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Schutz gegen Hochwasser und Erosion

Wenn in den letzten Jahren die Rede von unseren Flüssen war, dann stand - neben der Wasserqualität - fast immer die Hochwassergefahr im Mittelpunkt. Welch verheerende Folgen daraus erwachsen können, das konnten wir im Sommer an der Elbe beobachten. Es gibt jedoch noch eine andere Gefahr; die vor allem die großen Flüsse betrifft, von der Öffentlichkeit aber kaum beachtet wird, da sie mehr im Verborgenen wirkt – die Erosion, d.h. die Auswaschung von Flussbett und Uferzonen. Gerät die außer Kontrolle, dann sind Bauwerke, die Schifffahrt und auch die Umwelt in Gefahr. In Rees am unteren Niederrhein kennt man dieses Problem bereits seit vielen Generationen. Dort kratzt der Rhein an den Grundfesten der Stadt. Mit einer großen Baumaßnahme soll diese Bedrohung jetzt endgültig gebannt werden. Dabei wird, was bei derartigen Eingriffen ja nicht immer der Fall ist, auch der Umwelt ein Gefallen erwiesen – mit einer Maßnahme, die nach Meinung der Experten Vorbildcharakter für ähnliche Problemstellungen anderswo haben könnte.

von Andreas Kleinebenne |
    Mittleres Hochwasser in Rees am Niederrhein. Noch nippt die Flut nur an der Uferpromenade. 7.000 Kubikmeter Wasser strömen hier jetzt in jeder Sekunde vorbei – ein Klacks, verglichen mit den 12.000 Kubikmetern, die bei extremem Hochwasser gegen die Fundamente drücken. Ganz zu schweigen von den Befürchtungen für die Zukunft – da rechnen Experten wie Dietmar Abel vom Wasser- und Schifffahrtsamt Duisburg-Rhein gar mit 14.500 Kubikmetern Wasser:

    Die enorme Strömungskraft des Flusses würde die Sohle ausräumen, wir sprechen dann von einer Erosion. Und Sie können sich vorstellen, dass dann direkt an der Stadtmauer durch große Tiefen die Stadtmauer sich dann in den Fluss bewegen würde.

    Neben dieser Gefahr für das Ufer droht auch der Schifffahrt erhebliches Ungemach. Wenn der Fluss bei starkem Hochwasser mit Macht über seine Sohle strömt, dann bewegt er enorme Mengen Material. In fünf Jahren verschob er vor Rees ungefähr 100.000 Kubikmeter.

    Nicht jede Stelle im Rhein erodiert gleich, es wachsen sogenannte Schwellen heraus, und da würden dann die Schiffe gegen fahren, und dass wollen wir als Wasser- und Schifffahrtsverwaltung eigentlich gar nicht.

    Das Problem an dieser Stelle ist: der Rhein kann bei Hochwasser nicht in die Breite ausweichen, das der Stadt Rees gegenüberliegende Ufer ist zu hoch. Es einfach abzutragen, verbietet sich jedoch: zum Einen trägt es ökologisch wertvollen Bewuchs; zum Anderen würde durch eine einfache Verbreiterung des Flussbettes der Wasserspiegel bei normalen Wasserverhältnissen zu weit abgesenkt. Was also tun?

    Wir werden ab Mittelwasser plus 1 Meter – weil wir wollen nicht uns selbst bei Mittelwasser das Wasser abgraben, ab Mittelwasser plus 1 Meter werden wir eine Flutmulde anspringen lassen, die eine Abgrabungstiefe von ca. 7 bis 10 Metern hat.

    Rund 2 Millionen Kubikmeter Sand und Erde müssen für die Flutmulde ausgehoben werden. Fast drei Kilometer lang und 180 Meter breit soll sie sich im Gelände hinter dem schützenswerten Uferstreifen ausdehnen. Bei Hochwasser läuft dann das Wasser stromaufwärts von diesem ein und einige hundert Meter weiter stromabwärts wieder aus. Auf diese Weise sinkt die Strömungsgeschwindigkeit des Flusses bei Hochwasser um 0,3 Meter pro Sekunde, was recht viel ist. Außerdem reduziert die Flutmulde die Überschwemmungsgefahr einige Kilometer flussaufwärts.

    Demnächst beginnt das Planfeststellungsverfahren; die Umweltverträglichkeitsprüfung ist abgeschlossen, die Naturschutzverbände sind grundsätzlich einverstanden. Vor allem auch deshalb, weil durch die Flutmulde die Bedrohung der Flora in der Uferzone abgewehrt werden kann. Noch einmal Dietmar Abel vom Wasser- und Schifffahrtsamt Duisburg-Rhein:

    Also durch die Schaffung der Flutmulde wird ja die Erosion im Hauptstrom vermindert oder verhindert, und dadurch senken sich nicht die Niedrig- und die Mittelwasserspiegellagen ab. Dadurch bleibt der Grundwasserspiegel so erhalten, wie er jetzt ist, und Pflanzengesellschaften, die jetzt in den Vorländern sind, bleiben bestehen. Wenn wir das nicht machen würden, und die Erosion weiter stattfinden würde – wir haben hier ca. 1 bis 2 cm pro Jahr, das ist morphologisch gesprochen Grand Canyon ungefähr – würden irgendwann im Laufe der Jahrzehnte die Pflanzen, die sie hier sehen, nicht mehr an das Grundwasser kommen, und somit würde eine Versteppung einsetzen.