blick auf das Andere, das nicht Ich ist. Dabei soll aber niemand glauben (oder von sich aus hoffen, ob aus Schüler- oder Eltern-Perspektive), dass hier notwendigerweise die Stars von morgen und übermorgen den ersten Auftritt haben - aber die Zuschauer von morgen werden hier geschult; die jungen Menschen, die sich ein Leben ohne Theater fürderhin nicht mehr werden vorstellen können - selbst wenn die Glotze tausend Sender hat.
Schülertheater hat vor allem und immer wieder (und damals wie heute) einen entscheidenden Vorteil - es geht los; auch wenn es vielleicht auch nicht recht weiß wohin.
Es weiß auch noch nicht viel von der Ökonomie des Spiels - lässt sich dadurch aber überhaupt nicht daran hindern, mit Volldampf auf das gesetzte Ziel zuzusteuern - etwa auf George F. Walkers ziemlich holzschnittartiges Junge-Leute-Stück mit dem schönen Titel "Dumm gelaufen". Drei 19-Jährige, zwei Mädchen, ein Junge, liegen einander qualvoll lange in den Ohren - er hat die eine geschwängert und will sie nun, so scheint es, verlassen; die zweite steht der Freundin als Oberschlaumeierin zur Seite.
Oder "Fuck the Future" - da tragen Realschüler im türkisch-afro-deutschen Kulturen-Mix alle Klischees zusammen, die sich die Gesellschaft derzeit so macht von der Problemschule voll von wohlstandsverwahrlosten, hochnäsigen, medienverseuchten Kids; nach der Generation "Tu-nix" die Generation "Kann-nix" und "Weiß-nix". Stundenlang müsste gestritten werden über den akut politischen Horizont solcher Aufführungen - aber natürlich ist hier, wo die jungen Leute und die näheren Verwandten quasi unter sich sind, der brausende Jubel viel zu leicht zu haben. Es zählt danach zu den vornehmeren Aufgaben der Theaterpädagogen (und der Lehrkräfte), den Novizen klar zu machen, dass sie (oder ihre Rollen) nicht schon deshalb "Recht haben", weil sie auf der Bühne stehen.
Wenn übrigens die Groß-Kritik über "Schüler-Niveau" Häme ausschüttet, dann meint sie vielleicht so etwas wie "Camp hoch 2", einen eher etwas länglichen Schüler-Scherz, der sich einiger Motive aus Shakespeares "Viel Lärm um Nichts" bedient, um die ulkigen Zustände im Ferienlager nach zu bilden. Naja. Daneben stehen zum Glück aber auch die Aufführungen, die schon ahnen lassen, was es mit Ton und Timing und Dynamik für die Bühne auf sich hat; und die darum mehr sind als bloß ein bisschen Jux und Dollerei für die Abi-Feier.
Für diese frühe Form von Talent sind inzwischen allüberall im Theaterland die Jugendclubs da; in Hannover heißt der seit geraumer Zeit (wieder so ein angestrengt-ambitiöser Name!) "freestyle". Er bringt schon eine Sammlung starker Monologe hervor.
Hildegard, die verlorene Heldin aus Horvaths kleinem Totentanz um "Glaube, Liebe, Hoffnung”; außerdem treten auf Hedwig, das verzweifelte Mädchen aus Ibsens "Wildente”, und Lady Macbeth, Strindbergs "Fräulein Julie”, "Das kunstseidene Mädchen von Irmgard Keun und Gräfin Geschwitz, die sich vergeblich nach Wedekinds "Lulu” verzehrt.
Und kurz vor Toresschluss des Festivals, in einem szenischen Rundum-Spektakel auf allen Bühnen und in alle Ecken des hannoverschen Ballhofs, ist Thomas Bernhards "Königin der Nacht" (aus "Der Ignorant und der Wahnsinnige") gar auf dem Damen-Klo zu entdecken.
Viel Mut ist immer im Spiel, und immer schult die Bühne das Alter und das Ego, und das Nachdenken über beides - im Blick auf das Andere, das nicht Ich ist. Dabei soll aber niemand glauben (oder von sich aus hoffen, ob aus Schüler- oder Eltern-Perspektive), dass hier notwendigerweise die Stars von morgen und übermorgen den ersten Auftritt haben - aber die Zuschauer von morgen werden hier geschult; die jungen Menschen, die sich ein Leben ohne Theater fürderhin nicht mehr werden vorstellen können - selbst wenn die Glotze tausend Sender hat.